BIM und Recht – Haftung und Verträge

Die Digitalisierung hält zunehmend immer mehr am Bau Einzug. Mit BIM soll das gesamte Gebäude digital entstehen, bevor es real gebaut wird. Klar aber ist schon heute, dass mit einer Projektrealisierung via BIM viele rechtliche Probleme verbunden sind.

Allgemeines zu BIM

In BIM, bzw. Building Information Management oder auch Building Modeling und Information Management, wird der gesamte Planungsprozess digital modelliert. Alle Planungsabschnitte werden in einem Modell digital integriert ebenso wie die relevanten Bauwerksdaten. Das gesamte Bauprojekt ist durch ein virtuelles ­Modell visualisiert. Darüber hinaus werden für jedes Bauteil die Qualitäten, die Kosten und Terminplanungsinformationen erfasst. Planungskonflikte sollen so schneller ermittelt werden, Arbeitsprozesse der verschiedenen Projektbeteiligten vernetzt und die Bestandsdokumentation ab der Inbetriebnahme gewährleistet werden. Auch neue Visualisierungsmethoden wie Virtual Reality und KI können mit BIM kombiniert werden. Daten werden z. B. von Drohnen geliefert, die mit Kameras und speziellen Sensoren ausgerüstet sind, die dann wieder auf Basis anderer Daten verarbeitet werden. Weltweit sind diese Methode und ihre Vorläufer seit mehr als zehn Jahren im Einsatz. Auch in Deutschland wird diese Methode seit einigen Jahren diskutiert und (hierbei handelt es sich noch um Einzelfälle) eingesetzt. Schon heute ist aber absehbar, dass BIM einen massiven Stellenwert im deutschen „Bau“ erhalten, ja sich letztlich durchsetzen wird. Jeder Baubeteiligte ist daher gut beraten, sich auch dann mit BIM auseinanderzusetzen, wenn er sich bisher eher „klassischer“ Methoden bedient.

Wie wirkt sich BIM auf Architekten und Planerverträge aus?

Weder das seit dem 1.1.2018 reformierte Werkvertragsrecht im BGB noch die HOAI 2021 regeln BIM. Einen Standard für vertragliche Grundlagen hierzu gibt es noch nicht. Wird BIM eingesetzt, hat dies erhebliche Einwirkungen auf die vertraglichen Pflichten, die Haftung sowie auf die Honorierung der Leistungen. Bereits die technischen Fragen wollen sorgfältig geregelt werden. Die technische BIM-Plattform sollte zwischen allen Baubeteiligten einheitlich sein. Hierzu gibt es mit der DIN SPEC 91391 einen deutschen Standard für die Anforderungen an die Datenumgebung (u. a. einheitliche Kriterien für Leistungsbeschreibungen). Dieser gilt als Schnittstellenkonzept für den Datenaustausch zwischen verschiedenen Projektplattformen. Allerdings sind die Pflichten der Beteiligten noch ungeklärt, also ob sich beispielsweise die Projektbeteiligten die Informationen selbst aus der Plattform besorgen müssen, oder derjenige, der Informationen ändert oder hinzufügt, die Pflicht haben soll, die jeweils anderen Beteiligten zu informieren. Geregelt werden muss daher auch der Zeitpunkt, ab wann die Projektdaten für alle Projektbeteiligten verbindlich und Vertragsgrundlage sind oder sein sollen. Probleme können auch entstehen, wenn viele Projektbeteiligte an einem Gebäudemodell arbeiten und Verantwortungsbereiche sowie Schnittstellen nicht sauber definiert sind. Ganz simpel müssen auch technische Datenpannen (Verlust von Informationen, unbewusste/bewusste Zerstörung von Informationen, Verwendung veralteter bzw. überholter Informationen) vermieden oder ausgeschlossen werden. Bei komplexen Vorhaben wird daher häufig ein gesonderter BIM-Manager eingesetzt, der die gesamte Koordination übernimmt.

Bei der Nutzung von BIM im Planungsprozess kehren sich u. U. die gewohnten seriellen Planungsprozesse um. Muss nach dem traditionellen Planungssystem die Reihenfolge der Leistungsphasen grundsätzlich eingehalten werden – der Bundesgerichtshof sanktioniert insoweit das Vorpreschen des Planers mit den Leistungsphasen – sind nun bei der Erstellung des BIM-Modells bereits detaillierte Planungsleistungen aus z. B. der Ausführungsplanung notwendig, bevor überhaupt die Genehmigungsplanung abgeschlossen ist. Durch das möglichst genaue Gebäudemodell werden erst im Nachgang Probleme gefunden und – hoffentlich - gelöst. Hierdurch müssen aber die genauen Leistungspflichten, die in den einzelnen Planungsabschnitten erbracht werden sollen, gesondert und nach den BIM-Anforderungen bezüglich des Leistungsumfangs sowie der Honorierung geregelt werden. Allein die Bezugnahme auf die Leistungen der HOAI-Leistungsphasen führt hier nicht zur Klarheit. Gleiches gilt für Wiederholungs- und Änderungsleistungen. Generell wird der Mehraufwand, der durch die Verwendung von BIM entsteht, nicht ausreichend in der HOAI geregelt, sodass hierfür gesonderte Vereinbarungen getroffen werden müssen.

Ganz grundsätzlich können die Vertragsparteien natürlich auch an der bewährten Vorgehensweise – das serielle Abarbeiten der Leistungsphasen der HOAI – festhalten. Die BIM-Modelle können dementsprechend zunächst auch mit nur wenigen Informationen gefüllt und später konkretisiert werden. Da es aber noch keinen allgemeinen normierten Standard hierzu gibt, bedarf es auch hier dringend einer konkreten vertraglichen Ausgestaltung.

Fehlen detaillierte Leistungsbeschreibungen im Architekten/Ingenieurvertrag drohen erhebliche rechtliche Unsicherheiten bezüglich des von den Architekten/Ingenieuren geschuldeten Leistungsumfangs unter Einsatz von BIM. Was ist im Einzelnen jeweils Inhalt des Bausolls? Ohne Leistungsbeschreibung gilt der funktionale Mangelbegriff, nach dem die Beschaffenheit des Werkes anhand des Zwecks der Leistung bestimmt wird. So wird nachträglich festgestellt, welchen Zweck das BIM-Modell für den Auftraggeber erfüllen sollte. Hier drohen unabsehbare Risiken durch die damit verbundene Übernahme weitreichender Leistungspflichten.

Auch das Urheberrecht sollte in den Verträgen der Projektbeteiligten „neu gedacht“ werden. So müssen – sofern das Urheberrecht einschlägig ist – Regelungen für den Schutz des Urheberrechts für die Modelle getroffen sowie auch die Rechte für Änderungen an den Modellen durch andere Projektbeteiligte vereinbart werden. Gleiches gilt für den Datenschutz. Es werden bei BIM nicht immer nur sachbezogene Daten verarbeitet, sondern auch personenbezogene Daten, wie z. B. Kontakt-, Standort-, und/oder Qualifikationsdaten. Damit ist zumindest in Teilbereichen auch die DSGVO zu beachten.

Haftungsrechtliche Auswirkungen von BIM

Vieles ist bei BIM noch ungeregelt. So gibt es zu Haftungsthemen, die allein BIM betreffen, noch keinerlei verwertbare Rechtsprechung. In der Wissenschaft haben sich insbesondere zwei Lager herausgearbeitet.

Ein Lager – die wohl derzeit überwiegende Meinung – vertritt die Auffassung, dass alles bei den bekannten Haftungsregelungen verbleibt. Es sei eindeutig nachvollziehbar, wer welche Leistungen im Planungsprozess erbracht hat. Den Projektbeteiligten ist daher nach den geltenden Regelungen eine Haftung zuzuordnen. Bei komplexeren Sachverhalten – z. B. der Arbeit an einem Gesamtmodell - werden aber auch nach dieser Ansicht konkrete vertragliche Regelungen zur Verantwortung und Haftung notwendig, so dass jeder für seinen Fachbeitrag alleine hafte. Aufgrund der großen Datenmenge oder auch der Unterteilung der Beiträge am Modell und entsprechender Verlinkung bleibt im Ergebnis die Frage, wer haftet, wenn für das fehlerhafte Gesamtmodell eine eindeutige Haftung einem der vielen Projektbeteiligten nicht zurechenbar ist. Im Zweifel wird der Bauherr dann alle denkbaren Verursacher als Gesamtschuldner heranziehen. Das Haftungs- bzw. Prozessrisiko erhöht sich damit enorm.

Das andere Lager vertritt die Auffassung, dass aufgrund der mangelnden Zurechenbarkeit von Mängeln im Bauwerksmodell (Verschwimmen und Ineinandergreifen der Verantwortungsbereiche) ein hohes Haftungsrisiko besteht und dieses zu regeln sei. Es sei gerechtfertigt und geboten, das Haftungsrisiko wegen der für alle Beteiligten gewonnenen Vorteile auch auf alle Beteiligten aufzuteilen (Solidarhaftung).

Eine weitere Auffassung sieht gesteigerte Kontroll- und Überwachungspflichten bezüglich der Auswirkungen anderer Beiträge auf die eigenen Beiträge, da sich durch BIM die Kooperationspflichten erheblich gesteigert und die Kontrollmöglichkeiten bedeutend verbessert haben.

Im Ergebnis ist BIM ein Schritt in die richtige Richtung. Auch der Bau soll digitalisiert werden. Die Digitalisierung hilft, effizienter, ressourcenschonender sowie zeit- und kostengünstiger zu bauen. Aber mit der Digitalisierung werden die alten ausgetretenen Pfade verlassen. Neue Konzepte müssen etabliert werden. Das heißt auch, dass Verantwortungen neu vergeben und geregelt werden müssen. Dann – und nur dann - profitieren die Baubeteiligten davon.

Der Gesetzgeber hat sich dieser Aufgabe bisher entzogen. Ob die Rechtsprechung anhand von jeweils einzelnen Fallgestaltungen als geeignet angesehen werden kann, diese Grundsatzfragen einer nachhaltigen Lösung zuzuführen, darf bezweifelt werden.

Anm. der Autoren: Die Nutzung der männlichen Form in Fällen der Allgemeingültigkeit dient ausschließlich der Lesbarkeit juristischer Texte.

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