Baden mit Genuss
Von der Nasszelle zum Wellnesstempel

Die Idee des Wellness- und Wohlfühlbades ist nicht neu, aber aktueller denn je. Seit Jahren tauchen diese Begriffe immer wieder auf, die tatsächliche Entwicklung dorthin braucht aber ihre Zeit – wie üblich, wenn eingefahrene Gewohnheiten durch noch so überzeugende Neuheiten ersetzt werden sollen.

Wussten Sie schon, dass es das herkömm­liche Bad gar nicht mehr gibt?

Gemeint ist damit die von jeher bekannte Notwendigkeit eines komplett gekachelten Raumes, der auf möglichst kleiner Fläche die funktionale Sanitärkeramik Waschbecken, WC/Bidet, Dusche und Badewanne beherbergt und für die zügige Abwicklung der täglichen Hygiene gedacht ist. Häufig wenig einladend und seelenlos. Als Ausgleich für den Alltagsstress sind wir auf der Suche nach Rückzugs- und Entspannungsräumen, möglichst in den eigenen vier Wänden. Man spricht dabei von einem Trend zum „Homing“. Neue Bereiche werden hierfür erschlossen. Das Bad, ein Relikt aus alten Zeiten, ist prädestiniert für diesen Wandlungsprozess und steht bereit für seine neue Zweckerfüllung.

Aber was bedeutet „Wellness“ eigentlich für die konkrete Planung?

Was ist gemeint außer einer Produktbestückung des Raumes mit Dampfduschen und Whirlpools mit aromatischen Badezusätzen – alles kombiniert mit esoterischen fernöstlichen Klängen? Um diesem Trend auf die Füße zu helfen, muss er umsetzbar sein. Im Idealfall ist er variantenreich, für unterschiedliche Grundrissformen und -größen geeignet, kann verschiedene Budgets bedienen und dem Nutzer passende Gestaltungsstile zeigen.

Es geht nicht um die Auswahl bestimmter Sanitärprodukte, sondern um die Schaffung einer behaglichen Raumatmosphäre.

Diese soll unser Lebensgefühl positiv beeinflussen, entgegen Hektik und Stress. Das Bad wird innerhalb der Wohnung nicht mehr als separate Nasszelle betrachtet, sondern den Lebensbereich integriert. Die klassische Aufteilung in X-Zimmer/Küche/Bad wird abgelöst durch die Unterscheidung einer offenen, kom-munikativen Lebenszone (bestehend aus Eingangsbereich, Küche, Wohnzimmer, Gäste WC) und einen intimen Rückzugsbereich (Schlafzimmer, Ankleide, Bad). Im ersten Bereich pulsiert das Leben, jeder Mitbewohner und jeder Gast findet seinen Platz. Showeffekte und demokratische Rechte für die Bedürfnisse aller Familienmitglieder gehören hierher.

Dagegen ist der Teil Schlafen/Wellness/Bad als privates Refugium ganz auf die Bedürfnisse seiner Nutzer zugeschnitten. Für den Planer heißt das:

Bereits vor dem Entwurf sollten intensive Gespräche mit den Bauherren über deren Vorstellungen stattfinden, damit das individuelle Ergebnis später wie ein Maßanzug zu ihnen passt.

Häufig gewünscht werden zum Beispiel eine große Dusche mit Sitzplatz für ein begeisterndes Duscherlebnis, ggf. auch als Dampfdusche ausgebildet, ein zusätzlicher Kosmetikplatz der auch zum Aufenthalt einlädt, eine freistehende oder eingebaute Wanne mit Ablagen und Sitzflächen drumherum, Entspannungsliege, Sauna, ein Bildschirm oder ein Kamin. Prioritäten müssen dabei unterstrichen werden. Für Anregungen sind viele Kunden dank­bar, vielleicht haben sie vorher noch nie an die Möglichkeit einer beheizten Sitzbank oder Ähnliches gedacht, weil es einfach nicht zum Standard gehört. Vieles Althergebrachte muss in Frage gestellt werden, beispielsweise ob ein klassischer Doppelwaschtisch sinnvoll ist. Wer sagt, dass beide Partner die gleichen Anforderungen an die Benutzung stellen?

Im Vordergrund sollte nicht die Auswahl der Objekte stehen, sondern der Nutzen, den sich der Kunde wünscht.

Ist ein klares, praktikables und gut gestaltetes Konzept entwickelt, werden sich die entsprechenden Produkte wie von selbst finden, der Markt ist groß genug und bietet alle Möglichkeiten.

Für die Planung interessant ist natürlich, welche Räume eine direkte Verbindung haben sollen. Es gibt durchaus Paare, die das Bad zu ganz unterschiedlichen Zeiten nutzen, so dass die Trennung zwischen Schlafzimmer und Bad durch eine einfache Tür akustisch nicht ausreicht. Hier kann z. B. der Ankleidebereich als Durchgang angeregt werden. Bei fensterlosen Vorfluren in diesem Bereich sollte an Oberlichter oder satinierte (vertikale) Glas­streifen gedacht werden, um „dunkle Löcher“ bei geschlossenen Türen zu vermeiden.

Die private Ruhezone muss als Einheit betrachtet werden, für die ein umfassendes Ent­wurfskonzept entwickelt werden muss.

Während der konzeptionellen Planung werden die Weichen für die gestalterischen Möglichkeiten gestellt. Selbst wenn die Ausstattungselemente vom Bett bis zum Waschtisch im Prinzip die alt bekannten bleiben, so kann doch ihre Anordnung ebenso wie ihre Präsenz und Inszenierung im Raum neu überdacht werden.

Als einziger Ort mit Recht auf wirkliche Privatsphäre und dementsprechend räumlicher Trennung durch Tür und Wände kann mit Sicherheit nur das WC betrachtet werden. Die übrigen Elemente dürfen neu geordnet und kombiniert werden, so dass eine großzügige, kommunikative und vielseitig nutzbare Landschaft entsteht. Diese Sichtweise ermöglicht völlig neue Perspektiven in der Gestaltung von Hotelzimmern.

Das Bad rangiert bei den Hotelgästen in der Erwartungshaltung an ihren Aufenthalt an erster Stelle.

Es dient privaten Bauherren häufig als Anregung für die Gestaltung ihres persönlichen Refugiums.

Im Mittelpunkt wird weiterhin das Bett stehen, allein schon wegen seiner Ausmaße. Gestalterisch können aber genauso eine Runddusche mitten im Raum oder eine luxuriöse Wanne mit großzügigen Ablagen vor dem Fenster die Stimmung dominieren. Ein formschönes Auf­satzwaschbecken kann auf einer großflächigen Platte mit flexibler Nutzung in Szene gesetzt werden, so dass außer den üblichen Badutensilien auch andere Nützlichkeiten ihren Platz finden. Ein Spiegel muss keine genormten Maße und die Bezeichnung „Badspiegel“ tragen, er kann in variiertem Zuschnitt oder Position die gesamte Raumatmosphäre bereichern.

Auch bei der Auswahl der Materialien wird der gesamte Bereich ganzheitlich betrachtet. Im Entwurfsstadium, das den Grundriss und die Lage der Installationen vorgibt, wird die Raumgliederung und damit weit gehend der Charakter des Raumes bestimmt. Die Anordnung der Möbel zueinander und die Ausrichtung zum Tageslicht, die Wegführung durch den Raum sowie Freiflächen stehen damit fest.

Oberflächentechnisch ist dagegen noch fast alles offen. Kräftige Akzente oder dezente Harmonien, kühle glatte Flächen oder warme matte Effekte können unterschiedliche Stimmungen erzeugen.

Wichtig ist, dass alle Materialien und Farben aufeinander abgestimmt sind.

Umso wichtiger jetzt, da das Bad nicht mehr raumhoch gekachelt hinter der Tür verschwin­det. Der Bodenbelag wechselt nicht mehr automatisch an der Schwelle von Auslegeware zu diagonal verlegten Fliesen.


Das Verschmelzen von Bad und Schlafbereich veranlasst zum genauen Planen.

Zu beachten ist, an welchen Stellen Schutz vor Spritzwasser oder stehendem Wasser gegeben sein muss und welche Oberflächen wie gereinigt werden müssen. Schließlich soll ein ebenso hygienisches wie behagliches Ambiente geschaffen werden. Die Übergänge von abwaschbaren zu nicht wasserfesten Belägen, z. B. Fliesen/Tapete, verlangen nach kreativer Linienführung, da sie häufig mitten auf der Boden- oder Wandfläche stattfinden. Steht die Dusche oder Wanne frei im Raum, müssen die Fliesen nicht bis in die nächste Ecke verlaufen, in der sie quasi automatisch gestoppt werden. Es gilt, diese Materialwechsel als spannende Herausforderung zu betrachten. Flächen und Zonen können definiert, Akzente gesetzt werden. Genau solche unkonventionellen Lösungen geben dem Raum seinen ganz eigenen unverwechselbaren Stil. Hier liegt ein Füllhorn mit neuen Gestaltungs­möglichkeiten. Packen wir es aus! Christian Wadsack

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