Bewusster Minimalismus
Kapuzinerkloster
Dillingen a. d. Donau

Obwohl das Kapuzinerkloster in Dillingen a. d. Donau unter Denkmalschutz steht, konnte der Architekt
Theodor Merk das Landesamt für Denkmalpflege von
einer Modernisierung der Klosteranlage überzeugen, die die EnEV 2009 erfüllt und deren Ästhetik von einem bewussten Minimalismus lebt.

1991 gaben die Kapuzinermönche ihren Orden in Dillin­gen a. d. Donau auf. Es fand sich kein Nachwuchs mehr. Woraufhin die Anlage, bis auf das im Süden als „Gästehaus C“ weiter genutzte Gebäude, leer stand. Das Kapuzinerkloster, eine zweigeschossige Dreiflügelanlage, gruppiert sich um einen Kreuzgang, den Abschluss bildet die Kapuzinerkirche an der Nordseite. Das Gebäudeensemble aus dem 17. Jahrhundert erfuhr während seines 300-jährigen Bestehens mehrere Um- und Anbauten. Im Jahr 1890 wurde der Südflügel im Osten um einen Anbau ergänzt. Um 1900 wurde der Chor der Kapuzinerkirche um ein Geschoss erweitert. Das hatte zur Folge, dass die Treppe von da an verwinkelt ohne Podeste in das Dachgeschoss führte, das die Bibliothek der Kapuzinermönche beherbergte. Weitere Gebäude, die das Kloster sukzessive erweiterten, umschlossen gemeinsam mit der Klostermauer das 13 000 m² große Grundstück. Bis 2008 brachte die Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung ihre Seminarteilnehmer in dem „Gästehaus C“ unter. Sie nutzt das Gebäudeensemble auch heute wieder: nach der Sanierung. Das Staatliche Bauamt Krumbach hat behutsam in die historischen Bausubstanz eingegriffen und sie mit minimalen Eingriffen erhalten. Dennoch hat sich das Erscheinungsbild des ehemaligen Klosters grundlegend verändert; auch in den ehemaligen Mönchszellen, die nach der Sanierung moderne Unterkünfte sind.

EnEV trotz Denkmal

Die EnEV ist für unter Denkmal gestellte Gebäude nicht verbindlich. Wenn der Aufwand unverhältnismäßig groß ist oder die Substanz und das Erscheinungsbild maßgeblich verändert werden, ist der Erhalt der historischen Bausubstanz bedeutsamer. So ist es nicht verpflichtend einen Energieausweis zu erstellen. Dennoch versuchte Architekt Theodor Merk vom Staatlichen Bauamt Krumbach die Energiebilanz des Gebäudes zu verbessern, auch im Hinblick auf zukünftige Nutzungen. Das gelang, indem er um die thermischen Anforderungen der EnEV 2009 zu erfüllen, der 80 cm beziehungsweise 40 cm massiven Wand der Klosteranlage, in der die Unterkünfte der Seminarteilnehmer untergebracht sind, ein 18 cm dickes WDVS vorlagerte. Weiß verputzt, entsteht ein homogenes Bild des Ensembles. Mit Fernwärme aus Biomasse wird das Kloster mit Energie und Wärme versorgt. Die ehemaligen Verbundfenster aus den 1960er-Jahren tauschte der Architekt gegen dreifachverglaste Holz-Fenster mit einem U-Wert von 0,7  W/(m²K) aus.

Lediglich im Seminarraum, dem ehemaligen Psalierchor, hat der Architekt die originalen Kastenfenster erhalten. Davor sind neue, dreifachverglaste Fenster gesetzt. Der Seminarraum ist mit 5 cm dicken Kalzium­silikatplatten gedämmt. Das Decken­gewölbe erhielt einen neuen Akustikputz, zur Verbesserung der Akustik trägt ebenfalls die perforierte Oberfläche des eingeschobenen Psalier-Kubus bei. Beide unterstützen die Sprachverständlichkeit im Raum. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege forderte den Holz vertäfelten Psalierchor zu erhalten. Daraufhin wurde dieser ausgebaut, restauriert und nach der Sanierung ein Geschoss höher wieder eingebaut, so dass der Psalierchor nun als Mezzanin in den Seminarraum ragt.

Sichtbeton statt historischer Rekonstruktion

Ursprünglich war eine historische Rekonstruktion des Klosters angedacht. Doch durch einen Personalwechsel im Landesamt für Denkmalpflege, erhielt Merk die Möglichkeit den Entwurf nochmals zu überarbeiten. Merk konnte mit seiner Idee, die historischen Anbauten durch Sichtbetonrahmen zu ersetzen überzeugen. So machte Merk die Eingriffe an der historischen Bausubstanz sichtbar, indem er für alle Ergänzungen Sichtbeton wählte. Die ehemalige Küche an der Südseite des Klosters wich einem Betonkubus, der sich aus der Fassade schiebt. Dort ist nun ein barrierefreies Zimmer zu finden. Ein Sichtbetonrahmen findet sich ebenso am Eingang des Klosters wieder sowie als Ersatz für die ehe­malige Klosterpforte, die südlich an die Kirche angebaut war. Im Innern sind die Treppen aus Sichtbeton. Sie verbinden das Erd- mit dem Obergeschoss und führen im Nordosten bis unter das Dach, wo die ehemalige Bibliothek der Kapuziner untergebracht ist. Diese war nicht Teil der Sanierung, da eine Erschließung aufgrund der Höhe von über 7 m einen zweiten Fluchtweg erfordert hätte. Dieser wäre nur entlang der Fassade möglich gewesen. Man beschloss daraufhin die Bibliothek in ihrem Ursprung zu belassen und reinigte lediglich die Holzregale.

Spielraum für Gestaltung

Insgesamt verteilen sich auf den beiden Geschossen 30 Gästezimmer. Die Zellen im Ostflügel sind in ihrer Größe von 8 bis 10 m² erhalten geblieben. Wobei der Architekt eine benachbarte Zelle teilte und den Räumen als Badezimmer zu schlug. Das Bad ist mit einem Milchglas abgetrennt, auf dem als Reminiszenz ein verfremdeter Kapuzinermönch zu sehen ist. In den Zimmern dominieren die Materialien: geölte Eiche und Solnhofer Naturstein. Beide Materialien stammen aus der Umgebung. Am Bodenbelag fällt besonders auf, dass die bis zu 6,30 m langen Dielen aus Eiche ohne Querfuge verlegt sind. „Eine Herausforderung für den Schreiner“, gibt Merk zu. Der Zuschnitt musste zuvor genau berechnet werden, um möglichst wenig Verschnitt zu haben. Das hätte sonst die Kosten enorm gesteigert. Da es sich um ein öffentliches Gebäude handelt, erfolgten die Ausschreibungen ebenfalls öffentlich. Die Aufträge wurden an qualifizierte Firmen und engagierte Fachplaner vergeben, was nicht selbstverständlich ist. Es war eine gelungene Zusammenarbeit, sowohl mit dem Nutzer als auch mit den Fachplanern. Den großen Spielraum in der Gestaltung verdankt Merk, wie er sagt, dem Nutzer. Gleichzeitig war der Ansprechpartner der Akademie Hubert Luderschmid bestrebt eine gute Kommunikation zwischen Nutzern und Architekt zu fördern. Als Baubeauftragter sammelte er die Wünsche und gab sie an den Architekten in wöchentlich stattfindenden Besprechungen weiter. So kam es zu keinen Unstimmigkeiten zwischen Architekt und Nutzer. Auch die Regierung von Schwaben als Landesmittelbehörde unterstützte den Architekten: zum Beispiel war lange Zeit Teppichboden in den Räumen vorgesehen. „Dieses Material widerspricht dem minimalistischen Typus des Gebäudes“, sagt Merk, das sei auch Tenor der Landesmittelbehörde gewesen – die Kapuzinermönche sind ein Bettelorden. Sie bauten ihre Klöster nach dem Prinzip der „gebauten Armut“. Diese Haltung sollte sich nach der Sanierung durch die puristische Gestaltung im Gebäude widerspiegeln. 

Kreuzgang freigelegt

Dafür legte der Architekt den eingeschossigen Kreuzgang frei, der von einer mit Ziegel gedeckten Holzbalkendecke überdacht wird. In den 1960er-Jahren fielen die Arkaden des Kreuzgangs einem Umbau zum Opfer. Aus dem Wandelgang war damals ein geschlossener Flur entstanden, indem Wände provisorisch zwischen die Holzkonstruktion eingezogen worden waren. Um den Kreuzgang sichtbar werden zu lassen, entfernte der Architekt die Wände, ließ die Holzkonstruktion abbauen, reinigen und ergänzte eine Metallunterkonstruktion, auf der die Holzstützen aufsitzen. Die großen, bis zu 20 cm dicken Solnhofer Steinplatten wurden ebenfalls wiederverwendet. Der Kreuzgang ist der Mittelpunkt eines Klosters und dient als Verteiler in die wichtigsten Räume: Kirche, Dormitorium, Refektorium und Kapitelsaal. Heute erschließt er den Frühstücksraum, der gegenüber dem ehemaligen Refektorium, neben dem Eingang untergebracht ist, die Unterkünfte im Erdgeschoss, den Seminarraum sowie über diesen die Kapuzinerkirche. In der Kirche war geplant die umfangreiche naturkundliche Sammlung der Akademie unterzubringen. Aus raumklimatischen Gründen konnte die Sammlung nicht einziehen. Viele der Exponate benötigen eine regulierte Temperatur und Luftfeuchte. So wird die entweihte Kapuzinerkirche nun als Ausstellungs- und Veranstaltungsraum genutzt. S.C.

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