Alte Glaserei, Ptuj/SL
Der Umbau der Alten Glaserei in Ptuj, einer der ältesten Städte Sloweniens, wurde vom Büro Elementarna aus Ljubljana in einem achtsamen Dialog in seine historische Umgebung eingefügt. Die neuen architektonischen Gesten wirken einladend und bedacht. Das niedrigschwellige Nutzungskonzept, betont durch die sich zum Hof öffnenden Veranstaltungsräume, soll allen in der Stadt zugänglich sein und verleiht dem historisch geschichteten Gebäudekomplex neues Leben.
Vom Vrazov Platz führt der Blick auf den Stadtturm von Ptuj zur Alten Glaserei
Foto: Miran Kambič
Bereits einige Meter vor dem Betreten der Alten Glaserei bekommen die Besucherinnen und Passantinnen einen Vorgeschmack darauf, wie der Ort verändert wurde, der bis vor kurzem teilweise unzugänglich war. Wer nämlich im nahen „muzikafe“ am neugepflasterten Vrazov Platz eine Tasse Tee oder Kaffee genießt, blickt auf die ersten Änderungen im Stadtraum: ein kleiner roter Brunnen und eine lange Holzbank. Die, die vom südlichen Teil der Stadt kommen, können auch auf dem kleinen Vorplatz die neuen Sitzmöglichkeiten wahrnehmen und eine kurze Pause einplanen, bevor beim Weitergehen der dunkelrot schimmernde Stadtturm im Hintergrund sichtbar wird und vom Vrazov Platz dann schließlich zur (neuen) Alten Glaserei führt.
Elementarna haben den Vrazov Platz und die angrenzenden Straßen durch kleine Eingriffe, wie einen Brunnen und eine Bank, neu belebt
Foto: Miran Kambič
Das junge Architekturbüro Elementarna gewann gemeinsam mit dem Landschaftsarchitekturbüro Kolektiv Tektonika den 2019 ausgeschriebenen Wettbewerb der Stadt Ptuj und realisierte den Umbau der Alten Glaserei innerhalb kurzer Zeit. In nur drei Jahren, zwischen 2021 und 2023, wurde das Projekt fertiggestellt. „Der Ausschreibungstext war sorgfältig verfasst und basierte auf einem partizipativen Ansatz, bei dem Workshops und Gespräche mit den zukünftigen Nutzerinnen durchgeführt wurden“, erzählt der Architekt Dominik Košak von Elementarna. Er weist damit darauf hin, dass, obwohl die genauen Nutzungen der Räume bei der Ausschreibung nicht definiert waren, bereits vor Beginn der Entwurfsphase die Anforderungen und die Wünsche der Akteurinnen verhandelt wurden. Bei der Ausformulierung des Gebäudes konnten sich die Planer auf diese Angaben stützen und ihren Entwurf mit Rücksicht auf verschiedene Nutzungstypologien durchführen.
Das Gebäude fasst einen angetreppten Innenhof ein, der zum großen Veranstaltungssaal gerichtet ist
Foto: Miran Kambič
Ein neuer Teppich für die Öffentlichkeit
Auf Wunsch der Stadt sollte das Vorhaben eine Verbindung zwischen dem Vrazov Platz und der Alten Glaserei herstellen. Das ist dem Büro Elementarna durch gezielte und zurückhaltende Interventionen gelungen. Dadurch wurden nicht nur der Gebäudekomplex, sondern auch der südlich davon gelegene Platz und die anschließende Tomaža-Šalamuna Straße aufgewertet und bieten heute eine hohe Aufenthaltsqualität. „Bevor wir eingriffen, war der Vrazov Platz mit einer Art gefärbten Asphalt belegt. Das hatte was Schönes, wie ein Teppich, weil der Platz schon immer als kultureller Treffpunkt genutzt wurde, aber wir mussten ihn reparieren, da er schon auseinander fiel. Unter diesem Belag haben wir dann Flusskiesel von der Drau gefunden. Daraufhin beschlossen wir, jeden möglichen Stein wiederzuverwenden“, erzählt Dominik Košak weiter. Kurz nach Baubeginn wurden nämlich umfangreiche archäologische Grabungen notwendig, die die mittelalterliche Gründung der Stadt hervorbrachten und die für die damalige Straßenpflasterung genutzten Steine freilegten. Die ehemalige farbige Pflasterung des Vrazov Platzes wurde durch diese Steine ersetzt, welche geschnitten und in Betonplatten eingearbeitet wurden. Sie schaffen heute einen neuen „Teppich“ für die öffentliche und kulturelle Nutzung des Platzes. Gleichzeitig sind sie eine direkte Referenz an die Geschichte und die Entwicklung des Ortes und verbinden bildhaft den Innenhof und die Gebäude der Alten Glaserei mit den umliegenden Straßen.
Die Bühne im Südflügel kann komplett zum abgetreppten Hof hin geöffnet werden. In den warmen Monaten kann das Publikum hier unter freiem Himmel sitzen
Foto: Miran Kambič
Ein Dialog zwischen Alt und Neu
Die Umgestaltung des historischen Ostflügels der Alten Glaserei bricht in ihrer neuen Ordnungsstruktur eine bereits seit dem 19. Jahrhundert bestehenden Schließung des Blocks, der bisher nur über den nördlich gelegenen Eingang erschlossen wurde. Die Architekten öffneten den Innenhof zur westlich angrenzenden Straße und markierten den Eingang durch ein leuchtend rotes Tor, das tagsüber meist offenbleibt und Passantinnen zum Reingehen einlädt. Der östliche Flügel wurde bis zum Zeitpunkt des Umbaus noch teilweise als Theater und Proberaum des Jugendzentrums von Ptuj genutzt. Weitere Gebäude des Ensembles waren teilweise oder ganz zerstört, sodass die Stadt eine Sanierung nicht mehr umgehen konnte. Der L-förmige Gebäudekomplex umarmt einen abgestuften Innenhof und besteht aus mehreren historischen Bauschichten, die bis ins Mittelalter reichen, wovon die unterschiedlichen Nutzungen und Konstruktionen zeugen.
Die Westfassade an der Aškerčeva Straße wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz saniert und in ihrer ursprünglichen Form wiederhergestellt
Foto: Miran Kambič
Der Ostflügel wurde südlich um einen 1-geschossigen Neubau ergänzt. Dieser wird als Bühne und Veranstaltungsraum genutzt und kann zum Hof hin geöffnet werden. Bei Konzerten oder Aufführungen hat das Publikum dann sowohl im Innenraum als auch im Außenraum die Bühne im Blick. Das gesamte Erdgeschoss des Ostflügels selbst kann ebenfalls zum Innenhof hin geöffnet und bespielt werden. Den gestalterischen Zusammenhalt bildet der Fußbodenbelag aus den wiederverwerteten Kieselsteinen – ähnlich wie am Vrazov Platz.
Der Haupteingang zur Alten Glaserei wird von einem weit auskragenden Sims geschützt, eine Referenz an die Dachlandschaft von Ptuj
Foto: Miran Kambič
Das Erdgeschoss des Ostflügels wurde bis zum Eingriff noch genutzt und musste weitgehend saniert werden. Elementarna platzieren den Haupteingang unter einem weit auskragenden Beton-Sims, der sich zurückhaltend am rechten Ende des Flügels einfügt. Zwei weitere Eingänge befinden sich in der historischen Fassade an der Aškerčeva Straße und werden vorranging von den Mitarbeitenden genutzt. Die gewölbten Räume im Erd- und Obergeschoss werden als Projekt- und Ausstellungsflächen angeboten und den Mieterinnen für einen symbolischen Preis zur Verfügung gestellt.
Der große Bühnenraum kann unterschiedlichen Bedürfnissen und Veranstaltungen angepasst werden und bietet viele verschiedene Raumkonfigurationen
Foto: Miran Kambič
Alte und neue Referenzen
Im kleinen Theaterraum im Erdgeschoss sind die ehemalige massive Außenwand und die Gewölbe heute wieder als solche erkennbar, obwohl sie eine gänzlich andere Nutzung erhalten haben. Dieses behutsame Zitieren und Hervorheben des historischen und denkmalgeschützten Bestands haben sich die Architekten zur Aufgabe gemacht. Dieser werden sie mit besonderer Liebe zum Detail im gesamten Gebäude gerecht, aber auch an der Fassade und im Außenraum. Das lange Oberlicht, das im Dachgeschoss die Räumlichkeiten teilt und sich über den gesamten Flur erstreckt, betont diesen Dialog zwischen Alt und Neu. Ein „glücklicher Zufall“ in der Planung ermöglichte hier den Ausblick auf den Stadtturm von Ptuj, der einen weiteren Bezug zur Umgebung schafft. Ein wichtiger Aspekt der Planung, so Košak, sei es weiterhin gewesen, die einfache Grundstruktur der bestehenden Gebäude beizubehalten und eine Verbindung zwischen dem Alten und dem Neuen zu schaffen: „Dabei war uns wichtig, dass inmitten von Wohnhäusern die neue kulturelle und öffentliche Nutzung der Alten Glaserei für die Betrachterinnen und Betrachter sofort als solche erkennbar ist.“
Die massiven alten Außenmauern stehen im Dialog mit dem Bodenbelag aus ausgegrabenen Kieselsteinen und schaffen so einen nach außen gewandten Raum
Foto: Miran Kambič
Die neue Dach- und Fassadengestaltung sollte die Farbgebung der umgebenden Dächer aufnehmen, aber gleichzeitig die neue Nutzung durch eine Nuancierung bewusst hervorheben. Die unterschiedlichen Rottöne wirken auf den zweiten Blick allerdings weder akzentuiert noch ähnlich genug, um die innere Kontinuität des Gebäudekomplexes lesbar zu machen. So wird der Südflügel nicht gleich als neues Gebäude wahrgenommen. Gelungener sind die geriffelten Betonflächen, die mit ihrem Schattenspiel, so erzählt der Architekt, manche Besucherin an einen Theatervorhang erinnern. Die strukturierte Oberfläche bildet einen Kontrast zu den imponierenden Außenwänden und ermöglicht eine allmähliche Bildung von Patina, die den Bezug zum historischen Kontext aufnimmt.
Ein Ort für Alle
Die Stadt Ptuj hat ein lebendige kulturelle Szene und eine engagierte Stadtverwaltung. Bereits 2020 hat sie durch die Neugestaltung des Marktplatzes von Arhitektura Krušec, einige hundert Meter von der Alten Glaserei entfernt, gezeigt, wie durch kleine und geschickte Interventionen großmaßstäbliche Projekte für die Öffentlichkeit realisiert werden können. Das junge Büro Elementarna schafft ihrerseits durch eine enge und produktive Zusammenarbeit mit der Stadt, der Denkmalpflege, der Landschaftsarchitektur und den Nutzerinnen ein Kulturzentrum, das sich in eine existierende, dorfähnliche Struktur einbettet. Die Alte Glaserei zitiert ihre unmittelbare Umgebung und führt sie weiter, sodass sie zwar nicht klein wirkt, aber, wie Dominik Košak es passend beschreibt, sich in eine städtebauliche Nische einfügt und für alle Generationen zugänglich bleibt. Die kleinen Interventionen in den umliegenden Straßen und Plätzen geben keine Nutzungen vor. Durch ihren menschlichen Maßstab erlauben sie den Bewohnerinnen von Ptuj eine Aneignung des Stadtraums für mehr oder weniger informelle Treffen und Veranstaltungen.
Projektdaten
Objekt: Erneuerung der Alten Glaserei und der umliegenden urbanen Flächen
Standort: Ptuj/ SL
Typologie: Kultur- und Gemeinschaftzentrum
Bauherrin: Gemeinde Ptuj/ SL
Nutzerin: CID Ptuj - Jugendzentrum Ptuj
Architektur: ELEMENTARNA
Projektteam: Matevž Zalar, Ambrož Bartol, Dominik Košak, Miha Munda, Rok Staudacher, Samo Kralj (ELEMENTARNA), Darja Matjašec, Pia Kante, Katja Mali (Kolektiv Tektonika, Landschaftsarchitektur), Marko Primažič
Generalauftragnehmer: Javne službe Ptuj d.o.o.
Bauzeit: 08.2021–03.2023
Grundstücksgröße: 3 181 m²
Grundfläche: 1 361 m²
Nutzfläche: 1 084 m²
Fachplaner
Tragwerk: Marko Pavlinjek
TGA-Planung: Bojan Mehle
Lichtplanung: Jakob Lovšin
Energie
Primärenergiebedarf: 74,43kWh/m²a
U-Werte Gebäudehülle:
Außenwand = 0,1 – 0,2 W/(m²K)
Bodenplatte = 0,13 W/(m²K
Dach = 0,08 – 0,10 W/(m²K)
Fenster (Uw) = 0,9 W/(m²K)
Verglasung (Ug) = 0,6 W/(m²K)