Ausgezeichnete
Holzkonstruktion
Sporthalle in SaintMartin-en-Haut/FR

„Bauten entstehen aus ihrem Umfeld“, betont Christian Charignon, Gründer des Architekturbüros Tekhnê. Der Beweis dafür ist die neue Sporthalle in Saint-Martin-en-Haut in der Nähe von Lyon. „Wichtigstes Ziel war es, einen guten Standort für den neuen Sportkomplex in dem kleinen Ort in den Lyoneser Bergen zu finden“, erklären die Architekten. „Dabei schrieb das Wettbewerbsprogramm sogar vor, den Gebäudekomplex auf der Hügelkuppe zu planen.“

Das für den kleinen Ort recht große Bauvolumen von 45 m Länge, 25 m Breite und 10 m Höhe integrierten die Planer in das Gelände, indem sie den natürlichen Geländeversprung nutzten. Von oben betrachtet, verschwindet der Baukörper mit dem begrünten Dach im Hügel. Von unten gesehen, gibt es nur eine große Fassade aus Holz und Glas, die sich zum Schulhof des neuen Schulgebäudes nebenan
öffnet. Innen erscheint die neue Sporthalle genauso klar und einfach wie ihre
Position auf dem Grundstück. Dort prägt vor allem das beeindruckende Dachtragwerk aus Holz den Raum.


Optimaler Materialeinsatz

Damit die Halle nicht weiter aus dem Hang herausragt, musste ihre Dachkonstruktion, die immerhin 30 m überspannt, eine möglichst geringe Aufbauhöhe
bekommen. Entstanden ist ein Raumfachwerk mit 11 Fachwerkträgern aus Holz,
die das Gründach tragen. Während das Holztragwerk auf der Nordseite zum Hang hin auf einer Betonwand aufliegt, tragen an der Südseite 11 Furnierschichtholzstützen (Kerto) die elegante Dachkonstruktion. Den Architekten ist es gelungen, eine besonders schlank anmutende Holzkonstruktion zu errichten, die man nor­maler­weise eher mit dem Baustoff Stahl erreicht. Möglich wird das durch den Einsatz von Furnierschichtholz. Dabei werden verschiedenen Holzschichten zusammengeleimt und zunächst als große Platten produziert, die anschließend in Streifen aufgetrennt und dann als Balken oder Stütze in verschiedensten Konstruktionen für hochbeanspruchte Bauteile eingesetzt werden. Bei der Sporthalle in Saint-Martin-en-Haut ähneln die Längsträger einem Fischbauchträger. Sie sind in Quer­-richtung mit diagonalen, sich kreuzenden Querstreben aus Massivholz ausgesteift. Ober- und Untergurt der Längsträger sind aus Furnierschichtholz. Manch einen mögen die gebogenen Untergurte an Schiffsspanten erinnern. Die Träger wurden in zwei Teilen vorgefertigt und auf der Baustelle zusammengefügt, deut­­-lich zu erkennen an den Verbindungsplatten aus Stahl. Um die Kräfte angemessen in die tragenden Wände bzw. Stützen abzuleiten, sind an den Trägerenden senkrechte Furnierschichtholzplatten zwischen Ober- und Untergurt eingesetzt. Dabei übertragen – für Holzverbindungen typische – Nagelplattenverbindungen die Kräfte. Die gesamte Dachkonstruktion wirkt sehr filigran besonders tagsüber, wenn das natürliche Licht ein faszinierendes Licht- und Schattenspiel an der Hallendecke entfacht.

Um Wasserschäden wie durchsickerndes Wasser zu vermeiden, ist die Halle
gegen den Hang durch eine schräge Stützwand aus Beton gesichert, die mit Zugankern im Hang befestigt ist. Hier hat man einen Gang zwischen der Stützwand und der Hallenwand gelassen, der zugleich als Lüftungskanal und Wärmepuffer dient. Die Erdwärme aus dem Hügel bringt eine konstante Lufttemperatur von 12-14 °C. Diese Temperaturen sind wesentlich höher als die durchschnittlichen Wintertemperaturen von Saint-Martin-en Haut, das immerhin auf einer Höhe von 750 m über NN liegt.

Fassaden und Funktionen

Während drei Hallenseiten fast ganz im Hang verschwinden bekommt die Südfassade eine besondere Bedeutung. Zunächst dient sie dazu, dass ausreichend Tageslicht ins Innere gelangt. Sie ist als Pfosten-Riegelfassade in Holz konstruiert. Dabei haben die querverlaufenden Riegel
einen größeren Querschnitt (200 mm x 76 mm) als die längs stehenden Pfosten (130 mm x 56 mm) in den Bereichen, wo der außenliegende Sonnenschutz angebracht ist. Weil sich die Südfront schneller aufheizt, stellten die Architekten die Zuschauertribünen – sozusagen als Puffer – mit einer darunterliegenden Nebenraumzone im Erdgeschoss wie eine „Box in der Box“ ein. Unter den Tribünen, die 100 Zuschauer fassen können und in Beton ausgeführt sind, befinden sich die Umkleiden, Duschen und WC-Anlagen. Diese Einbauten verhindern, dass direktes Sonnenlicht die Sportler blenden kann. Oberhalb der Tribünen entwarfen die Planer einen fest stehenden Sonnen­­schutz mit waagerechten Holzlamellen, die spielerisch vor der hohen Glasfassade verteilt sind. (Die Komposition erinnert ein wenig an die Fassadenstruktur, die Le Corbusier zusammen mit dem Komponisten Iannis Xenakis beim Kloster Sainte-Marie-de-La-Tourette gestaltete. Das Kloster liegt übrigens nur 30 km nördlich der Sporthalle in Eveux bei L’ Arbresle.)

In Saint-Martin-en-Haut bietet ein langgestrecktes Vordach aus Holz am Schulhof Schutz vor Regen und Sonne. Es betont noch einmal den Halleneingang, indem es sich nach oben wellt. Dahinter schließt sich im Bereich der Umkleiden eine geschlossene Holzlamellenfassade aus senkrechten Lamellen an. Am oberen Fassadenabschluss im Süden kragt die Dachkonstruktion der Halle aus, indem die Hauptträger durch die Glasfassade laufen. Hier schützt das Dach vor allem vor der steil einfallenden Sommersonne. Der Vorteil von Holzkonstruktionen im Gegenteil zu Stahlkonstruktionen ist, dass Holzträger durch die Fassade geführt werden können, ohne Kältebrücken zu erzeugen. (Bei Stahl bildet sich Schwitzwasser, bei Holz nicht.)

An der gegenüberliegenden Nordseite fällt Licht durch ein 1,60 m hohes Fensterband in die Sporthalle. Je nach Bedarf, z. B. bei Sportarten wie Tischtennis, die einen besonderen Blendschutz verlangen, können die Fenster von innen mit textilen Rollos abgeschirmt werden. Diese Rollos haben die Architekten ganz diskret an den Fassadenriegeln anbringen lassen. Im Norden sind auch die Lager­räume für Sportgeräte im Hang integriert.

An der Westseite führt eine öffentliche Treppe neben dem Haupteingang außen an der Sporthalle auf den Hang und öffnet den Blick auf die fünfte Fassade – auf das begrünte Hallendach. Neben dem Treppenaufgang bietet ein kleiner Technikbereich Platz für den Holzpelletofen und das dazugehörige Pelletlager.

Der optimale Materialeinsatz vor allem beim Holz, die gelungene Ausführung und das Energiekonzept (Webcode: DBZ 343B32) sind belohnt worden: Das Team von Tekhnê Architectes erhielt am 12. Oktober 2012 für diese Sporthalle den ersten Preis beim Nationalen Holzpreis (Prix National de la Construction Bois) in der Kategorie Öffentliche Bauten“. Susanne Kreykenbohm



Energiekonzept

Einfachheit war das Motto beim Energiekonzept für das Gebäude. Zuerst ist der kompakte, gut isolierte, klare Baukörper in den Hang integriert und mit einem Gründach versehen, auf dem das Regenwasser zum großen Teil versickern kann. Dann trägt die große Glasfront im Süden zur passiven Nutzung der solaren Wärme bei. An der Nordseite dienen die Lagerräume für Sportgeräte und der Betongang als Wärmespeicher und -puffer – auch für Erdwärme aus dem Hang. Im Sommer kann die Halle gut quer gelüftet werden. Wenn im Winter weiterer Heizbedarf besteht, kann die Niedrigtemperatur-Fußbodenheizung im Hallenboden über den Holzpelletofen erwärmt werden. Zusätzlich zur bereits erwähnten ausgiebigen Tageslichtnutzung setzen die Architekten Industrie-Langfeldleuchten ein, die linear von der Hallendecke hängen und den Bedürfnissen der verschiedenen Nutzungen angepasst werden können: vom Sportunterricht über Wettkämpfe bis zu anderen (Schul-)veranstaltungen. Die Wahl des Materials Holz als Hauptkonstruktionselement hat nicht nur energetische Vorteile, wie die Möglichkeit der Durchführung von Trägern von innen nach außen durch die Fassade, sondern sie bringt auch akustische Vorteile. Innen sind die Hallenwände mit horizontalen Holzlamellen verkleidet, die bis in einer Höhe von 3 m ganz dicht zusammengesetzt sind und deren Abstände darüber nach und nach größer werden. Eine Schall schluckende Filzauflage hinter den Lamellen dient zusätzlich zur Optimierung der Raumakustik.

 

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