Auszeichnung
Deutsche Schule Madrid/ES

Der Neubau der Deutschen Schule im Norden Madrids ersetzt die bisherige, beengte Unterbringung in der Innenstadt. Mit ihrem besonderen Bildungsprogramm und abendlichen Theateraufführungen und Konzerten ist die Deutsche Schule Madrid ein wichtiger Ort des kulturellen Austauschs.

Die vielschichtigen Nutzungsbereiche der großen Schule sind in diesem Ensemble als klare Einheiten ablesbar. Die einzelnen Gebäude der drei Schulbereiche – Kindergarten, Grundschule und Gym­nasium – umschließen jeweils einen Innenhof, einen Patio, der die
konzentrierte Atmosphäre eines Kreuzgangs zeitgenössisch neu interpretiert und zugleich mit seiner Öffnung zur Landschaft die Weite der angrenzenden Sierra mit dem Blick auf die schneebedeckten Berge erlebbar macht.

Aus der Verbindung der Anforderungen des Raumprogramms mit der topographischen Situation des Grundstücks entwickeln die Bauten differenzierte Raumsituationen. Die Verschmelzung der einzelnen Gebäude gleicht einem am Ort organisch gewachsenen Gefüge von hoher bauplastischer Präsenz. Alle Gemeinschaftsbereiche – die Foyerhöfe, die Mensa, die Aula als Konzertsaal mit 750 Plätzen und die Sporthalle – rahmen den Vorplatz und verbinden die Schulgebäude miteinander.

Der Vorplatz bietet eine breite Anfahrtszone mit den notwendigen Stellplätzen und geschützten Foyerhöfen unter perforierten Dächern. Hier sammeln und verteilen sich die Schüler und Kindergartenkinder. Die skulpturale Kraft der polygonalen Himmelsöffnungen generiert ein anregendes Licht- und Schattenspiel, das je nach Tages- und Jahreszeit die Raumwirkung verändert und den Schülern wertvollen Schatten spendet.

Die helle Leitfarbe des Gebäudes reflektiert die Landschaft der
Sierra. Einzelne Zonen werden durch farbige Akzente betont. In den Treppenhäusern zum Beispiel filtern farbige Glasfelder das Tageslicht und erinnern unter anderem an leuchtende Blüten. Eine Schule ist mehr als ein System von Unterrichtseinheiten, sie ist ein wichtiger Teil des Lebensumfelds der Schüler und prägt ihr Verständnis der gebauten und natürlichen Umwelt wie auch des soziokulturellen Umfelds. Durch vielfältige visuelle und räumliche Bezüge und Begegnungsangebote im Gebäude werden die Gruppenidentifikation und die interkulturellen Begegnungen gestärkt, denn auch am neuen Standort gilt es, die Tradition der erfolgreichen Privatschule fortzuführen.

Schulgebäude sind zukunftsweisend und haben eine Schlüsselrolle in der Vermittlung von Baukultur und Nachhaltigkeit. Die Rückbesinnung auf traditionelle Einfachheit bei gleichzeitiger technischinnovativer Raffinesse prägt die Entwurfshaltung und Ausführung der Deutschen Schule Madrid. Durch die Wiederentdeckung traditioneller Prinzipien, wie beispielsweise der natürlichen Kühlung durch Nutzung eines unterirdischen Thermolabyrinths, wird ein langfristig nachhaltiger Gebäudebetrieb gesichert. Zur Abminderung des solaren Strahlungseintrags ist ein außenliegender, beweglicher Sonnenschutz in Form von horizontalen Metalllamellen eingesetzt, der dennoch einen sehr hohen Lichteintrag in die Räume erlaubt.

Die Aufständerung der Gebäude, überdachte Außenräume und Rücksprünge in der Fassade mindern die sommerliche Wärmelast und steigern in Verbindung mit großen Speichermassen die Aufenthaltsqualität. Ein angemessener Dämmstandard und eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung sorgen für niedrige Heiz- und Kühllasten und eine für die hohe Belegungsdichte einer Schule gute Luftqualität. So reagiert der Entwurf durch ein enges Zusammenspiel von Architektur- und Energiekonzept auf die besonderen klimatischen Bedingungen in Zentralspanien.

Beurteilung der Jury

In der neuen Deutschen Schule in Madrid bilden die verschiedenen Nutzungsbereiche (Kindergarten, Grundschule, Gymnasium, Mensa, Aula, Sporthalle) ein organisch gewachsen anmutendes Ensemble aus fließenden Innen- und Außenräumen, das vielfältige visuelle und räumliche Bezüge ermöglicht. Die das Ensemble umrahmende, skulpturale Betonstruktur mit polygonalen Öffnungen generiert interessante tages- und jahreszeitlich abhängige Licht- und Schatteneffekte, die die Raumwirkung prägen und bildet zudem verschattete Außenräume für die Schüler an heißen Sommertagen. Der Gebäudeentwurf reagiert auf die besonderen klimatischen Bedingungen am Standort mit einem integrierten Fassaden-, Gebäudekonstruktion-, Gebäudetechnik- und Energiekonzept. Großflächige Thermolabyrinthsysteme (Erdkanäle zur Vorkonditionierung der Außenluft) im Zusammenspiel mit der Aktivierung der thermischen Speichermasse der freigelegten Betondecken in den Räumen durch nächtliche Lüftung und dem partiellen Einsatz von adiabatischer Kühlung ersetzen großteils eine konventionelle mechanische Kälteerzeugung. Vorbildlich für diesen Gebäudetypus sind auch die Ansätze des adaptiven Komforts sowie der bedarfsgerechten Lüftung. Ein mit Gas betriebenes BHKW (Blockheizkraftwerk) mit Nutzung der Abwärme im Sommer für den Betrieb einer Absorptionskältemaschine rundet das Energiekonzept ab. Der Ansatz eines konstruktiven Sonnenschutzes mittels Betonstruktur vor der Fassade ist weniger überzeugend. Hier scheint das Verhältnis Aufwand (graue Energie) und Nutzen (Sonnenschutz) nicht ausgewogen zu sein. Mit dem Neubau einer Schule ist stets das Potential der Vorbildwirkung verbunden, da das bauliche Umfeld der Schüler und damit ihr Verständnis der gebauten Umwelt, ihre Möglichkeiten und Folgen, dadurch zu einem beträchtlichen Grad geprägt werden können. Durch einen integralen Planungsprozess ist dies dem Planungsteam der neuen deutschen Schule in Madrid vorbildlich gelungen.

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