Vom Versicherungsbüro zum Hotel

25hours Hotel The Circle, Köln

Wo einst die Verwaltung des Versicherungskonzern Gerling ihren Platz hatte, übernachten heute Gäste in 207 Zimmer eines urbanen 4-Sterne Luxushotels der Kette 25hours. Der Name ‚The Circle‘ steht symbolisch für den prägnanten Rundbau im Süden des ehemaligen Gerling-Quartiers, das nun aus seinem Dornröschenschlaf erwacht ist und sich von einem hermetisch abgeriegelten Firmengelände in ein Hotel mit offenen Türen sowohl für Gäste als auch für Kölns Bewohnerschaft verwandelt hat.

Das Büro Ortner & Ortner Baukunst, Köln plante gemeinsam mit dem Bauherren Immofinanz-Friesenquartier GmbH und dem Berliner Innenarchitekturbüro studio aisslinger ein weiteres Prestigeobjekt der markanten Hotelkette, die sich auf individuelle und ortsspezifische Umnutzung von bestehenden Immobilien spezialisiert hat. Im April 2015 wurden im Zuge der Neugestaltung des Gerling-Quartiers die Südspange inklusive des Rundbaus als Teile eines der größten Baudenkmäler der frühen Nachkriegsgeschichte Deutschlands instandgesetzt, verdichtet und weitergebaut.

Das Hotel erfreut sich seit seiner Eröffnung im Sommer 2018 großer Beliebtheit.

Repräsentative Architektur

Kölns Architektur ist geprägt von der formal zurückhaltenden Nachkriegsmoderne, aus der das Gerling-Quartier mit eindrucksvollen Reliefs, Symmetrie und Ehrfurcht gebietenden Platz- und Eingangssituationen heraussticht. Der Geschäftsführer von O & O Christian Heuchel betont, dass die räumliche Demokratisierung dank öffentlicher Nutzungen im Erd- und Dachgeschoss des Hotels wichtige Gegenpole zu der neofaschistischen Architektur bilden. Im Zuge dessen wurde auf eine Planung von Suiten im ergänzten Dachgeschoss zugunsten von Gastronomie verzichtet. Die ehemalige Kassenhalle mit ihrem Boden aus weißem Rauchkristall und Nischen aus schwarzem Nero Marquino-Marmor wurde im Sinne des Denkmalschutzes erhalten und dient heute als Empfangshalle. Das Foyer enthält neben Empfang, Lobby und Gewerbefläche einen kostenlos nutzbaren Coworking-Space mit experimentellem Mobiliar, das eigens von studio aisslinger für das Projekt entwickelt wurde. Mit work-capsule und break-off units sind Sitzkabinen und Besprechungsbereiche gemeint, die zum Meeting, konzentrierten Arbeiten und zum Entspannen einladen.

Mittels storytelling entwickelt studio aisslinger ein narratives Interieur, das Bezug auf seine Umgebung nimmt. Die retrofuturistische Gestaltung mit Elementen der Raumfahrt spielt auf die optimistische Zeit des deutschen Wirtschaftswunders zur Entstehungszeit des Gerling-Quartiers an. „Beim Umbau des Gerling-Verwaltungsgebäudes zum 25hours Hotel The Circle war die James-Bond-artige Bestandsarchitektur Ausgangspunkt unseres Leitmotivs des Retrofuturismus. Der Zukunftsoptimismus der 60er- und 70er-Jahre, alle Probleme der Menschheit technologisch lösen zu können, hat auch etwas Ambivalentes. Insofern ist das entstandene Hotel nicht einfach das perfekte Wohlfühlhotel. Der Anspruch war, den Gast durchaus auch zu irritieren und innehalten zu lassen“, kommentiert Fabian Goppelsröder von studio aisslinger das Gesamtkonzept.

Inner Circle, Outer Circle

Die Zimmer werden aufgrund der Geometrie des Rundbaus und des daraus resultierenden Grundrisses in zwei Kategorien aufgeteilt. „Die Zimmer des Inner Circle zeichnen sich durch Gemeinschaftlichkeit mit einem Anklang von Voyeurismus aus, während die Zimmer des Outer Circle durch Intimität und Weitblick geprägt sind“, erläutert Heuchel. studio aisslinger reagierte auf die unterschiedlichen Belichtungssituationen mit gedeckteren Farb- und Goldtönen im Inner Circle und frischeren Tönen im Outer Circle. Möbelelemente wie Tische, Stühle, aber auch ganze Möbelblöcke bestehend aus Bett, Bad, Garderobe und Waschbecken sind von studio aisslinger entwickelt worden. Die Geometrie der tortenstückartigen Zimmergrundrisse löste man mit frei stehenden bzw. orthogonal zu den geraden Seitenwänden stehenden Betten. Das Restaurant NENI mit nahöstlicher bzw. ostmediterraner Küche und die Monkey-Bar auf der obersten Etage sind neben der ausgefallenen Immobilie des Hotels entscheidende Publikumsmagnete.

Kräftige Sanierung trotz Denkmalschutz

Zu Beginn der Planung und Sanierung profitierten die Planer von O & O von sehr detaillierten Bestandsplänen und Details im Lobbybereich und von sehr präzisen Schalplänen des Rohbaus wie sich beim örtlichen Aufmaß herausstellte. Der Umbau des Rundbaus mit Südspange erforderte eine Kernsanierung, die von der ursprünglichen Substanz lediglich den Erhalt des Rohbaus zuließ. Sowohl die Außenfassade als auch der Lobbybereich stehen unter Denkmalschutz und wurden unter Berücksichtigung der Vorgaben für Wärmeschutz rekonstruiert und ergänzend gedämmt. Die Geometrie der Fassadenpfeiler mit Natursteinbekleidung aus Dietfurter Kalkstein wurde mit minimalen Abweichungen beibehalten. Bei der Gestaltung des Grundrisses positionierten die Planer auf Empfehlung der Statik die Treppenhäuser möglichst weit außen. Die bestehenden Rippendecken betrugen lediglich 6 cm im Querschnitt und stellten hohe Anforderungen an die statische Planung. Um das Dachgeschoss optisch und akustisch nicht zu beeinträchtigen wurde die Technikzentrale zu größten Teilen im Untergeschoss platziert, wo sich auch die Anlieferung und die Vorbereitungsküche befinden. Um die Logistik des Restaurants mit Vollküche auf dem Dach zu stemmen, wurde ein Lastenaufzug für Speisen geplant. Der publikumswirksame Flammenwerfergrill benötigte die Einplanung einer eigenen Gasleitung, die vertikal vom Untergeschoss in das Dachgeschoss führt.

Raum für digitale Nomaden

Die Nutzergruppe erscheint gemäß Heuchel gebildet, tendenziell wohlhabend und weltoffen. „Kinder habe ich hier, ehrlich gesagt, selten gesehen. Ich empfinde die sogenannten DINKs (double income no kids) als Zielgruppe des Hotels The Circle. Das Hotel ist Anziehungspunkt für digitale Nomaden, die viel reisen, sich nicht lange aufhalten und Authentizität erleben wollen.“ Für Intimität und Rückzug muss bei so viel Weltoffenheit dennoch gesorgt werden. Um bei Wartungsarbeiten die Hotelgäste nicht zu stören, wurden die Schächte und Revisions-öffnungen der haustechnischen Anlagen so positioniert, dass Arbeiten vom Flur aus vorgenommen werden können ohne die Gäste zu stören. Die Gestaltung der Decken in den Hotelzimmern war auf Grund des unbehandelten Sichtbetons und der offenen Leitungsführung eine besondere Herausforderung. Das unter Denkmalschutz stehende Foyer erforderte wiederum hohe Sensibilität im Umgang mit den Marmorflächen an den Wänden und der Decke mit den für die 1950er-Jahre typischen Flaschenböden. Der Wärmeverlust dieser Decke wurde dank hinreichender Wärmedämmung der Dachflächen kompensiert. Die Fenster aus Aluminium wurden außen in Anlehnung an den Bestand im goldenen Farbton E6 EV3 bzw. EV2 und innen im kühleren Farbton E6 C31 eloxiert.  Grundsätzlich war Architekt Heuchel der Ansicht, dass man Ergänzungen am Bestand nicht nach üblicher Manier durch stilis-tische Unterschiede kenntlich machen muss. „Es ist doch wunderbar, wenn es sich anfühlt, als wäre das ganze Hotel im Gesamtbild gewachsen. Wir hätten das Dachgeschoss auch ganz anders in Abgrenzung zum Bestand planen können, aber die stimmige Gesamterscheinung ist uns wichtiger gewesen.“ Was wird für die Zukunft des Hotels seiner Ansicht nach entscheidend sein? „Die Planung von Hotelarchitektur muss den aktuellen Zeitgeist widerspiegeln. Wir gehen nicht mehr ins Hotel, weil wir müssen, sondern weil wir wollen.“⇥Nathalie Brum, Köln

Projektdaten

Objekt: 25hours Hotel The Circle, Köln

Standort: Im Klapperhof 22/24, Köln

Architekt/Innenarchitekt: Ortner & Ortner Baukunst, Köln, www.ortner-ortner.com mit studio aisslinger, Berlin, www.aisslinger.de

Lichtplaner: a.g Licht, Köln,

www.aglicht.de

Bauherr: IMMOFINANZ Friesenquartier GmbH, Köln

Nutzer: 25hours Hotel Company, Hamburg

Eröffnung: 2018

Anzahl der Zimmer: 207

Preis pro Übernachtung: 88 €

www.25hours-hotels.com/Koeln

Hersteller

Neue Fassade 8. Obergeschoss: Raico Bautechnik GmbH, www.raico.de

Türdrücker: FSB Franz Schneider Brakel GmbH & Co. KG, www.fsb.de

WC: Villeroy & Boch,

www.villeroy-boch.de;

Laufen Deutschland,

www.de.laufen.com

Armaturen: Hansgrohe Deutschland, www.hansgrohe.de; Ideal Standard GmbH, www.idealstandard.de

Dusch- und Badewanne: Franz Kaldewei GmbH & Co. KG,

www.kaldewei.de

Schalter: Berker GmbH & Co. KG, www.berker.com

Türen: Herholz Vertrieb GmbH & Co. KG, www.herholz.de;

Hörmann KG, www.hoermann.de; Metex, www.metex-stahlzargen.de

Hotels sind für mich Knoten nomadischen Lebens. Die Spannung zwischen der Besonderheit des Ortes, seiner Geschichte und den vielen Geschichten der kommenden und gehenden Gäste finde ich großartig.«⇥Innenarchitekt Werner Aisslinger
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