Backstein – von je her faszinierend
Prof. Hans Kollhoff zum Thema „Mauerwerk“

Der Mauerziegel ist, so scheint es, das einzige Baumaterial, das auch heute noch traditionell produziert und verarbeitet wird, wenngleich hin und wieder dem Bedürfnis der Innovation nachgegeben wird durch merkwürdige Glasuren oder Roboter, die dem Maurer die Arbeit abnehmen. Dabei hat seine Modernisierung längst stattgefunden, denn was so herkömmlich aussieht, gehört seit geraumer Zeit in den Bereich komplexer und bisweilen komplizierter Konstruktionssysteme, die sich im Zuge der energetischen Sensibilisierung herausgebildet haben.

Der Backstein hat mich seit jeher fasziniert, der Handlichkeit und der Disziplin wegen, die seine Geometrie dem Architekten auferlegt in einer Zeit der Disziplinlosigkeit. Als man in den frühen 1970er Jahren begann, die Häuser mit Styropor einzupacken (damals bescheidene 6 cm) und mit Kunststoffputz zu überziehen, war Sichtmauerwerk die Rettung, insbesondere am Fußpunkt, wo es an der Bauflucht die Blechaufkantung mit Kiesdrainagestreifen zu vermeiden galt.

Doch schon damals war der Mauerziegel Industrieprodukt, glatt, gleichfarbig, leblos. Mit Hagemeister haben wir dann den Ton bis an die Sintergrenze gebrannt, massenweise in sich zusammengeschmol­zene Tonklumpen produziert, die geschreddert wiederverwendet werden konnten. Doch die Anstrengung hat schließlich einen Backstein hervorgebracht, der, richtig sortiert und vermauert, einen lebendigen Eindruck hinterließ mit seinem weichen Glanz und seinem Farbspektrum von Rot bis Blau und Grün – vor allem aber mit seiner unregelmäßigen Geometrie und Oberfläche.

Dem Klinker, der an der heutigen Schaubühne am Kurfürstendamm verwendet wurde, konnte dieser Backstein aber doch nicht das Wasser reichen. Wir machten uns auf die Suche und fanden die Manufaktur, die diesen wunderbaren „bunten“ Backstein hergestellt hat und ihn auch heute noch in ihrem Ringofen produziert. Die Maurer wollten den Stein anfangs nicht verarbeiten, weil er ihnen zu krumm vorkam. Nach und nach bekamen sie jedoch die „Ausschussware“ in den Griff und waren am Ende stolz auf ihr ganz außergewöhnliches Mauerwerk, das freilich ein halbes Jahrhundert zuvor zum traditionellen Handwerk gehörte.

In Wittmund haben wir gesehen, wie der Ton aus der Grube geholt und gemischt wird, um sich dann durch die Strangpresse zu schieben und Quader für Quader abgeschnitten zu werden von einer Maschine, die schon den Klinker für Erich Mendelssohn gefertigt hat. Dann der Trockenprozess in langen Holzschuppen, deren Lamellenöffnun­gen von der Hand des Meisters justiert werden, je nach Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Wind. Und schließlich das Aufschichten der Steine im Ringofen, dessen durch Torfzugabe aufrechterhaltener Brand von Kammer zu Kammer endlos fortschreitet.

Bei den Hochhäusern stießen wir dann an die Grenzen des Materials, vor allem die ökonomischen. Bei Wind und Wetter in hundert Metern Höhe in höchster Präzision eine Vormauerschale hochzuziehen, erscheint heute unversehens als luxuriöses Unterfangen. Also werden 4 cm starke Klinkerriemchen in Silikonmatrizen, die das Fugenbild garantieren, gelegt, bewehrt und zu Betonfertigteilen vergossen, wobei die Elastizität des Betons, vor allem aber des Fugenmörtels im Verhältnis zur Sprödigkeit des Klinkers der Aufmerksamkeit bedarf.

Natürlich galt es, die Fertigteilfugen zum Verschwinden zu bringen, denn das Mauerwerk gewinnt seine Faszination nicht zuletzt durch monolithische Wirkung. Dazu bedarf es einer Gliederung: Ist das letzte Element eingepasst, steht dieser Illusion, die eine eminent architektonische ist, nichts mehr im Wege. Ist das innovativ oder retro oder Erinnerung an ein Metier und dessen Fortschreibung?

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