Meeresmuseum Stralsund : Sanierung und Erweiterung im historischen Kontext
06.10.2025 |Ende September kam sogar Angela Merkel zur Eröffnung, Kaiserwetter für die Ex-Kanzlerin und hunderte Gäste und Neugierige am Katharinenkloster. Ansprache, Festreden, Grußworte, dann wurden – symbolisch – die Tore geöffnet für alle, das Deutsche Meeresmuseum in einem kostenlosen Rundgang noch einmal oder ganz zuerst zu erkunden.
Hinter der Mauer: Kupferdach. Hier steht etwas Neues im Bestand
Foto: Benedikt Kraft
Offen war das Museum im Herzen Stralsunds schon länger, nur noch nicht so richtig und ganz fertig in allen Räumen, allen Vitrinen, allen Aquarien. Denn obwohl letztere fast alle vorher schon im Haus waren, stehen sie nun an neuer Stelle, mit neuen Becken in einem neuen Rundgang. Und sicherlich zentral: ein neues Großaquarium hinter einer knapp 100 m² großen Acrylglasscheibe. Die sich spektakulär in einen dreigeschossigen Zuschauerraum neigt.
Den 2017 europaweit ausgelobten Architektenwettbewerb zur Modernisierung und Ergänzung des Ensembels in und um das ehemalige Dominikanerkloster St. Katharinen im Herbst 2017 gewannen die Stuttgarter Reichel Schlaier Architekten mit einem komplex einfachen Entwurf, der damals – und heute – durch den konsequent rücksichts-, respektvollen Umgang mit der historischen Bausubstanz auszeichnete. Wesentliche Arbeiten waren die technische Ertüchtigung des Bestand im Katharinenkloster mit Kirche und Nebengebäude, der Schaffung des schon genannten Großaquariums auf dem engen Grundstück, die Erneuerung der Aquarienlandschaft insgesamt sowie die Erneuerung des Rundgangs, der nicht nur barrierearam sondern auch zweckmäßig sein sollte. Eine Herkulesarbeit, wenn man bedenkt, dass das Museumsenssemble über mehr als 70 Jahre zu dem gewachsen ist, was es heute ist … beziehungsweise, was es vor den Arbeiten von Reichel Schlaier Architekten war.
Blick in den Werkshof hinter der Mauer, Blick auf die Kupferverkleidung des Schildkrötenhauses
Foto: Benedikt Kraft
Schildkrötenhaus, hier mit geöffneter Wand und Kupferkleid
Foto: Benedikt Kraft
Übergang vom Bestand zum Großaquarium, komplett in Kupfer gekleidet. Rechts davon die Direktion im Altbau
Foto: Benedikt Kraft
Aussenwand des kupferverkleideten Großaquarium auf Grundstücksgrenze
Foto: Benedikt Kraft
Die widmeten sich dem denkmalgeschützten Bestand im Unesco-Welterbe-Kontext mit der nötigen wie auch nicht immer selbstverständlichen Zurückhaltung, sodass sich mancher fragen wird: Was haben die hier eigentlich gemacht?! Dezente Änderungen an der eingestellten Mero-ähnlichen Konstruktion aus DDR-Zeiten, hier wurden Flächen verkleinert und damit der Kirchenraum wieder geöffnet. Die Drahtverglasung der Geländerbrüstungen wurde gegen ESG getauscht, sodass nun die Struktur der filigranen Stützenkonstruktion der Kirche wieder sichtbar ist. Dort, wo das nicht nötig war, blieb das Drahtglas erhalten.Die Deckenkonstruktion, das mero-ähnliche Raumfachwerk aus Stahl, wurde dort dezent verstärkt, wo man ganze Teile entfernte, zu den Rändern gibt es nun neue Geländer mit dem schon genannten Klarglas und neuen Geländerstützen, deren Neuheit aber kaum erkennbar ist.
Ehemals Turnhalle, nun Haupteingang und Foyer
Foto: Benedikt Kraft
Blick vom Foyer in den überdachten Westhof, zentraler Verteiler für Ankommen und Gehen
Foto: Benedikt Kraft
Überdachter Westhof, links der Shop, nach rechts geht es in den Kirchenraum und die Ausstellung
Foto: Benedikt Kraft
Beinahe offener Chor, Blickrichtung Kirchenschiff mit den leicht modifizierten Einbauten
Foto: Benedikt Kraft
Mero-ähnliches Raumtragwerk aus DDR-Zeiten im Kirchenschiff
Foto: Benedikt Kraft
Fußböden wurden erneuert, Zwischenwände herausgenommen, ein dezentes Leitsystem eingeführt. Der Museumseingang wurde in einen Anbau, eine ehemalige Turnhalle verlegt, von hier aus geht es in den ehemaligen Westhof, der nun, elegant und sinnfällig neoneogotisch überdacht, zum Treffenpunkt, Verteilerzone, zum Ort des Ankommens und Abschiednehmens geworden ist.Vom Westhof geht es über zwei Ausstellungsebene im Kirchenschiff durch die anliegenden Altbauten schließlich über eine verglaste Brücke in den Neubau mit Großaquarium und zahlreichen weiteren Aquarien unter dem großen Hof zwischen Kirche und Randbebauung, in welcher die Verwaltung untergebracht ist. Über zwei Ebenen, die jeweils großartige Blicke auf die Wasserlandschaft mit ihren Lebewesen ermöglichen, geht es zum Fußpunkt der gigantischen Acrylglasscheibe, die aus drei Teilen gefertigt (vertikal verklebt) knappe 100 m² misst und gut 52 cm dick ist. Der Weg führt dann an den zahlreichen, sehr unterschiedlich bestückten Aquarien vorbei, zu Beginn noch im gotischen Kreuzgewölbekeller, dann im zeitgenössischen Betonbau. Er endet im sogenannten Schildkrötenhaus, zu welchem man über eine Bestandstreppe hinaufsteigt und von hier aus wiederum in den Westhof zu gelangen. Allerdings ist das Schildkrötenhaus ebenfalls eine bauliche Attraktion mit seiner offenen Stahlkonstruktion, auf welcher eine Betonplatte liegt. Darüber Büros des Museums. Der große Raum des bis ins Untergeschoss reichende Aquariums ist an zwei Seiten geöffnet worden, von außen sind diese Öffnungen mit Kupferblechen verkleidet.
Im Großaquarium (Scheibe im Rücken) warten insgesamt 3 Ebenen auf die Besucherinnen, die von unterschiedlichen Ebenen aus auf die Beckenlandschaft schauen können
Foto: Benedikt Kraft
Großaquarium, hinten geht der Rundweg weiter, der von oben kommt
Foto: Benedikt Kraft
Schildkrötenhaus
Foto: Benedikt Kraft
Überhaupt wurden alle größeren Änderungen, seien es die Neubauten, seien es die Aufbauten oder Wanddurchbrüche, mit Kupferverkleidung sichtbar gemacht, derart, dass sie immer schon so gewesen wären. Das feine vertikale Muster der handwerklich gefertigten Leistendeckung spielt an die gotischen Ursprünge des Ensemble-Kerns an sowie an die Dachdeckungen der umliegenden Backsteinkirchen.Wir haben uns das Bauen im Bestand-Projekt vor Ort mit den Architekten angeschaut und sind immer noch überzeugt, hier eine Referenz zum Thema Bauen im Bestand gefunden zu haben. Weshalb wir das Projekt ausführlich in der DBZ 11 2025 Bauen im Bestand vorstellen.