Aussichten im Teufelsmoor
www.johannes-schneider.net

In der Nähe des Künstlerdorfes Worpswede unweit von Bremen fließt die Hamme durch das Teufelsmoor. Ihre Niederung ist Teil eines der wertvollsten Feuchtgebiete Norddeutschlands: Grund genug für den Landkreis Osterholz, im Rahmen eines europäischen Naturschutzgroßprojektes umfangreiche Maßnahmen wie Renaturierung und das Anlegen neuer Pfade anzugehen, um Besuchern diese einzigartige Landschaft näher zu bringen. Im Zuge dieser Maßnahmen gestalteten der Bremer Architekt Johannes Schneider und Orhan Cilingir mehrere kleine Architekturen, die den Besuchern ungewohnte Perspektiven in die weite Niederungslandschaft eröffnen.Ihr Ziel war es, diese Objekte formal und konstruktiv so in die Landschaft einzufügen, dass man sie erst im letzten Augenblick entdeckt und dass sie dennoch auch als Landmarken wirken. Dafür sind Architekt und Bauherr, die Naturschutzbehörde des Landkreises Osterholz, gerade vom Bund Deutscher Architekten (BDA) ausgezeichnet worden. Neben einer Fußgängerbrücke über die Hamme sind es vor allem zwei Aussichtstürme und ein Beobachtungsstand, die einen Abstecher in den Norden lohnen, um sie bei einer Wanderung oder Fahrradtour durch das Teufelsmoor zu entdecken.

Der kleine Beobachtungsstand steht als Pfahl­bau in den Postwiesen und ist über einen Holzsteg zu erreichen. Vom Steg aus kann man durch die unteren Öffnungen erkennen, ob sich bereits Personen in der Box befinden. Geschickt sind die Wände im Inneren so gegeneinander versetzt, dass kein Durchblick sondern nur Ausblicke möglich sind. Dadurch wirken die Öffnungen von außen dunkel auf die Tiere, und sie bemerken ihre Beobachter nicht. Innen ist an kleine und große, an junge und alte Besucher gedacht: Es gibt Podeste für unterschiedliche Stehhöhen und Sitzbänke zum Verweilen. Auch bietet die Blickbox Schutz vor Regen. Bei Über­schwemmungen wird sie zu einem kleinen Eiland im Naturschutzgebiet, von dem sich besonders gut Schwäne, Graugänse und andere nordische Rastvögel beobachten lassen.


Himmelstreppe

Die Himmelstreppe in Neuenfelde führt parallel zu einem Waldstreifen über 50 Eichenstufen bis in 10 Meter Höhe. Von dort hat man eine fantastische Aussicht über die Moorwiesen bis nach Worpswede. Fünf je 15 m lange Stahlrohrpfähle dienen als Gründung für den skulpturalen Treppenturm, der in seinem obersten Drittel eine überdachte Aussichtsplattform mit einer Bank zum Verweilen bietet. Die tragende Konstruktion besteht aus einem verzinkten Stahlgerüst, das fast vollständig mit Lärchenholz-Latten verkleidet ist. Formal haben die Architekten die einzelnen Bauteile „Treppe“ und „Aussichtskorb“ durch Fugen mit Gitterrosten voneinander abgesetzt. Wenn die Hölzer mit der Zeit auf natürliche Weise altern und vergrauen, wird der Ausguck noch mehr in der Natur aufgehen.


Weidenkorb

Zwei Meter höher als die Himmelstreppe ist der runde Aussichtsturm im Ortsteil Linteler Weiden. Seine Konstruktion aus gekreuzten Lärchenholzstäben soll Assoziationen an das im Moor traditionelle Korbgeflecht wecken. Eine stählerne Spindeltreppe führt auf die Aussichtsplattform im Inneren des Holzgeflechts. Die 12 cm dicken Holzstäbe und die Spindel aus Stahlrohr bilden zusammen das Tragwerk für den Aussichtsturm. Von hier aus führt der Blick in die Hammeniederung und auf die verschiedenen Schleifen des Flusses.

„Obwohl jedes der Objekte die Eigenart seines Ortes individuell stärkt, gehören alle zusammen und bilden eine definierte Gruppe“, urteilte die BDA-Jury. „Alle drei Objekte sind überlegt positionierte Kunstobjekte aber auch Einladung zum Entdecken und Erleben.“ Auf geht’s. Es lohnt sich.

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