Apologetenschau

Ganz am Schluss des Buches, in den Danksagungen, schreibt der Autor von einem „too-long process fraught with misdirection, menadering, and interregnums“ und beschreibt so seine Buchgeschichte, die im Jahr 2006 startete. Das liest man, wenn schon knapp 300 Seiten davor geschafft wurden und tatsächlich: Das Lesen in dieser Arbeit ist nichts weniger als Arbeit!

Worum geht es: Mark Linder, der sich intensiv mit Bildtheorie beschäftigt, stieß – sicher nicht zufällig – auf eine Polemik zwischen Reyner Banham und Charles Jencks, den bis heute kaum hinterfragten Apologeten einer Theorie der Architekturmoderne des 20. Jahrhunderts. Beiden haben wir Begriffe und Begriffewelten zu verdanken, anhand derer wir durch die Baugeschichte bis heute navigieren. Brutalism, besser New Brutalism gehört dazu ebenso wie das legendäre Architektenpaar Peter und Alison Smithsons und damit auch: Ludwig Mies van der Rohe.

Wie nun der New Brutalism sich als eine Schimäre, als ein Art Brutstätte ikonischer Bilder, – von Banham ausgehend über die Smithsons und Mies – es bis in unsere postmoderne Bilderwelt schaffte („postmodern“ hat der Rezensent  bei Mark Linder nicht gefunden), all dem geht der Autor derart akribisch und dennoch (oder deshalb) auf viel zu verschlungenen Wegen nach. Er durchstöbert zeitgenössische Publikationen, wertet Sekundärliteratur aus und pflügt hier durch die zitierten Quellen. Dabei liegt der Fokus – die Smithsons! – auf britischen Verhältnissen und auf der Masse der Veröffentlichungen, die Peter und Alison uns hinterlassen haben.

Zwischen den teils gewundenen, rezeptoren-überfordernden Sätzen und Absätzen, die gerne auch Wiederholungen darstellen zur Veranschaulichung von etwas Neuem, sind in den sechs Kapiteln etwa 40 Bildertafeln untergebracht, kleine Sammlungen von Architekturabbildungen, von Kunst, Stadtraum, Objekten, Menschen etc. Sie sollen die Kontinuitäten offenbaren, die mittels „Images“ in die Welt gesetzt wurden und sich im Diskurs ausbreiten und Kontinuitäten erzeugen usw. Das erinnert den Rezensenten sofort an Aby Warburgs „Mnemosyne“-Projekt, das sich – allerdings schon Jahrzehnte vor Banham/Smithsons/Linder – in vergleichbarer Weise einem Erbe versichert, einer kulturellen DNA und damit selbst Kultur-Beschreibung kanonisierte.

Eine Neubewertung des New Brutalism, wie der Verlag zitierend uns verspricht, gelingt hier nicht. Ganz sicher aber versteht man nach der anstrengenden Lesearbeit, wieso wir immer noch über Reyner Banham und Co forschen und Mies und die Smithsons bis heute verehren (müssen). Grandios! Be. K.

Mark Linder, That‘s Brutal, What‘s Modern? The Smithsons, Banham, and the Mies-Image. Park Books, Zürich 2025, 304 S., 300 Farbabb.

39 €, ISBN 978-3-03860-401-3

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