Hinrich Baller (1936-2025)

Hinrich Baller

Am 23. Juli 2025 verstarb der Architekt 89-jährig in Berlin

Wer 89 Jahre alt geworden ist, kann nicht nur auf ein langes Leben zurückschauen, er oder sie steht auch auf Abruf. So ist es dann auch nicht überraschend zu lesen, dass uns der Architekt und Lehrer, Hinrich Baller für immer verlassen hat, er verstarb am 23. Juli in Berlin. Was er uns hinterlässt?! Eine Menge Forschungsarbeit, einige Querelen um seine Bauten und Bauschäden, ein wunderbares, glücklicherweise "rechtzeitig" noch erschienes Buch und Erinnerungen an einen ganz besonderen Menschen. Den kennenzulernen er allen leicht gemacht hat, die es wirklich wollten. Ein kleiner Nachruf.

2023 erhielten er und seine ehemalige Frau in Köln den Großen BDA Preis: Inken und Hinrich Baller, kurz: die Ballers. Das Architektenpaar war schon zu Lebzeiten eine Legende oder sagen wir: höchst umstritten. Geliebt von den jungen, reserviert angeschaut von den alten arbeiteten beide an großen und großartigen Projekten im Wohnungs- und Schulbau, das meiste steht in Berlin. Immer noch steht es dort und manches scheint auf Denkmalschutz zu warten oder den Abriss.

Hinrich Baller 2023
Foto: Benedikt Kraft

Hinrich Baller 2023
Foto: Benedikt Kraft

Denn einfach das bauen, was baubar wäre, so einfach haben es die beiden uns nicht gemacht, ihr Anspruch an Raum und Fläche, an Aus- und Einblick, an Erschließung und Dekor war ein anderer, als er in den 1970er- bis 1990er-Jahren in Deutschland gepflegt wurde. "Zwischen Gaudí und Hundertwasser" hat die beiden die Berliner Presse eingeordnet, was Quatsch ist und zugleich ...

Dass er, der nun verstorbene Hinrich Baller eine "Legende", hat er abgelehnt in dem Gespräch, dass ich 2016 mit ihm in seiner Dachwohnung haben machen können, "Legende" habe für ihn "zuviel von Vergangenheit, Abschluss". Tatsächlich war der Architekt auch mit 80 noch in vielen Initiativen aktiv, immer noch "fühle [ich] mich [...] stark verbunden mit den Menschen hier in dieser Stadt. So saß ich in fünf oder sechs Bürgerinitiativen, in denen es um städtischen Raum und Architektur geht. Für mich ist das ein Zeichen von Verankerung in der, sagen wir mal, Berliner Szene."

Hinrich Baller am Stutzflügel
Foto: Benedikt Kraft

Hinrich Baller am Stutzflügel
Foto: Benedikt Kraft

Wäre also "Szene-Architekt" die bessere Bezeichnung? Sein Auftreten war immer schon gegen alle Konventionen, 20 Semester studierte er an der TU Berlin, allerdings auch zwei Fächer: Musik und Architektur. Mit seiner Frau, Inken Baller, plante und realisierte er ein umfangreiches Werk, das bis heute Bewunderer wie Verächter kennt, neutral kann man diesen Bauten wohl nicht gegenüberstehen.

Und neutral war Hinrich Baller in keiner Sekunde, seine Sicht auf die (politische Welt) war von klaren Vorurteilen geprägt. Bis zuletzt beklagt er die Auftragsvergabe in der "Ära Stimmann", in welcher Architekten bevorzugt wurde und andere ewig außen vor blieben: "Wir auch, aber dennoch haben wir unsere Spuren hier in der Stadt hinterlassen", so Hinrich Baller im Gespräch. Was aus seiner Sicht natürlich zu wenig wäre, ich könne fragen wen ich wollte: "alle haben das, was wir gemacht haben, in ihr Herz aufgenommen." Um gleich anzufügen: "Und das kommt ja nicht zufällig, da steht richtig Arbeit dahinter."

Was Hinrich Baller vor neun Jahren sehr richtig erkannte: "Ich habe eher das Gefühl – so komisch das klingen mag – dass wir stark im Kommen sind. Die neue Romantik, die überhaupt gar nichts mit unserer Architektur zu tun hat – der das aber immer unterstellt wird – die ist in der ganzen Kulturszene zu spüren. Dieser Weg nach innen, der Rückzug an heile Orte. Wir haben das immer schon gemacht: nach dem glücklich Machenden suchen." Ja, das lässt sich finden in der Architektur der Ballers, eine Wohnung wird man kaum dort bekommen, zu beliebt sind die Adressen, sind die Zimmer, die kleinen Raumlandschaften als Gegenwelt zur Ödnis des günstigen wie teuren Wohnungsbaus.

Turn­halle der Schlesien-Oberschule an der Schlossstraße in Charlottenburg (2000)
Foto: Benedikt Kraft

Turn­halle der Schlesien-Oberschule an der Schlossstraße in Charlottenburg (2000)
Foto: Benedikt Kraft

Und als wir irgendwie alles über das Bauen und die Kieze besprochen hatten, bat er mich noch um fünf Minuten Zeit, setzte sich an den Stutzflügel und spielte Bach und zeigte damit Können und Klangbilder, die mit seinem Bauen vielleicht verbunden sind. Vielleicht aber auch einfach nur wunderbar anzuhören.

Auf meine Frage, was er den jungen Architekten mit auf den Weg geben wollte, kommt Grundsätzliches: "Ein Trost zunächst mit einem Wort von Taut „dass den Beruf zu lernen 20 Jahre dauert.“ Ich habe auch nicht bewiesen, dass es schneller geht. Wichtig ist mir, dass sich die Jungen sehr selbstkritisch prüfen. Bisher gab es immer Architekten, die ganz genau wussten, was möglich ist und was nicht. Vielleicht ist das in den nächsten zwanzig Jahren kreativen Kistenstapelns anders und es kommt keine wesentliche Architektur mehr. Oder wieder erst nach 50 Jahren mit der Tiefe, die in der Malerei oder der Musik ebenfalls immer wieder zu finden ist. Sonst ist das, was wir machen, einfach nur kurzatmig, kurzlebig."

Im Gespräch mit Hinrich Baller zum 80. Geburtstag

Buchrezension "Visiting: Inken Baller & Hinrich Baller". Bei Walther u. Franz König, Köln 2022