DAM. Der Urfassung wieder näher
Das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt am Main – kurz auch DAM – ist eine Institution im Architekturdiskurs. Zahlreiche Ausstellungen seit 1984 haben auch einmal Grundsätzliches sichtbar gemacht. Zudem ist der Bau am Museumsufer eine ganz besondere Arbeit von Oswald Mathias Ungers, die in den letzten fast vier Jahren grundlegend saniert wurde. Wir waren neugierig und reisten zur Eröffnung hin.
Nun ist es geschafft. Oder?
Peter Cachola Schmal (PCS): Ja, es ist geschafft, fast.
Sigrid Eichler (SE): Wir schauen noch auf die Bauendreinigung, ein paar Kabel, die noch in der Luft hängen, kleinere Gewährleistungsmängel, das Übliche, würde ich sagen. Der starke Regen heute Morgen hat noch zwei kleine Undichtigkeiten gezeigt.
Was waren die wesentlichen Arbeitsfelder, die Stadt und DAM zusammen geleistet haben?
PCS: Im Zentrum der Arbeiten stand die energetische Sanierung, also wurde die Gebäudehülle überall angepackt. Wir konnten damit auch das Raumklima optimieren und nicht zuletzt den Sanierungsstau auflösen.
SE: Ein zweites großes Thema war der Brandschutz. Die Ungers-Planung sah noch eine Entfluchtung über das benachbarte Filmmuseum vor, was sich in der Realität nicht als sinnvoll herausgestellt hatte. Die Lösung jetzt ist ein Fluchttunnel unter dem rechten Korridor. Der ist letztlich natürlich unsichtbar, aber teuer in der Erstellung.
Haben die Arbeiten Dinge zu Tage gebracht, die vorher nicht bekannt waren, habe Sie beide das Gebäude noch mal neu kennengelernt?
SE: Vielleicht im Detail, aber große Überraschungen gab es nicht. Die Bauschäden oder Mängel waren schon bekannt.
Aus den Sanierungsarbeiten von 2010?
SE: Ja, damals wurde die Fußbodenheizung installiert, ohne die Gebäudehülle zu ertüchtigen, was nicht funktionieren konnte.
Aber eine Küche, die heute kurz vorgestellt wurde, die gab es noch nicht?
SE: Nur eine improvisierte seit 2001. Eine richtige Küche gab es noch nicht, die Vorstellungen von einem Museumsbau waren 1984 auch ganz andere als heute! Aber die wesentlichen Mängel waren wie gesagt auch damals schon bekannt, die ungedämmten Glasdächer, die ungedämmte Wasserabführung etc.
Aus Sicht eines Museumsdirektors ist eine solche, den Bestand erhaltende Sanierung notwendig. Gab es Augenblicke, wo Sie gedacht haben, es müsse doch mehr geben als nur ein solides fertiggestelltes Haus?
PCS: Die mit der Sanierung befassten Darmstädter, Rittmannsperger Architekten, haben aufgrund der fehlenden Flächen für die Baulogistik eine sehr schöne Gerüst-Plattform über dem EG-Glasdach vorne am Main aufgebaut, hier wurden Baumaterialien gelagert. Da kam schon der Gedanke auf, was wäre, wenn man dort unser Café platzieren würde. Das hätte effektiv den Sonnenschutz gewährleistet, für uns war es ein sehr attraktives Element, eine Geste zur Stadt, ein Ort mit Perspektive … Das war natürlich nicht genehmigungsfähig wegen des Denkmalschutzes! Aber das Haus ist, wie es ist, ein Kind seiner Zeit und das ist gut so.
Kuratorinnen sind hier mit Räumen konfrontiert, die sich selbst genug Raum sind … Teil eines auf perfekte Geometrie zielenden Ganzen. Schwierig zu bespielen …
PCS: Da sprechen wir über eine grundsätzliche Frage im Ausstellungsbetrieb. Will man einen neutralen Raum? Davon gibt es auf der Welt eine ganze Menge. Oder bespielt man eine Persönlichkeit, die nicht alles zulässt? Hier im DAM müssen sich Kurator:innen und Architekt:innen sehr präzise verhalten. Aus meiner Erfahrung lohnt es sich nicht, gestalterisch gegen die Räume zu arbeiten. Es gibt immer wieder Kuratoren, die das mit aller Kraft probieren, und sie scheitern daran.
Die scheitern immer?
PCS: Es ist eindeutig besser, man lässt sich auf den Ungers-Kosmos ein und geht mit. Zum Beispiel in dieser Halle, in der wir sitzen. Die hat mit dem Innenhof eine Mitte, und die ist besetzt. Sie hat einen Umgang und zwei gleich große Flächen. Das sind Vorgaben, auf die ich reagieren muss! Das 1. OG ist auch nicht neutral, das Dritte erst recht nicht, hier wird ja das „Haus im Haus“-Prinzip offensichtlich. Das sind Räume, die fordern einen heraus, was aber am Ende meist sehr fruchtbar ist. In Venedig, auf der Architekturbiennale, werden immer wieder Arbeiten in Palazzi gezeigt, die nun wirklich keine White Cubes sind. Wer mit solchen Räumen umgehen kann, erhält am Ende mehr. Und ich glaube auch, dass es für jeden schöner ist, einen Ort mit Persönlichkeit zu bespielen, als einen neutralen Ort.
Die Radikalität des Hauses, die hier die Persönlichkeit kennzeichnet, zeigt sich insbesondere in seiner Ursprungsfassung, die wir unten im leergeräumten Erdgeschoss gerade erahnen können. Eine entwerferische Radikalität, die mitkuratiert oder?
SE: Definitiv! Andererseits sind wir von der Originalfassung, die Sie gerade ansprachen, doch schon weiter entfernt. Wir haben hier eine Menge Technik verbaut, unsichtbar. Wir wollen moderne Ausstellungspädagogik mit Technologie unterstützen, mit Internet, WLAN und Screens ...
Ich sehe gar keine Bildschirme!
SE: Die kommen noch.
PCS: Vor allem hier im Erdgeschoss möchten wir mehr Information ... Um noch einmal auf die Urfassung des Hauses zu kommen: Der Bau mit Fertigstellung 1984 hatte keine Stromanschlüsse in den Räumen.
Ausstellungen bei Kerzenschein?
PCS: Ja, wie bei den Kirchen.
Aber nicht mehr in den 1980er Jahren!
PCS: Ob nun Kerzen oder nicht, auch Lampen waren nicht vorhanden, die haben wir erst installiert.
Das klingt abenteuerlich! Noch einmal zur Urfassung – oder sogar davor: Ungers frühe Entwurfsfassungen lassen das „Haus im Haus“ oben aus der Villa herausschießen, man sollte das sehen, was sich heute erst unter dem Dach offenbart. Wäre das eine Zukunftsvision für das aktuelle DAM?
PCS: Auch im Inneren sollte das Haus völlig freistehen, sichtbar aus dem Auditorium im Untergeschoss, was das Hochbauamt damals aber unterbunden hat, zum Glück, muss man sagen.
Aus Brandschutzgründen?
PCS: Auch. Aber ich möchte mir nicht vorstellen, was es bedeutet hätte, wären Auditorium und die darüberliegenden Ausstellungsebenen nicht akustisch getrennt! Eine Katastrophe wäre das gewesen.
Nun war gerade in der Presserunde auch die Rede von einem „Pilotprojekt“, das in bestimmten Detaillösungen also Vorbild sein könnte für vergleichbare Arbeiten. Werden wir darüber in einer Sanierungsdokumentation lesen können?
SE: Aktuell ist noch nichts geplant, grundsätzlich ist das aber ein Anspruch für mich als leitende Baudirektorin. Wir hatten das Thema bei der Sanierung der Ebelfeldschule, mit Fokus auf den Denkmalschutz und Umgang mit dem Bestand. Dokumentationen dieser Art sind äußerst hilfreich für alle Beteiligten.
„Pilotprojekt“ ist das Haus bezüglich der neuen Verglasung?
SE: Ja, hier haben wir das erste Projekt im Museumsbau in Deutschland, bei dem eine Micro-Shade-Verglasung zum Einsatz kommt. Diese noch in der Entwicklung stehende Technik haben wir über viele Erkundungswege über vergleichbare Projekte gefunden und durch unsere Wünsche und ganz konkreten Anforderungen mitentwickelt. Zu nennen ist hier das ETA-Gebäude der TU Darmstadt, das einen vergleichbaren Verglasungsansatz verfolgte.
Vorteile der speziellen Kunststofffolie, die zwischen äußerer und innerer Scheibe liegt, sind einmal die Reflektion des Sonnenlichteintrags, womit wir keinen außenliegenden Sonnenschutz mehr brauchen. Bei perfekter Transparenz von beiden Seiten. Dann die Lichtechtheit, die für die Ausstellungsqualität eine entscheidende Rolle spielt. Und weil die Folie eine prismatische Oberflächenstruktur hat, erzielen wir bei schrägstehender Sonne dennoch ausreichend Wärmeenergie in den Wintermonaten. Das alles dient der Verringerung der Energielasten aus der Klimatisierung des Hauses.
In den vergangenen Jahren wurde es unter dem Dach schon mal richtig warm: Gab es denn, eine Frage an den Museumsdirektor, Rückzüge, wenn man um Leihgaben gebeten hat?
PCS: Direkte Rückzüge gab es nicht, aber Zurückhaltung. Aber weil viele auch von uns etwas leihen wollen, haben wir da eine andere Position. Das Problem der zu starken Temperaturschwankungen haben wir jetzt hoffentlich nicht mehr, auch die Feuchteregulierung sollten wir im Griff haben. Viele Leihgeber fordern nachträglich Klimaprotokolle, die schon mal skeptisch betrachtet wurden. Aber wir schauen auch auf die Jahreszeiten, passen das Ausleihverhalten an, das geht. Und wenn wir ehrlich sind, ist die Feinabstimmung von Raumklima bei heutigen Ausstellungen mit digitalen Materialien kein Problem mehr.
Jetzt hat die Stadt Frankfurt – der es finanziell nicht schlecht geht – hier 1,3 Mio. € investiert. Wollen Sie Ihr Haus mit überregionaler Bedeutung nicht einmal auf breitere Füße stellen? Mal beim Land, beim Bund anklingeln?
PCS: Nein. Das Deutsche Filmmuseum und das Deutsche Architekturmuseum waren einmal über eine offene Tür verbunden. Dann wurde das Filmmuseum in eine GmbH verändert, Land und Bund sind beteiligt. Jetzt haben wir zwei Häuser, keine gemeinsame Tür mehr. Nein. Ich habe hier einen Ansprechpartner, die Dezernentin. Wären Bund und Land involviert, hätte ich drei Ansprechpartner, die politisch durchaus mal auf anderer Wellenlänge unterwegs sind. Da wären die Diskussionen um das Programm heikler.
Natürlich stellen wir auch Anträge beim Bund, sehr viele, beispielsweise Förderanträge zu Arbeiten über aktuelle Städtebauprogramme. Seit einigen Jahren machen wir das in Zusammenarbeit mit dem Planungsdezernat, das dann für eigene Anträge zu Programmen der Städte-bauförderung beispielsweise detailliert Bescheid weiß. So funktioniert da eine enge Zusammenarbeit, die viele positive finanzielle Effekte hat. Das ist neu.
SE: Und ein wesentlicher Vorteil ist zudem, dass das DAM auch kritische Themen mitaufgreifen kann. Wie zuletzt zur Zukunft der Städtischen Bühnen, indem man eine Ausstellung über Opernbauten und ihre Kosten macht.
Als ich zur Pressekonferenz hier in die noch leeren Ausstellungsräume im Erdgeschoss kam, dachte ich: „Wow“, das ist Ungers in Reinform.
PCS: Ja, für Ungers, der so lange nichts gebaut hatte, war das ein Manifest. Als er aus dem Exil USA zurückkam und Klotz ihn direkt beauftragte, die schöne Villa zu überplanen, waren die Architekten zuerst geschockt: Hier sollten sie modern sein? Die Villa haben sie erstmal „bereinigt“ und Stuck und Putz haben sie abgehauen, entkernt. Und Öffnungen geschlossen, Oberflächen erfunden, kurz, sie haben die Villa so behandelt, wie man es heute nicht mehr machen würde. Der Garten wurde überbaut, Bäume gefällt. Den einen hat man in der Mitte stehen lassen, der hat zum Atrium inspiriert. Ungers hat diesen Ort für sein neues Konzept neu geschaffen. Und dann wurde er berühmt und konnte sehr viel bauen, die Museen in Köln und Hamburg, für die Messe Frankfurt, den Flughafen, für die Botschaft in Washington und so weiter. Das war seine zweite große Karriere.
Nach fast vier Jahre DAM-Exil im Ostend: Gibt es da etwas, was zum alten Standort mitgenommen wird?
PCS: Ja, die Vorträge oder Lesungen mitten in der Ausstellung waren super. Das werden wir auch hier am alten Standort testen, in der Ausstellung. Auch unsere Jurys in der Ausstellung kann ich mir hier gut vorstellen, das ist schon Klasse. Und beim Thema der Vermittlung sind wir am Ostend sehr viel in die Stadt hinausgegangen, damit werden wir nicht aufhören. Da machen wir weiter.
Fast schon ein Schlusswort. Frau Eichler, wie werden Sie das DAM weiter beobachten? Oder ist das jetzt für Sie abgeschlossen?
SE: Wir wenden uns anderen Aufgaben zu, müssen uns anderen Aufgaben zuwenden. Für unser Team war die Sanierung ein erfolgreiches Projekt in der Zusammenarbeit. Damals wurde Oswald Mathias Ungers direkt beauftragt. Heute machen wir umfangreiche, EU-weite Vergabeverfahren und man kann froh sein, wenn das Team bis zum Schluss einer Bauaufgabe zusammenhält, was heute nicht mehr selbstverständlich ist. Von daher sind wir stolz und zufrieden mit dem insgesamt gelungenen Projekt.
Mit der leitenden Baudirektorin Sigrid Eichler und dem Direktor des DAM, Peter Cachola Schmal, unterhielt sich DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 28. Mai 2025 im leergeräumten EG des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt a. M.