Atelier Bow-Wow mit Brücke in München

Eigentlich ist es gar keine Brücke. Und die Konstruktion, die seit August 2020 mitten in München am Ufer der Isar steht, soll auch gar keine sein. Jedenfalls keine, die uns FußgängerInnen über das auch mal schnell fließende Wasser in ziemlicher Höhe führt. Gegenüber der Schwindinsel, dem flussabwärtsgewandten Zipfel der Prater­insel, baut sich das Brückenkonstrukt an der Widenmayerstraße über eine Sockelkonstruktion auf: Eine Rampe von der einen Seiten, eine Treppe von der anderen treffen sich zu einem Steg, der in ein Holzrahmenwerk hineinführt und in einer Sackgasse endet: „Nicht überschreiten!“ steht auf einem Blechschild auf Fußbodenniveau, das rote Geländer sperrt zusätzlich den Weg. Hier, noch immer im Holzbrückenraum stehend, kann man so gerade über dem Wasser schweben, das Inselufer gegenüber ist kaum nähergekommen.

„Bridge Sprout“, Brückenspross heißt die „künstlerische Position von internationalem Rang“, die im Rahmen eines Ausschreibungsformats zu einer Arbeit im öffentlichen Raum vom Atelier Bow-Wow realisiert wurde. Das sinnigerweise „Carte Blanche“ genannte Kulturformat war für ein zu realisierendes Projekt mit 250 000 € ausgestattet worden. Ob die Summe komplett in die Brücke geflossen ist, die keine sein soll?

Man könnte meckern. Über das zu wenig Auskragende. Über die sehr stämmige Konstruktion – sie soll an die Holzbauern und Flößer erinnern, die an dieser Insel vor langer Zeit ihre Arbeit machten. Darüber, dass das Widerlager nicht mehr zu sein scheint als ein paar liegende Stämme, auf denen eine Plattform befestigt ist (im ersten Entwurf waren zwei Brückenteile zu sehen). Vor allem aber über die für ein auch Architekturbüro seinendes Entwurfsteam so uninspirierte Form dieses Brückenstummels. „Do not cross!“ steht da am Boden, ein paar Meter vor dem Brückenbodenabriss, und genau das scheint hier gelungen: Der Fluss wurde nicht überschritten und ebenfalls nicht die Bilder von vorstellbarem Überschreiten des Banalen. Bis Ende 2021 steht die Skulptur, dann werden die Stämme gelöst und die Isar ­hinabgeflößt; jedenfalls dann, wenn man die ­Arbeit konsequent zuende gedacht hat.

Atelier Bow-Wow erarbeitete das Konzept für „Bridge Sprout“ in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat/Team Kunst im öffentlichen Raum und dem Münchner Architekten Hannes Rössler sowie Holzbau Schmid, Trostberg. Be. K.

www.muenchen.de, www.bow-wow.jp
x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 04/2013

Bow-Wow? Wow!

Primer, eigentlich das erste Stückchen einer Molekülreihe, meint hier den roten Faden, der uns durch die vielschichtigen Arbeiten des Atelier Bow-Wow leitet. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die...

mehr

Klischees der Architektur

Aachener Montagabendgespräche im WS 2010/2011

Das Lehr- und Forschungsgebiet Architekturtheorie (Prof. Axel Sowa) der RWTH Aachen veranstaltet in diesem Wintersemester sechs Montagabendgespräche zum Thema Klischees der Architektur. Es sprechen...

mehr

Guggenheim probierts mobil

Neues Ausstellungskonzept involviert große Architektennamen ... ohne jedoch große Architektur auf Dauer herzustellen

Die „Guggenheimer“, wie man die weltweit agierende Guggenheim Foundation, Sitz in New York City, necken möchte, sind schon wieder unterwegs, die Welt mit ihrer Kunst zu beehren, zu konfrontieren,...

mehr
Ausgabe 08/2016

Integral gedacht Brücke Graf-Adolf- Straße, Lünen

Voraussetzungen / Städtebau Die westfälische Stadt Lünen ist dem einen oder anderen wegen der Scharoun-Schule bekannt (Scharouns zweiter Schulbau mit dem im naheliegenden Marl) oder dem...

mehr
Ausgabe 04/2022 Schwungvoll über den Fluss

Seine-Brücke zwischen Mantes-la-Jolie und Limay/FR

Ein dynamisch geschwungenes Band zeichnet einen neuen Weg in die Seine-Landschaft zwischen Mantes-la-Jolie und Limay, wo bereits eine alte Römerstraße in Richtung Lutetia verlief, dem heutigen...

mehr