Architektonische Qualität für mehr Ak­zeptanz und Nachhaltigkeit im Modulbau

Modulbau kann eine gute Möglichkeit sein, Bauabläufe planbarer, schneller und qualitätsvoller zu machen. Letztlich überzeugen wird ein Gebäude aber vor allem durch eine hohe Gestaltungsqualität. Hierzu sprachen wir mit Jürgen Bartenschlag und Sibylle Bornefeld, PartnerInnen im Büro sauerbruch hutton in Berlin.

Frau Bornefeld, was gibt für Sie den Ausschlag, mit Modulen zu planen?

SB: Der große Vorteil der Modulbauweise liegt im Seriellen, vor allem bei Großaufträgen und Raumeinheiten mit hohem Wiederholungsfaktor, etwa bei Hotels oder Schulen. Außerdem bedingt die Vorfertigung eine hohe Präzision in der Fertigung sowie angenehme Arbeitsbedingungen für die Ausführenden. Und eine kurze Bauzeit bei meist sehr kurzen Mängellisten. Das ist zumindest unsere Erfahrung aus dem Projekt Woodie mit 371 Microapartments in Holz-Modulbauweise für Studierende in Hamburg.

Hat sich für Sie durch den Modulbau der Planungsprozess verändert?

SB: Für die Planung ist der Modulbau herausfordernd, weil man sehr schnell sehr viel mehr über das Projekt wissen muss. Dadurch schieben sich die Leistungsphasen ineinander.

JB: Man muss sich das eben sehr gut überlegen, passt die Idee und die Nutzung zu dem, was man eigentlich vorhat und ist es dann sinnvoll, Modulbau anzuwenden? Beim Bundestagsgebäude Luise gab es klare und anspruchsvolle Vorgaben zu Bauweise und -zeit. In nur 19 Monaten sollte ein Gebäude entstehen, das mit den bestehenden Abgeordnetenhäusern qualitativ vergleichbar ist. Das haben wir nur gestemmt, indem wir alle Planungsschritte verschränkt haben. Wir haben in der LP 2 schon die Planung für ein Mustermodul begonnen und es, nach Erteilung der Baugenehmigung, sofort besichtigt und freigegeben. Das lief alles parallel. Man kommt also weg davon, alles in klassische Leistungsphasen zu trennen. Stattdessen setzt man innerhalb des Teams verschiedene Schwerpunkte und bearbeitet viele Planungsschritte parallel.

Und woher kam bei diesen beiden Projekten die Entscheidung für die modulare Bauweise? Von Ihnen oder den BauherrInnen?

SB: Bei Luise war es ganz klar die Vorgabe des Bauherrn. Bei Woodie stand hingegen eine Analyse am Anfang.

JB: Hier war der Wiederholungsfaktor innerhalb des Raumprogramms, vor allem jedoch die Bauzeit der ausschlaggebende Faktor, die auf elf Monate terminiert war. Bei dem Projekt sind nur der Sockel und die Kerne in Stahlbeton ausgeführt. Wenn wir alles in Stahlbeton gebaut hätten, dann hätten wir ca. zwei Jahre benötigt. Ein rein serieller Holzbau oder andere Bauweisen mit vorgefertigten Wänden und Decken läge zeitlich wahrscheinlich in der Größenordnung von 16 Monaten. Das zeigt: Wenn man sehr, sehr schnell sein will, dann ist der Raummodulbau äußerst sinnvoll.

Wer sehr, sehr schnell sein will, muss aber auch die Abläufe im Blick behalten. Wie plant man die?

SB: Mit der Entscheidung für das Material fängt es bereits an: Es ist ratsam, einen Hersteller so schnell wie möglich ins Projekt zu holen. Idealerweise noch vor der Genehmigungsplanung. Denn dann kann man die Bauteilaufbauten gemeinsam planen und weiß so sehr genau, worauf man achten muss. Wenn ich dagegen erst die LP 5 durchlaufe und dann die Details plane, ausschreibe und vergebe, führt das mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Planungsschleifen, weil der Anbieter die Planung noch einmal auf sein System umkonfektionieren muss. Das gilt für den Modul- wie auch den Systembau. Beim Modulbau ist das aber noch entscheidender. Man muss von Beginn an in Raummodulen denken. Diese Erfahrung haben wir beim Projekt Woodie gemacht, bei dem wir in der LP 3 parallel konventionell, in Holzsystembauweise und in Modulbauweise geplant haben – was tatsächlich zu anderen Grundrissen führte.

Welche Rolle spielt das Material im Modulbau?

SB: Unserer Meinung nach ist man beim Holz-, vielleicht auch im Stahlbau, sehr viel flexibler als zum Beispiel beim Modulbau in Leichtbetonbauweise. Die Holzmodule lassen sich in Größe und Struktur recht einfach auf spezifische Raumprogramme hin anpassen. Die Module bei Woodie sind zum Beispiel ganz anders konzeptioniert als die bei Luise.

Weshalb?

SB: Bei Woodie sind die Modullängswände tragend ausgebildet. Diese bilden gleichzeitig den Raumabschluss der kleinteiligen Nutzungseinheiten. Das ist bei Luise, einem Büro- und Verwaltungsgebäude, genau andersherum. Da sind Fassade und Flurwand tragend, sodass die Büromodule untereinander flexibel zusammenschaltbar sind.

Trotz Vorfertigung und schneller Bauzeit bleibt die Bearbeitung auf der Baustelle auch Modulbauern nicht erspart. Wie sind hier Ihre Erfahrungen?

SB: Hier lag der Unterschied zwischen Woodie und Luise vor allem im Komplexitätsgrad. Der ist bei Luise deutlich höher, allein deshalb, weil wir diese Zusammenschaltbarkeit zwischen den Modulen haben. Teilweise sind es nur Verbindungstüren, aber teilweise sind es eben auch komplett offengelassene Wände. Und das heißt, man hat immer noch das Nacharbeiten auf der Baustelle. Dazu kommt ein viel komplexeres haustechnisches Konzept als beim Wohnungsbau. Insofern wurde auch ein Großteil der TGA modular gedacht und vorgefertigt. Alle zuleitenden Stränge sind auf das Modulraster portioniert und werden in Bündeln vorgefertigt. Das beeinflusste auch den Bauprozess. Denn die TGA-Module müssen genauso schnell bereitstehen und mitgestapelt werden wie die Module selbst.

Liefern Drittanbieter diese TGA-Racks oder fertigen die Modulbauhersteller sie selbst?

JB: Die Modulbauhersteller fertigen sie zwar nicht selbst, aber sie übernehmen die Verantwortung dafür. Aber das ist ja auch bei anderen Bauteilen so. Die Vertragssicherheit für den Auftraggeber ist dadurch gewährleistet, dass das Ganze als Paket und mit durchgehender Haftung vergeben wird.

Wie lief die Kooperation mit den Modulherstellern insgesamt? Fühlten Sie sich als ArchitektInnen in dieser engen Kooperation nicht eigeschränkt?

JB: Die führenden Hersteller arbeiten ja auf hohem Niveau und mit vielen bekannten Architekten zusammen. Das heißt, die kennen unser Bedürfnis nach planerischer Flexibilität und haben eine hohe Toleranz. Außerdem profitieren sie davon, wenn ein Gebäude von hoher Qualität entsteht, das sie für ihre eigene PR nutzen können. Gerade der Termindruck führt jedoch auch zu Konflikten, die man dann austragen und lösen muss. Das ist nicht immer einfach, aber es ist auf jeden Fall der Teamgedanke, der dort überwiegt. Denn wir sind keine Konkurrenten, sondern arbeiten Hand in Hand.

Gerade das Serielle, das Schnelle, gehört ja unverwechselbar zum Modulbau. Soll man das auch an der Fassade ­ablesen können?

SB: Wir stellen an den Modulbau genau den gleichen ästhetischen Anspruch wie an jedes andere Gebäude. Deshalb ist es uns wichtig, dass an der Fassade nicht ablesbar ist, dass dahinter gestapelte Boxen stehen. Schon wegen des ständigen Vergleichs mit Plattenbauten. Bei Woodie haben wir die Fassade zum Beispiel in ein kleinteiliges Gewebe aufgelöst. So lässt sich an der Fassade nicht ablesen, wie viele Raumzellen sich dahinter befinden. Und auch bei Luise haben wir die Modulgrenze überspielt, sodass das gesamte Gebäude als ein Solitär in Erscheinung tritt.

Im Gebäudeinnern sind wir sehr materialehrlich vogegangen. Wir zeigen, an welcher Stelle im Gebäude sich welche Konstruktionsart befindet. Da wo Holz ist, sieht man Holz, da wo der Stahlbeton den Kern bildet, ist er auch exponiert.

Das dient auch der Rückbaubarkeit von solchen Gebäuden. Wie wichtig ist das Thema für Sie?

SB: Mit der Zirkularität beschäftigen wir uns viel und versuchen, zum Beispiel Composit-Konstruktionen zu vermeiden. Die Module kann man auseinandernehmen und in anderer Konfigura­tion wieder aufstapeln. Und in den Bauteilaufbauten haben wir auch wenig Vergussschichten drin. Statt den Estrich zu gießen, arbeiten wir etwa mit Trockenestrich und Schüttung. Holz ist per se ein zyklischer, da nachwachsender Baustoff, Stahl recyclebar.

Auch bei der Fassade achten wir auf einen hohen Recyclinganteil. Ein Gebäude ist vor allen Dingen dann nachhaltig, wenn es lange steht und die Leute sich damit identifizieren. Insofern ist auch die hohe architektonische Qualität nachhaltig an unseren Gebäuden.

JB: Für mich ist auch das Thema der Nachnutzbarkeit interessant. In Hamburg ging es zum Beispiel darum, wie eine Nachnutzung der Einzimmerapartments aussehen könnte, die einen anderen Wohnungstyp nach sich zieht: Man kann die einzelnen Module verbinden und so aus diesen Einzimmer-Apartments auch Drei- oder Vierzimmer-Apartments machen. Vorstellbar ist umgekehrt, dass man auch das Bundestagsgebäude Luise später anders nutzt, zum Beispiel für studentisches Wohnen.

Wo liegen Ihrer Meinung nach die künftigen Potentiale im Modulbau?

JB: Das Thema Vorfertigung – und das hat ja jetzt verschiedene Aspekte, Modulbau ist eine spezifische – ist ein Thema der Zeit, weil es die Emissionen in der Stadt reduziert.  Überall sind Baustellen, und die sollen natürlich möglichst lärm-, emissionsfrei sein und schnell fertig werden.

SB: Und für die Bauherren wird das Thema immer attraktiver, weil die Bauweise schneller und mängelärmer ist.

Das Gespräch führten Katja Reich und Jan Ahrenberg am 10.09.21 im Büro sauerbruch hutton in Berlin

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