Beton, ein hervorragender Baustoff
Jürgen Engel, Frankfurt am Main, zum Thema „Beton“

Beton ist fraglos einer der wichtigsten Baustoffe unserer Zeit. Nahezu alle größeren Bauwerke werden heute in Stahlbeton errichtet. Mein Büro steht für moderne, formal rationale Architektur und die lässt sich ideal mit diesem Baustoff umsetzen. Doch abgesehen vom Einsatz als Tragwerk kommt Beton nur selten als sichtbares Material zum Tragen, obwohl es wegen seiner puren und rauen Eigenschaften von Architekten besonders geschätzt wird. Das hat seine Gründe. Neben den immer strengeren Vorschriften, die heute zu beachten sind, liegen die Ursachen auch im hohen Aufwand für die Herstellung von Sichtbetonoberflächen – und den damit verbundenen Kosten.

Ein Bauwerk, das in Bezug auf die Verwendung von Beton in unserem Schaffen eine Sonderstellung einnimmt, ist das Dokumentationszentrum der Gedenkstätte Bergen-Belsen. Mit seinen fast 200 m Länge ist das vollständig aus Beton errichtete, monolithische Gebäude in seiner Form und Materialität äußerst reduziert. Wir haben innen wie außen mit einheitlichen, leicht strukturierten Sichtbetonoberflächen gearbeitet, um eine ruhige, konzentrierte Atmosphäre zu erzeugen. Entstanden ist dank der Materialwahl eine kraftvolle und zugleich unaufdringliche Architektur.

Das Dokumentationszentrum markiert jedoch zugleich einen Wendepunkt in unserer Auseinandersetzung mit dem Baustoff Beton. Denn wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Details für die Umsetzung auf der Baustelle robust und einfach sein müssen, weil es heute an den entsprechenden Voraussetzungen fehlt, um eine hohe Ausführungsqualität für diesen empfindlichen Baustoff zu erzielen.

Abgesehen vom Einsatz als Tragwerk kommt Beton bei unseren Projekten heute meist als moderner Werkstoff zum Einsatz, der – im Werk vorgefertigt – unserem hohen Anspruch an Fertigungs- und Oberflächenqualität entspricht. Einer dieser neuartigen Betonbaustoffe ist der durch Glasfasern modifizierte Beton. Glasfaserbeton (GFB) verbindet die traditionellen Qualitäten des Betons mit einer modernen Glasfaserbewehrung und erzeugt dadurch neue Produktions- und Gestaltungsmöglichkeiten. Wir sehen in diesen neuen Baustoffen ein großes – auch gestalterisches – Potential, insbesondere durch die großen Bauteilabmessungen.

Glasfaserbeton haben wir beispielsweise bei der Fassade des neuen Bürogebäudes am Humboldthafen in Berlin verwendet. Die geringe Materialstärke von nur drei Zentimetern und das vergleichsweise geringe Gewicht, ermöglichen nicht nur eine Minimierung des Materialverbrauchs, sondern erleichtern auch die schnelle Montage. Geschosshohe Elemente reduzieren die Anzahl der gestalterisch wirksamen Fugen auf ein Minimum. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Qualität der Betonelemente mit ihrer glatten, nahezu porenfreien Oberfläche anhand von Grenzmustern und Fassaden-Mock-Ups im Maßstab 1:1 vorab begutachten lässt. [zum Projekt hier im Heft, S. 28ff.]

Gestalterisch ermöglichen die Betonelemente eine ungewöhnliche räumliche Tiefe und Plastizität der Fassade. Die unregelmäßige Anordnung der unterschiedlich breiten Architekturbeton-Elemente trägt in Kombination mit den Fensteröffnungen dazu bei, ein je nach Lichteinfall wechselndes, lebendiges Erscheinungsbild zu erzeugen. Der Ausdruck der industriellen Fertigungsmethode ist beabsichtigt – er ist modern und ehrlich. Das Material erzeugt eine von uns angestrebte Klarheit und Einfachheit. Vor diesem Hintergrund fügt sich der Beton als langlebiges und robustes Material in unsere Philosophie ein. Das Material steht für eine moderne, zeitlose Architektur mit Bestand.

Der Architekt

Jürgen Engel, Geschäftsführender Gesellschafter von KSP Jürgen Engel
Architekten GmbH, studierte Architektur an der Technischen Universität Braunschweig, der ETH Zürich, der RWTH Aachen und dem MIT-Massachusetts Institute of Technology, Cambridge, USA. Seit 1990 ist er Geschäftsführender Gesellschafter. Seit 2009 ist Jürgen Engel Alleininhaber und somit verant­wortlich für mehr als 200 Mitarbeiter des Büros. Die Projekte seines perso­nengeführten Architekturbüros wurden durch zahlreiche Preise gewürdigt, darunter: BDA Preis Niedersachsen, Niedersächsischer Staatspreis für Architektur, Internationaler Hochhauspreis, Mipim Award, Design for Asia Award, red dot design award.

www.ksp-architekten.de

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 02/2019

Glasfaserverstärkter Beton

Bond Street Station, London/GB - Innenausbau mit Glasfaserbeton

Für den Ausbau der Bond Street Station im Londoner Crossrail-Netz erweiterte Lindner sein Produktspektrum und seine Produktion im Bereich Glasfaserbeton. In einer eigenen Fertigungsstätte von...

mehr
Ausgabe 09/2018

Glasfaserbeton-Fassadenelemente

Glasfaserbeton-Elemente von Rieder an der Fassade des 27E in Amsterdam

Die alte Marineakademie 27E in Amsterdam wurde vom Architekturbüro bureau SLA umgestaltet: Die außergewöhnliche Fassade wurde mit seinen anthrazitfarbenen Form­teilen von Rieder und einem starren...

mehr
Ausgabe 02/2019

Fassade aus Glasfaserbeton

Motel One Berlin - GFB Alvarez & Schepers - Fassade aus Glasfaserbeton

Das Motel One am Alexanderplatz in Berlin wurde von dem Büro GFB Alvarez & Schepers geplant. Für den Gebäudesockel wurden Fassaden-Bekleidungselemente aus Glasfaserbeton der Firma Fischer & Partner...

mehr
Ausgabe 02/2013

Der „Tour Total“ Architekturbeton in Perfektion

Der 70?m hohe Tour Total ist der erste Neubau des geplanten Stadtteils Europacity in Berlin und das verbindende Element zum Berliner Hauptbahnhof. Die Berliner Architekten Barkow Leibinger wählten...

mehr
Ausgabe 02/2012

„Marmor des 20. Jahrhunderts“ Dipl.-Ing. Arch. BDA Jan Störmer zum Thema „Beton“

Mein Gott! Wie viele Bücher, Aufsätze, Kongresse haben sich schon mit dem Thema Beton befasst, jeder Mensch weiß, dass dieses einfache Gemisch aus gemahlenem Kalkstein, Ton und Sand mit Wasser...

mehr