Mehr Bestand wagen

Skulptur "Conversio Spinelli" von Philipp Morlock setzt – allerdings out of sight – ein also dezentes Zeichen auf dem BUGA 23-Gelände in Mannheim

In Mannheim versucht man gerade etwas, eine BUGA, die einmal ganz anders sein soll als alle anderen. Oder vielleicht genauer geschrieben: Sie soll weitergehen als ihre Vorgängerinnen in den letzten Jahren, die immer schon mehr sein wollten/mussten, als Gartenschauen, die Blümchen- und Blumenbeete quadratkilometergroß dem Publikum anbieten.

Neben der Bearbeitung der U-Halle durch Hütten und Paläste, Berlin, einer im Grundriss U-förmigen riesigen Halle mit Stahltragwerk, sind viele Planungsdetails auf dem Gelände dahingehend ausgerichtet, auch mit dem auf dem Gelände vorhandenen Material zu arbeiten.

Conversio Spinelli, eine Skulptur von Philipp Morlock auf dem ehemaligen Kasernengelände, heute Planungsgebiet der BUGA 23 in Mannheim
Foto: Philip Morlock

Conversio Spinelli, eine Skulptur von Philipp Morlock auf dem ehemaligen Kasernengelände, heute Planungsgebiet der BUGA 23 in Mannheim
Foto: Philip Morlock

Conversio Spinelli, eine Skulptur von Philipp Morlock. Im Hintergrund Neubauten am BUGA-Geländerand
Foto: Philip Morlock

Conversio Spinelli, eine Skulptur von Philipp Morlock. Im Hintergrund Neubauten am BUGA-Geländerand
Foto: Philip Morlock

Aktuell gibt es nun ein Künstler-Projekt auf dem Gelände, eine Skulptur von Philipp Morlock, einem in Mannheim und sonstwo auf der Welt arbeitenden Künstler. "Conversio Spinelli" hat er die mehr als 400 t schwere Arbeit genannt, die aus Resten, Überresten, aus as-found-Artefakten, Relikten und Trümmerteilen der längst abgerissenen Bauten und ihrer Innenleben besteht. Ein Würfel mit einer Kantenlänge von 6 m ist die begehbare Beton/Holz/Stahl/Keramik/Kunststoff/Eisen/Aluminium etc.-Skulptur, die durchaus ein Haus sein will. Allerdings ein nur schwer bewohnbares, eher das Abbild eines Bildes von einem Haus.

Zentrales, den Gesamtbau sicherndes Stahltor, eingespannt in das ca. 1 m dicke Betonfundament
Foto: Philip Morlock

Zentrales, den Gesamtbau sicherndes Stahltor, eingespannt in das ca. 1 m dicke Betonfundament
Foto: Philip Morlock

Von den vier Ecken des Plattenfundaments aus in die Höhe gebaut ...
Foto: Philip Morlock

Von den vier Ecken des Plattenfundaments aus in die Höhe gebaut ...
Foto: Philip Morlock

Der Würfel steht in einem Erdloch, das die Form einer auf der Spitze stehenden Pyramide hat. Zehn Meter tief steht der Bau damit, er ist also nicht aus der Ferne zu sehen, auch nicht von dort aus, wo gerade andere Wohnbauten in die Höhe schießen, verkleidete Betonburgen, die einem Wohnungsmarkt das geben, was sich Investoren wünschen und Gutverdiener leisten können.

Die mit Beton ausgegossenen Spinde tragen die Dachkonstruktion
Foto: Kulturamt / Tanja Binder

Die mit Beton ausgegossenen Spinde tragen die Dachkonstruktion
Foto: Kulturamt / Tanja Binder

Lageplan BUGA-Gelände mit der Skulptur und Teil der U-Halle
Abb.: RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten

Lageplan BUGA-Gelände mit der Skulptur und Teil der U-Halle
Abb.: RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten

Querschnitt

Abb.: RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten

Querschnitt
Abb.: RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten

Was also machen mit der ganzen Materialfügearchaik? Die Geste der Skulptur, ihr Botschaft scheint klar. Doch die Schlussfolgerungen daraus – zum Beispiel den Bauschutt nicht mehr zu deponieren, sondern ihn vor Ort noch zu gebrauchen – sind nur im theoretischen Diskurs brauchbar, für die Baupraxis eignet sich die künstlerische Arbeit dann doch nicht. Und: Stünde sie nun, also der wie aus dem Boden geborgene, archäologische Fund, auf der Pyramidenspitze ganz oben und damit auch von Weitem aus sichtbar, dann wäre die Geste ein Statement. So bleibt sie ein freigelegter Schatz, den ein Archäologe präparierte aber aus Respekt vor dem Fundort nicht bewegte. Doch allen ist ja klar: Das hier Zusammengesetzte hatte einen anderen Ort, viele Orte. Damit ist die Versenkung eine doppelt künstliche Verfremdung. Und zuletzt: Was ist mit dem Grubenaushub, dem Boden geschehen, wo liegt er, was könnte man mit ihm auf dem Gelände machen?

Abgesehen vom ästhetischen Wert der Skulptur und ihrem Angebot, über ein Thema zu meditieren, ist der gewollte Kontrapunkt zum allgemeinen, auch hier in der Nachbarschaft vorzufindende Bau-Mainstream gescheitert. Vielleicht auch gar nicht gewollt?! Wir fahren hin. Be. K.

„Conversio“ markiert den Wandel: Es erzählt die Geschichte der ehemals militärisch genutzten Flächen in Mannheim und steht sinnbildlich für die deutsche Kriegs- und Nachkriegsgeschichte.

Bevor die Pionier-Kaserne 1948 durch das amerikanische Militär genutzt wurde, agierte hier von 1938 bis 1945 die Wehrmacht. Heute ist das Gelände Teil des Grünzugs Nordost, der die Stadt auf einer Fläche von insgesamt rund 230 Hektar wie ein grünes Band durchzieht und Frischluftzirkulation möglich macht. Von April bis Oktober 2023 ist Spinelli eines von zwei Veranstaltungsgeländen der Bundesgarten Mannheim, die sich die Nachhaltigkeit als Leitthema auf die Fahnen geschrieben hat.

Philipp Morlock hat aus Elementen des Abbruchs und Rückbaus auf der Konversionsfläche eine sechs Meter große und breite Monumentalskulptur geschaffen und in eine Senke gebettet. Mit einem kleinen Kernteam von vier Mitarbeitenden hat er das Kunstwerk innerhalb von acht Wochen umgesetzt. „Die verwendeten Materialien stammen aus dem Rückbau der ehemaligen Kasernen, vor allem hier auf Spinelli“, erzählt der Wahl-Mannheimer. Kunst am Bau in einer originär Mannheimer Interpretation, wenn man so will. Im Zentrum der Skulptur befindet sich ein acht Meter langes Betonwaschbecken. „Das haben wir auf Spinelli in einem Gebäude im Keller gefunden. Wahrscheinlich wurden dort Stiefel gewaschen. Ich nehme an, dass es noch aus der Wehrmachtzeit stammt.“

Finanziert wird „Conversio“ vom Kulturamt der Stadt Mannheim und der BUGA 23. Das Kunstwerk wird als ökologisches und nachhaltiges Projekt auf Spinelli dauerhaft Bestand haben und ist ab 2024 im offenen Landschaftspark allen Mannheimer BürgerInnen frei zugänglich. Die Skulptur wird mit 33.000 Euro vom Kulturamt gefördert und mit 37.000 Euro von der BUGA 23. Darüber hinaus trägt die BUGA 23 die Kosten für die Realisierung der Senke in der Gesamtanlage mit Erd-, Unter- und Oberbau sowie Baukonstruktionen und Vegetationsflächen in Höhe von 280.000 Euro aus den Mitteln für den Grünzug Nordost.

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