Das wird wunderbar und supergut
Seit Monaten kündet eine Hingucker-Turmkonstruktion am südlichen Berliner Tiergarten von einer Baustelle, die es in sich hat. Der Erweiterungsbau des Bauhaus-Archivs/Museum für Gestaltung mit Sanierung des Gropius-Bestands durch Staab Architekten lockte mit einem dreitägigen Festival Neugierige zur Besichtigung. Wir sprachen schon vor diesen Tagen mit dem Architekten und der Hausherrin über Termine, Kulturetats und natürlich das Bauhaus.
Frage an die Direktorin: Frau Jaeggi, erleben Sie die Fertigstellung der Neubauten/Sanierungen noch in Ihrer Amtszeit?
Annemarie Jaeggi (AJ): Nein, leider nicht mehr! Und das ist für mich eine Enttäuschung. Mein Vertrag wurde bereits um mehrere Jahre verlängert, mit dem Ziel, dass ich den Neubau noch in meiner Amtszeit eröffnen kann. Mein Vertrag läuft Ende 2025 aus, ich bin dann fast 70 Jahre alt, und irgendwann muss halt einfach auch Schluss sein. Aber ich weiß das Projekt in sehr guten Händen bei meiner Nachfolgerin Brigitte Franzen.
Wir stehen auf einer Baustelle, die aber eigentlich viele sind: Inwieweit sind, Frage an den Architekten, Neubau und Sanierung ein Projekt?
Volker Staab (VS): Es ist ein Projekt. Technisch sowieso: Es wird Verknüpfungen zwischen den Bauteilen geben, energetisch sind beide über Fernwärme angeschlossen. Das Zusammendenken von Alt- und Neubau war eine der ganz grundlegenden Entwurfsfragen, die sich bei uns am Anfang gestellt haben. Schon weil der Altbau mit einigen wesentlichen Funktionen bereits von Anfang an überfordert war, gerade was das Licht anbelangt. So war es erklärtes Ziel schon der Ausschreibung, den Altbau von den musealen Funktionen zu befreien und sie in den Neubau zu integrieren. Der Altbau erhält nun eine, wie ich glaube, wunderschöne Bibliothek in der Südhalle, die dann auch wieder lichtdurchflutet sein wird. Das wird dem Altbau gerecht und er wird seine räumlichen Qualitäten zurückzugewinnen.
Wenn ich nun auf Turm und die Podiums- und Nebengebäude schaue: Ist das hier eher Mies, eher Gropius oder vielleicht sogar Hannes Meyer? Oder sprechen hier eher Volker Staab mit Annemarie Jaeggi?
VS: Das Letzte wäre mir natürlich am sympathischsten, aber es geht hier tatsächlich nicht um eher Mies oder eher Meyer oder wen auch immer. Für mich war die Frage entscheidend, wie spielen diese beiden Häuser zusammen? Und zwar nicht nur funktional und programmatisch, sondern auch stadträumlich. So musste das Ikonografische des Gropius‘schen Baus nach wie vor im Straßenraum erlebbar bleiben wie auch die Promenade über das Haus erlebbar und funktional erhalten bleibt.
Und natürlich kommt man an der Frage zu dem Verhältnis zum Bauhaus nicht vorbei. Was heißt das eigentlich für uns: Bauhaus heute? Drei Begriffe standen bei uns da exemplarisch für das Thema Bauhaus: Vermittlung, Diskurs und Experiment. Während die ersten beiden Begriffe die programmatische Aufgabe des Turms sein werden, ist die Konstruktion des Turms das Experiment.
AJ: Von Seiten des Bauhaus-Archivs kann ich sagen, dass wir explizit nicht wollten, dass irgendeine Art von Bauhaus-Architektur hier wieder aufgewärmt wird. Wir arbeiten heute 106 Jahre nach Gründung des Bauhauses, da wäre das ein kompletter Historismus, wenn wir jetzt stilistisch auf das Bauhaus zurückgreifen würden. Historismus und Bauhaus?!
Welcher Bauhaus-Stil auch … Es gibt gar keinen.
AJ: Dankeschön.
Also zeitgenössisch … aber an einem schwierigen Ort. Einmal wegen des Gropius‘schen Baus, dann aber sicherlich mit Blick auf die verkehrliche Situation. Wird das eigentlich laut hier, im Innenhof? In diesem verkehrsumtosten Idyll mit schallharten Flächen rundum?
VS: Die Positionierung des kleinen eingeschossigen Bauwerks mit Cafè und Shop ist schon auch als Schallschutzwand gegenüber der Von-der-Heydt-Straße gedacht. Ein ländliches Idyll wird es aber nicht werden.
AJ: Die Insellage ist schon eine Herausforderung, aber ich bin zuversichtlich, dass wir hier einen intimen Stadtraum geschaffen haben … Ich freue mich ungemein, wenn in der schönen Jahreszeit Tische und Stühle hier draußen einen Ort bilden, den es vorher nicht gegeben hat.
Der Entwurf, der Wettbewerb, das alles liegt zehn Jahre zurück. Ist dennoch etwas von dem, was uns heute umtreibt, hier zu entdecken? Gibt es Themen, die heute brisant sind?
VS: Also: das richtige Material an der richtigen Stelle. Beton bei den erdberührten Bauteilen und in den Ausstellungsräumen, die mit dem Beton und großen Fenstern eine hohe Klimastabilität versprechen und dadurch im Unterhalt einen geringen Energieeinsatz benötigen. Neben notwendiger Masse ist die Frage der Flexibilität entscheidend, um die Zukunftsfähigkeit eines Gebäudes herzustellen.
Zukunft ist immer auch Experiment: War das Ausprobieren der ganz besonderen Turmkonstruktion als experimenteller Ansatz extra gewollt? Ein Bauhaus-Experiment …?
VS: Nein, die Entwicklung des Tragwerks war schlicht solide Arbeit. Wir haben in der Vergangenheit in unterschiedlichen Kontexten bereits mit Bollinger Grohmann zusammengearbeitet, das war also alles sehr routiniert. Was ich aber extrem interessant fand, war der besondere digital-analoge Entwicklungsprozess, der dann doch wie Bauhaus funktionierte: neue Techniken in der Massenfertigung von Bauteilen.
Was wird auf den offenen, unterschiedlich hohen Räumen, ja Raumflächen, im Turm passieren? Ausstellungen eher nicht …
VS: Vermittlung.
AJ: Der Turm dient ausschließlich dem pädagogischen Ansatz der Vermittlung. Wir sind seit vielen Jahrzehnten, ich glaube, das darf man ruhig sagen, vorneweg in der Museumspädagogik, der Kunstvermittlung. Seit 15 Jahren sind wir auch im Kindergartenbereich in der „Early Excellence“ unterwegs. Dafür hatten wir aber nie Räume … Unser Aufhängepunkt ist: Das Bauhaus war eine Schule. Als Bauhaus-Archiv haben wir zahllose Anknüpfungspunkte für Vermittlung, die unmittelbarer als bei anderen Museen da sind!
Das klingt beinahe schon euphorisch … Was schätzen Sie denn an dem Entwurf am meisten?
AJ: Für mich sind zwei Dinge an dem Entwurf von Volker Staab genial. Das eine ist, dass er den Innenhof eine Ebene tiefer gelegt hat. Die Anbindung zwischen Alt- und Neubau ist so einfach wie plausibel. Und dass er den Turm als eine Art Ausrufezeichen platziert hat; jeder kann sehen, dass dort etwas geschieht. Wir wollen rund um die Uhr Veranstaltungen haben, mit einem Studio digital, mit zwei Werkstatträumen. Es wird offene Drop-in-Angebote geben, an denen man, wann immer man vorbeikommt, teilnehmen kann. Kostenfrei; denn es ist geplant, dass man in den Turm geht, ohne ein Ticket erwerben zu müssen. Der Turm soll autark sein mit einem eigenen Programm. Das wird wunderbar.
Ein wunderbarer Luxus, würde ich sagen.
AJ: Da muss ich aber heftig widersprechen! Wir sind eine Bildungseinrichtung, Bildung ist unsere Aufgabe. Wie im Moment im Land Berlin öffentliche Zuwendungen in der Kultur gestrichen werden, das ist grundlegend falsch.
Und wenn Sie kein Geld mehr bekommen?
AJ: Gibt es nicht, vor allem für die Vermittlung. Auch weil es von vielen Stiftungen, gemeinnützigen Kulturstiftungen, Geld für kulturelle Programme und vor allem für Vermittlungsprogramme gibt. Und das intensivieren wir jetzt schlicht und ergreifend.
Wer ist der Hauptgeldgeber, der hier auch das Umbau- und Bauprojekt anschiebt?
AJ: Das Bauhaus-Archiv wird zu 100 Prozent vom Land gefördert. Wir streben schon seit vielen Jahren eine Bundesförderung an. Konkret erhoffen wir uns eine Kofinanzierung von Land und Bund mit dem neuen Hauptstadtkulturvertrag ab dem 01.01.2028. Was die Baustelle anbelangt, haben wir diese Kofinanzierung bereits.
Werden einzelne Bereiche im Turm auch privat zu mieten sein?
AJ: Ja, selbstverständlich. Das machen alle Museen dieser Welt. Wir haben das in der Vergangenheit auch schon gemacht.
Meine vorletzte Frage. Sie haben für die Tage der offenen Baustelle das wunderbare Motto gewählt „Kommt auf die Baustelle.“ Das hat mich tatsächlich sofort an meinen Lieblingsdirektor, den Hannes Meyer, erinnert mit seinem „kommt ans bauhaus“. Ist das gewollt?
AJ: Tja, das haben Sie richtig erkannt.
Und? Ich wollte jetzt kein Quiz mit Ihnen machen. Bedeutet dieser Bezug auch programmatisch etwas? Richtungsweisend für das neue Bauhaus-Archiv?
AJ: Darum geht es nicht. Bedeutung und Strahlkraft des Bauhauses liegen unter anderem darin, dass es sich alle paar Jahre neu erfunden hat. Das hat auch etwas mit dem Wechsel der Direktoren zu tun, natürlich. Aber ob wir nun als Hannes Meyer oder Walter Gropius ins Haus einladen, ist überhaupt nicht entscheidend.
Es ist doch so, dass wenn ein neuer Direktor, eine neue Direktorin kommt, auch das Programm neu ausgerichtet wird. Es werden andere Schwerpunkte gesetzt, was ja Sinn eines Direktorinnenwechsels ist.
Aber noch einmal deutlich: Wir werden nicht an irgendeinem dieser Direktoren festhalten. Uns interessiert ja gerade die Vielfältigkeit.
Letzte Frage. Wann werde ich zur Eröffnung eingeladen?
AJ: Ich hoffe, mit mir zusammen! Auf Ihre Frage ein Datum zu nennen, wäre Kaffeesatzleserei. Der Bau soll Ende 2026 fertig sein. Dann kommen die Monate der klimatischen Justierung, dann der Umzug. Das ist schon eine gigantische Aufgabe, mit einer solchen Sammlung umzuziehen, die Büros einzurichten, also den Bau in den Betrieb zu bringen und dann schlussendlich zu eröffnen. Also ich glaube, da müssen wir alle noch ein bisschen Geduld haben. Oder?
VS: Haben wir, die Geduld. Ohne die wären wir längst verloren!
Mit Annemarie Jaeggi und Volker Staab unterhielt sich DBZ-Redakteur Benedikt Kraft via Internet am 17. September 2025 schon vor der Pressekonferenz.
