Frank Owen Gehry (1929-2025)
Der Architekt und Designer, Autor und Bildner und preisüberhäufte Frank Gehry verstarb am 5. Dezember 2025 mit 96 Jahren in Santa Monica 08.12.2025 |Was wissen wir eigentlich über Frank O. Gehry? Irgendwie und gefühlt: alles! Ein Dekonstruktivist soll er gewesen sein, jüdischer Abstammung, aus Europa die Eltern nach Kanada zugereist, Goldberg hieß er als Kind. Studierte an der privaten Hochschule "University of Southern California" in Los Angeles Architektur, Konrad Wachsmann erlebte er hier nicht mehr. Bücher gibt es massenhaft über ihn und sein Werk, allerdings fehlt bis heute eine Werkmonografie, die mehr wäre als eine Bilder-/Textesammlung. Womit sich der u.a. Pritzkerpreis-Träger Gehry aber in die Architektur- und möglicherweise die Kulturgeschichte insgesamt eingeschrieben hat, ist der "Bilbao-Effekt". Kennen Sie. Aber waren Sie schon mal dort? Am Nervión? Ende der 1990er-Jahre sollen Gehry und der am Ende gescheiterte Guggenheimkunstglobalisierer Thomas Krens (damals Direktor der Guggenheim Foundation) an dem damals noch stinkenden Fluss gejoggt haben, und Krenz hat das gemacht, was er machen musste: einen kunstaffinen Architekten für einen Auftrag gewinnen. Wohl erst da startet Frank O. Gehrys Prominenz in der internationalen Architekturwelt.
Frank O. Gehry (2004)
Foto: Benedikt Kraft
Dass der am 28. Februar 1929 in Toronto/Kanada geborene Ephraim Owen Goldberg, Kind von Irving und Elma Caplan Goldberg, später einmal Architekt werden sollte, war nicht sofort klar. Zwar soll der Junge schon in frühen Jahren viel gebastelt, gebaut und sonstwie Architektur nachgebildet haben, doch erstens sind solche Details Teil der üblichen Legende und zweitens: Welcher spätere Chemienobelpreisträger hat als Kind nicht mit Bauklötzen gebaut!
Museum Marta, Herford
Foto: Benedikt Kraft
Gehry in Bad Oeynhausen
Foto: Benedikt Kraft
Fakt ist, Frank Goldberg zog 1947 nach Los Angeles, um hier Kunst zu studieren. Nicht Malerei wollte er studieren, skulpturales Arbeiten war sein Wunsch, folgerichtig war sein Mentor Glen Lukens Professor für Keramik. Der allerdings riet ihm früh, seinen Formendrang im Architekturstudium auszubilden und empfahl ihn bei Raphael Soriano (1904-1988), der ihn in seine Klasse aufnahm. Nach nicht einmal einem Jahr bei Soriano wurde Goldberg an der University of Southern California (USC) in Los Angeles aufgenommen, wo er bis 1954 Architektur studierte. In dieser Zeit änderte der Frank Goldberg seinen Nachnamen in Gehry.
Gehry-Tower, Hannover
Foto: Benedikt Kraft
Zollhafen, Düsseldorf
Foto: Benedikt Kraft
Nach dem Abschluss an der USC und kleineren Arbeiten bei Victor Gruen, ging er, ermutigt von Städteplaner Gruen, für ein Zweitstudium "Stadtplanung" an die Harvard Graduate School of Design nach Boston. Hier hatte der Architekt engen Kontakt zu den Bostoner Büros von Hideo Sasaki und Perry, Shaw, Hepburn und Dean. Nachdem er in diesem Kontext als Projektleiter auch größere Projekte betreute, dafür aber nicht die Anerkennung erhielt, die er erwarten konnte, zog er mit seiner Familie nach Paris. Die wenigen Jahre in Europa nutzte er u.a. für Reisen zu Bauten seiner Vorbilder unter denen er immer Le Corbusier an erster Stelle nannte. 1962 kehrte er zurück nach Los Angeles und gründete hier sein Architektur- und Planungsbüro "Gehry Partners, LLP", das bis heute besteht.
Vitra-Design-Museum, Weil am Rhein
Foto: Benedikt Kraft
"Ginger and Fred", Tanzendes Haus (Tančící dům) in Prag (mit Vlado Milunić)
Foto: Benedikt Kraft
Im gleichen Jahr startet er auch seine Professorentätigkeit, die erst 2016 endete. Die Professuren/Gastprofessuren hatte er u. a. inne an seiner Hochschule, der USC, an der Harvard University/Harvard Graduate School of Design (Gastprofessur) in Cambridge, an der Yale School of Architecture in New Haven, der Columbia University/Graduate School of Architecture, Planning and Preservation in New York City und zuletzt der University of California/UCLA School of Architecture and Urban Planning in LA.
Guggenheim, Bilbao
Foto: Benedikt Kraft
Guggenheim, Bilbao
Foto: Benedikt Kraft
Frank Gehrys goldener Turm am Alex hat dem Investor Hines bisher noch kein Glück gebracht
Fotomontage: Benedikt Kraft / DBZ / Gehry Partners
Seine Bauten stehen nicht überall in der Welt, viele tatsächlich in Deutschland, die meisten aber in Kalifornien und den USA, einige in Frankreich, der Schweiz, Spanien. Seine, mit Blick auf die gerade gestartete internationale Karriere frühe Auszeichnung durch den Pritzkerpreis 1989 (und der Ehrenmitgliedschaft des Bundes Deutscher Architekten BDA im gleichen Jahr) bedeutete den endgültigen Durchbruch für ein Bauen in allen Maßstäben. Als herausragende Projekte sind noch zu nennen: 1994 das Vitra-Design-Museum in Weil a. Rhein, 1996 das Tanzende Haus (Tančící dům) in Prag (mit Vlado Milunić), 1999–2003 die Walt Disney Concert Hall in Los Angeles, 2001–2005 das Museum Marta in Herford, 2001 die DZ Bank in Berlin, 2003 das Richard B. Fisher Center for the Performing Arts, Bard College, 2006–2011 8 Spruce Street, ein Wolkenkratzer in New York, 2008–2011 das New World Center (Konzerthalle) in Miami Beach, 2014 das Museo de la Biodiversidad oder BioMuseo, Panama-Stadt, 2014 die Fondation Louis Vuitton, Paris, oder 2014–2017 der Pierre-Boulez-Saal der Barenboim-Said-Akademie in Berlin. Zur Zeit immer noch in Planung und mit Fragezeichen bzgl. ihrer Realisierungschancen sind die Guggenheim-Museen in New York City und in Abu Dhabi sowie, schon wieder Deutschland, der Entwurf für das Hines-Hochhaus auf dem Alexanderplatz in Berlin.
8 Spruce Street, Manhattan, New York
Foto: Benedikt Kraft
8 Spruce Street, Manhattan, New York
Foto: Benedikt Kraft
Dass der Dekonstruktivist, der mit Daniel Libeskind, Rem Koolhaas, Peter Eisenman, Zaha Hadid, Coop Himmelb(l)au und Bernard Tschumi den Kern dieser am Ende auch sehr heterogenen Gruppe bildet, am Ende vielleicht auch ein Bastler, ein Bricoleur war, der nicht davor zurückschreckte, die Glätte und das Kühle (Kalkül?) der Moderne durch einfach montierte, einfache (Industrie)Produkte zu brechen, ist noch nicht ausreichend untersucht. Dass sein Wohnhaus in Santa Monica, ein von ihm umgeformter, überformter Bestandsbau aus den 1920er-Jahren, als erste dekonstruktivistische Architektur gilt, dem hat Frank Gehry nie wiedersprochen. Ob er die Schublade aber geliebt hat? Der als "Star-Architekt" gelabelte Ausnahmearchitekt konnte auch schon mal den Mittelfinger zeigen, wenn man ihm Spektakelabsichten unterstellte. Er konnte aber auch über sich selbst lachen, wenn er, absichtsvoll absichtslos, Bescheidenheit simulierte, um den Gehry-Mythos zu Lebzeichen zu übertünchen.
Neben dem Bilbao-Effekt bleiben seine Bauten. Ein paar davon haben es sicherlich für ewig in die Architekturgeschichte geschafft. Also in unsere Geschichte, die westliche. Ob ein Guggenheim in Abu Dhabi diesen Geschichtskreis erweitert? Wohl eher nicht, der Architekt und Designer kann nicht mehr dafür sprechen oder dagegen, die Bauten, die noch kommen, bleiben unkommentiert. Ob wir - wie bei der Dekonstruktivistin Zaha Hadid - noch Jahre später echte "Gehrys" erleben? Sitzen kann man noch drauf und den Gehry hautnah und vielleicht sehr im Innersten erleben auf diesen wunderbar einfach komplizierten Pappmöbel der Serie „Easy Edges“ (u. a. bei Vitra).
