Glasbaustein-Fassade neu gedacht

Büro- und Infrastrukturgebäude Wasserwerke Zug WWZ, Zug/CH

Nüchtern und kühl gibt sich der im Frühling 2021 ­fertiggestellte Verwaltungsbau der Zuger WWZ mit ­darunterliegendem Rechenzentrum. Der von der Straße ­zurückversetzte Gebäudeteil, dessen Fassade von Glasbausteinelementen, Betonstützen und Photovoltaik-Paneelen geprägt ist, könnte in den kommenden Jahren um ein Hochhaus erweitert werden.

Entlang der Chollerstraße in Zug zieht sich ein Industriequartier, das sich entsprechend eines neuen Quartiergestaltungsplans in eine Wohn-Industrie-Mischzone wandeln soll. Die Zuger Wasserwerke WWZ unterhalten hier in der Lorzenallmend seit den 1990er-Jahren einen Verwaltungsbau und ein Rechenzentrum. Als die regionale Energie-, Wasser- und Telekommunikations-Versorgerin räumlich an ihre Grenzen stieß, ließ das Unternehmen 2016 einen einstufigen, anonymen Architekturwettbewerb auf Einladung ausschreiben. Die WWZ suchten nach Lösungen, wie sich eine etappenweise Expansion und die Sanierung des Bestands in die Vorgaben des neuen Quartierplans einbinden lassen.

Glasbaustein-Elemente mit Wiedererkennungswert

Das Wettbewerbsprojekt „Ammonit“ von Boltshauser Architekten aus Zürich und der Münchensteiner Waldhauser + Hermann AG, die die Haustechnik planten, ging siegreich aus dem Wettbewerb hervor. Es band das am Nachbarbau bestehende Thema der Glasbausteine zeitgenössisch in eine neue, auf
Elementbau basierende, ökonomische und funktionale Architektur ein. Besonders der hohe Vorfertigungsgrad in der Fassadenlösung, bestehend aus liegenden und stehenden Glasbaustein-Elementen und dazwischenstehenden Betonstützen, überzeugte.

Nach der Wettbewerbsentscheidung blieben die karge Schlichtheit und die transluzente Glasbaustein-Fassade erhalten, die Detaillierung des Gebäudes veränderte sich jedoch. Fassten ursprünglich dunkle Stahlrahmen die eng gesetzten Glasbausteine, sind die nun verbauten Elemente massiv in Beton vergossen. Im Ursprungsprojekt setzte sich davon die innere Hülle mit ihren großformatigen Verglasungen ab, zurückversetzt und spielerisch leicht durch vertikale Schwerter getrennt. Hier ist eine deutliche Anlehnung an das Forschungsgebäude GLC für die ETH Zürich an der Gloriastraße zu erkennen, bei dem die Architekten einen ähnlichen Aufbau der Doppelfassade planten. Wie durch einen Bilderrahmen sollten in Zug jeweils vier Achsen etagenweise mit hellen Betonelementen gefasst sein. Im Erdgeschoss sah der Entwurf zwei flache und begrünte Wasserbecken vor, die – bei einer Beauftragung des Büros mit der zweiten Erweiterung – noch um ein drittes Becken in der Reihe ergänzt worden wären.

Diese erwiesen sich in der Überarbeitung jedoch als technisch zu aufwendig bei einer so hochsensiblen Nutzung in den direkt verbundenen drei Untergeschossen, in denen sich das Rechenzentrum mit Server-Infrastruktur, Notstromaggregaten und Kühlanlagen befindet. Während sich der unterirdische Bauteil bis hin zur Straße zieht, liegt der oberirdische Teil mit Kundenzentrum im Erdgeschoss und Büroräumen in den Obergeschossen zurückversetzt hinter einem Parkplatz. Diese Distanz und die harte Versiegelung irritieren auf den ersten Blick, sind aber bezüglich der weiteren Planungen sinnvoll – mit den Jahren könnte der Parkplatz dem angedachten Erweiterungsbau, also dem Hochhaus, weichen und die bestehende Tragstruktur alle anfallenden Lasten aufnehmen.

Auf schwierigem Grund

Da sich das Baugebiet in Seenähe auf sumpfigem Boden mit hohem Grundwasserstand befindet, entstanden die Untergeschosse in Deckelbauweise. Zunächst wurden alle äußeren Wände über drei Geschosse als Schlitzwände erstellt und dann die Erdgeschoss-Decke zur Aussteifung betoniert. Der Aushub erfolgte anschließend stockwerksweise durch freigelassene Öffnungen. Zahlreiche Pfähle verankern den Baukörper im Boden, zuletzt wurde vor die wasserdurchlässigen Schlitzwände nach innen eine dichte Betonschale gesetzt. Als Skelettbau mit vorgehängter Fassade konzipiert, tragen in den Obergeschossen Stützen, Unterzüge und Queraussteifungen das Gebäude. Horizontale Riegel fangen das Gewicht der Elemente und den anfallenden Winddruck ab.

Den im Grundriss U-förmig gestalteten Bau betritt man mittig, findet rechts einen Empfang und links das Kundenzentrum. Dazwischen weitet sich ein kleines Atrium auf, das an einer grazil gestalteten Beton-Wendeltreppe endet. In den Obergeschossen schließen an sie direkt die Laubengänge an, über die man die als Schotten angelegten Büros erreicht. Da der Bauherrschaft wichtig war, die Büros unterschiedlichen Nutzungen anpassen zu können, sind die Grundrisse flexibel unterteilbar.

Energiegewinnung an den Fassaden

Die Innenwände zu den Büros sind teilweise mit Glasbausteinen gestaltet, wodurch Tageslicht nicht nur über die Außenfassade, sondern auch durch Glasdach und Innenverglasung diffus in die Räume gelangt. Selbst wenn die Fenster verschattet werden, kann über die Oberlichter noch indirektes Licht in die Räume gelangen. Ein zusätzlicher Sonnenschutz vor den Glasbausteinen war nicht notwendig, da diese in sich zweischalig aufgebaut sind und das direkt einstrahlende Licht brechen. Sie fungieren damit als Brise Soleil und verhindern Blendungen im Innenbereich.

Die Glasbaustein-Elemente in der Fassade sind für die thermische Trennung in Dämmbeton vergossen, als äußere Schicht überzieht ein heller und witterungsrobuster Beton die Fugen. Entgegen dem Wettbewerbsprojekt sind die Glasbaustein-Flächen in der Projektüberarbeitung deutlich reduziert worden. So sind nun die Brüstungen geschlossen, um hier die Nutzung als Büroraum zu optimieren und privater zu gestalten. Diese Flächen nehmen vorgehängte Photovoltaik-Elemente auf. Die Photovoltaik-Zellen befinden sich jeweils zwischen zwei profilierten VSG-Scheiben, von denen die äußere rückseitig grau bedruckt ist, um das Blau der PV-Zellen zu verbergen. Zu Beginn des Projekts hatten die Architekten versucht, Photovoltaik direkt mit den Glasbausteinen zu kombinieren. Von einem Produkt aus England, bei dem sich die PV-Linsen direkt im Glasbaustein befinden, versprach man sich zunächst viel. Versuche im Mock-up zeigten jedoch, dass das Produkt bezüglich Dichtigkeit und Feuchte technisch noch nicht ausgereift war. „Es hat dann für uns zeitlich nicht mehr gereicht, auf die technische Überarbeitung des Produkts zu warten“, erklärt Architekt Mathias Stocker. „So kamen wir auf die Lösung mit den energetisch genutzten Brüstungselementen.“

Die über die Fassade gewonnene Energie wird im Gebäude verbraucht, kann aber nicht das Rechenzentrum betreiben. „Es ist nicht möglich, diese Menge an Energie hier zu gewinnen“, so Mathias Stocker. „Aber es ist ein Anteil. Mit der Abwärme des Rechenzentrums wiederum heizen wir die Büros. Künftig werden wir die Energie auch in das Fernwärmenetz einspeisen können.“ Die Rückkühler für die Anlage konnten indessen geschickt in die Gitterstruktur der rückseitigen Fassade integriert werden, statt sie auf das Dach als Fremdkörper zu stellen. Auf diesem wurde dadurch Platz frei für weitere Solaranlagen – ganz im Sinne einer kompakten Planung und eines nachhaltigen Betriebs. ⇥Katinka Corts

Projektdaten

Objekt: Büro- und Infrastrukturgebäude Wasserwerke WWZ

Standort: Chollerstraße 26, Zug/CH

Typologie: Infrastruktur, Büro, Verkaufsflächen

Bauherr:in: WWZ AG, Zug/CH

Nutzer:in: WWZ AG

Architektur: Boltshauser Architekten AG, Zürich/CH, www.bolthauser.info

Team: Mathias Stocker, Simon Burri, Marle Freitag, Jan Schlüter, Leon Dirksen, Zeno Böck, Jan Schlüter

Bauleitung: S+B Baumangement AG, Zug/CH

Generalplanung: S+B Baumangement AG, Zug/CH

Bauzeit: 2018–2021 (Wettbwerb,
1. Preis 2016)

 

Grundstücksgröße: 3 323 m²

Geschossflächenzahl: 17 900 m²

Nutzfläche gesamt: 16 346 m²

Nutzfläche: 13 406 m²

Technikfläche: 1 364 m²

Verkehrsfläche: 1 576 m²

Brutto-Grundfläche: 17 928 m²

Brutto-Rauminhalt: 74 108 m³

Baukosten (nach DIN 276):

Gesamt brutto: 53,3 Mio. €

 

Fachplanung

Tragwerksplanung: Gruner Berchtold Eicher AG, Zug/CH; www.gruner.ch; Moos Bauingenieure AG, Zug/CH, www.moos-bauing.ch

TGA-Planung: Wirthensohn AG, Luzern/CH, www.wirthensohn.ch

Fassadentechnik: feroplan AG, Zürich/CH, www.feroplan.ch

Lichtplanung: Reflexion AG,

Zürich/CH, www.reflexion.ch

Innenarchitektur: Boltshauser Architekten AG, Zürich/CH

Akustik/Nachhaltigkeit/Energieplanung: Martinelli + Menti AG,

Luzern/CH, www.martinellimenti.ch

Landschaftsarchitektur: Maurus Schifferli Landschaftsarchitekt,

Bern/CH, www.msbern.ch

Brandschutz, Gebäudeautomation/Fachplaner Elektrotechnik:: Hefti. Hess. Martignoni. AG, Zug/CH,

www.hhm.ch

Verkehrsplaner: Teamverkehr.zug AG, Cham/CH, www.zug.teamverkehr.ch

Sanitärplaner: Peter Sanitärplanung AG, Luzern/CH, www.sp-sanitaerplanung.ch

Energie

U-Werte Gebäudehülle:

Außenwand = 0,12W/(m²K)

Bodenplatte = 0,17W/(m²K)

Dach = 0,15W/(m²K)

Fenster (Uw) = 0,68W/(m²K)

Verglasung (Ug) = 1,00W/(m²K)

Herstellerfirmen

Fassade/PV: Alex Gemperle AG, www.gemperle.ch/de

Glasbausteine/-elemente: Semadeni Glasbeton AG,

www.semadeni-glasbeton.ch

Betonelemente Fassade: Elementwerk Istighofen AG,

www.betonelementwerk.ch

Stoffstoren: Schenker Storen AG, www.storen.ch

Hartbeton Böden: Krebotec AG, www.krebotec.ch

Beleuchtung: Regent Beleuchtungskörper AG, www.regent.ch

Die klare, in Systembauweise gefügte Gebäudestruktur reminisziert den industriellen Duktus und der stimmige Einsatz der Materialien, nach den Ansprüchen an Ökonomie, Funktionalität und Nachhaltigkeit gewählt, schreibt diesen in zeitgenössischer Sprache fort. Die präzise Fügung und das harmonische Zusammenspiel aller Elemente prägen den Ausdruck der kraftvollen Baugestalt.«
⇥DBZ Heftpartner:innen allmannwappner, München

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