Die Decarbonisierung des Gebäudesektors
Mit seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern hat Thomas Auer ein Szenariomodell für die Zukunft des Bauens entwickelt.
Einführung
Die gebaute Umwelt bestimmt das tägliche Leben der Menschen. Der Klimawandel, die zunehmende Ressourcenknappheit und die stetig wachsenden Städte stellen uns vor die Herausforderung, eine komfortable und gesunde Aufenthaltsqualität im Innen- wie im Außenraum nachhaltig zu gewährleis-ten. Doch wie sieht die Vision aus? Wie setzen wir diese um? Und wo stehen wir heute? Bisher haben alle Länder der europäischen Union Energieeinsparverordnungen erlassen, um die Carbon Roadmap-Ziele zu erreichen. Wissenschaftliche Studien zeigen allerdings, dass die gemessenen Energieverbräuche teilweise um das 2- bis 3-fache größer sind als die vorhergesagten Verbräuche [1] [2].
Diese Differenz wird als Performance Gap bezeichnet. Der Unterschied resultiert aus der Differenz zwischen Planung und Realität – wie das Thema des Nutzerverhaltens zeigt: Die Diskrepanz zwischen den angenommenen und den realen Präferenzen der Nutzer hat einen großen Anteil am Performance Gap [3].
Die Forschung zeigt, Nutzer sind häufig unzufrieden mit einer vordefinierten Innenraumtemperatur [2]. Eine statische und monotone Aufenthaltsqualität, die nur mit großen technischen Aufwand und hohem Energieverbrauch herstellbar ist, wird häufig als unangenehm wahrgenommen, während eine größere Temperaturschwankung, verbunden mit einer natürlichen Lüftung, gewünscht ist und die Zufriedenheit sowie die Nutzerakzeptanz erhöht [4].
Heute
Gleichzeitig nimmt die Komplexität im Bauwesen ständig zu, was die Baukos-ten steigen lässt. Veröffentlichungen zeigen, dass die angestrebte Energieeffizienz im Betrieb – wenn überhaupt – erst nach einer Einregulierungsphase erzielt wird [5]. Da ein solches Monitoring für die allermeisten Gebäude nicht durchgeführt wird, liegt der Schluss nahe, dass eine Vielzahl von neuen Gebäuden deutlich mehr Energie verbraucht als erforderlich.
Verstärkt durch Klimaerwärmung entstehen im städtischen öffentlichen Raum zunehmend bedenkliche Kondi-tionen für das Wohlbefinden und die Gesundheit der Menschen. Extreme
klimatische Bedingungen verschärfen sich in urbanen Räumen in Abhängigkeit von der Stadtmorphologie und verlangen nach einer neuen Betrachtung der Städteplanung zur Anpassung und Milderung dieser Phänomene.
Diese Themen spiegeln das „HEUTE“, von dem aus wir anhand des Szenariomodells (Schema) in die Zukunft des Bauens blicken.
Schlussfolgerung
In der Zukunft des Bauens gibt es kein Schwarz-Weiß. Ein blinder Glaube an technische Innovationen wird – das zeigt die Erfahrung der letzten Jahrzehnte – das Problem nicht lösen. Jeder, der meint, mit einem Satz die Lösung aufzeigen zu können, ist ein Populist! Letztlich gibt es immer mehrere Pfade, die zu einem Ziel führen. Für eine Decarbonisierung des Gebäudesektors werden wir mehr oder weniger alle Pfade benötigen, da auf unterschiedlichen Skalierungsgraden eine Transformation erforderlich ist. In der Zukunft des Bauens braucht es also ein Wegenetz mit Ebenen und Schnittstellen. Manche Wege werden in Sackgassen führen, aber manche werden kombiniert zu einer Transformation führen.
Literatur
[1] Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (2017). e% – Energieeffizienter Wohnungsbau. Abschlussbericht. Technische Universität München. Hochschule Augsburg. Hochschule Coburg.
[2] Schneider B., (2015). Nutzerverhalten bei Sanierungen berücksichtigen. Bine-Projektinfo 02/2015. E.ON Energy Research Center der RWTH Aachen University.
[3] Delzendeh E., et al. (2017). The impact of occupants’ behaviours on building energy analysis: A research review. Renewable and Sustainable Energy Reviews Volume 80. 1061-1071.
[4] Rupp F. R., et al. (2015). A review of human thermal comfort in the built environment. Energy and Buildings 105. 178–205.
[5] Jazizadeh F., et al. (2013). Personalized Thermal Comfort Driven Control in HVAC Operated Office Buildings. Computing in Civil Engineering – Proceedings of the 2013 ASCE International Workshop on Computing in Civil Engineering. 218-225.