Klimakiller Museumsneubau?

Die Debatte um das Museum des 20. Jahrhunderts auf dem Kulturforum in Berlin erhitzt nicht nur die Gemüter

Klimakiller? Millionengrab, das sich im Kostenrahmen gewegt? Oder doch nur ein Museum mehr in Berlin, auf dessen Visuals zurzeit die Augenpaare derjenigen gerichtet sind, die Widersprüchliches, Skandalöses oder die Architekturwelt Bewegendes entdecken (möchten)?  Schnellpubliziertes sorgt für Aufgeregtheit, Pressekonferenzen desgleichen. Hätte man das ahnen können?

2014 gab es in Berlin die Entscheidung, man wolle, ja man müsse ein neues Museum haben, eines, das die internationale Kunst des 20., des 21. Jahrhunderts versammelt. Zwischen der Nationalgalerie von Mies van der Rohe und der Philharmonie von Scharoun, auf dem Flecken Erde, wo Scharoun einmal ein Gästehaus am Kulturforum plante sollte der Neubau schließlich stehen, 2016 gab es den Realisierungswettbewerb. Den gewann das Büro Herzog & de Meuron; die mit der Elbphilharmonie bereits ein Kulturprojekt gestemmt hatten, das für Wallungen auf Architektur-, Kultur- und BürgerInnenseite gesorgt hatte. Mit Happy-End, knappe 900 Mio. € später. Für das neue „Museum für die Kunst des 20. Jahrhunderts“ stellte ein Bundestagsentschluss 200 Mio. € bereit und man ahnte gleich, dass das nicht reichen würde. Denn erstens soll in dem gerne als „Scheune“ geschähmten Museumsprojekt ab 2026 Kunst gezeigt werden, teure Kunst. Und dann kommt der Entwurf aus einem Büro, das für kostengünstiges Bauen nicht beauftragt werden kann. Aber muss es das können?

Es gab Umplanungen, die allerdings eher das Städtebauliche und die Gestaltung der Hülle betrafen als eine Fokussierung auf das für 200 Mio. € Machbare. Es gab weniger Fläche, mehr Abstand (zur benachbarten St.-Matthäus-Kirche), die Fassade wurde geöffnet, die Transluzenz insgesamt reduziert. Und dann kamen neue Zahlen: Es wird teurer. 360 Mio. €, der Bundestag nickte ab und Jacques Herzog sprach den Satz mit den „krassen Räumen". Da war wohl schon klar, dass der Museumsbau derart von Haustechnik durchdrungen ist, dass die Kostenverdopplung (Stand jetzt) nur der Anfang sein kann. „Krasse Räume“ meint wohl auch, dass die Planung von einem Klimakonzept ausgeht, das von der Anlieferung über die großen Hallen bis in die Kabinette hinein ein fast einheitliches Klima inklusive Sicherung der millionenschweren Sammlung garantiert; von den Auflagen seitens der Versicherer bei Leihgaben einmal ganz zu schweigen. Der Energieaufwand für die Klimatisierung ist derart, dass nun ganz aktuell der Bundesrechnungshof mahnt, der Neubau könne im Betrieb unnötig viele Millionen € Betriebskosten verschlingen.

Und weil wir gerade in im Hinblick auf Klimafragen höchst sensiblen Zeiten leben schließt sich eine weitere Kritik an, und die kommt doch tatsächlich von Bauherrenvertreterseite, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Das Museum des 20. Jahrhunderts sei „ein Klimakiller", so der Konservator Stefan Simon. Der leitet das Rathgen-Forschungslabor, mit dem er länger schon Konzepte für „grüne Museen" vorantreibt. Das Museumsprojekt der Basler sei, als ein mit öffentlichen Mitteln finanzierter Bau und darum von besonderer Vorbildfunktion, mit Blick auf seine Energieeffizienz weit vom EU-Ziel der Klimaneutralität entfernt. Simon ist der Entwurf „aus bauphysikalischer Sicht ein Albtraum“, er habe ausgerechnet, dass dieses Museum des 20. Jahrhunderts pro m²/a rund 450 kWh verbrauchen könnte. Mittlerweile sei man zwar bei rund 260 kWh angekommen, doch das sei immer noch das Doppelte dessen, was das Alte Museum von Schinkel verbrauche, ein – allerdings saniertes – Gebäude aus dem 19. Jahrhundert.

Ob dieser Vergleich hinkt? Ganz sicher. Berlin möchte eine Elbphilharmonie und nicht einen Schinkel, denn der ist unmöglich. Wesentlich in der ganzen Diskussion ist abschließend auch die Frage nach dem Wert der Kunst, die gezeigt wird und deren Marktwert die Aufwände definiert. Sicherheit, Klima, Beleuchtung, Bewachung, das alles sind Kosten, die einen erklecklichen Teil des Baubudgets für ein Museum der Gegenwartskunst konzentrieren. Vergessen sollte man in diesem Zusammenhang auch nicht die großen Aufwendungen für Transport, Verpackung und Lagerung der reisenden Kunst, ein Faktor, der zukünftig in CO2-Berechnungen für solche großen Häuser einzukalkulieren ist.

Die Architekten wehren sich, man könne Architektur nicht diese Verantwortung derart apodiktisch aufbührden; Solarzellen auf dem Dach, so der Projektarchitekt, Ascan Mergenthaler, hätten sich einfach nicht rentiert, schnell geht man die größeren Projekte von HdM im Geiste durch und findet keines mit PV auf dem Dach. Aber wahrscheinlich werden wir 2026 alle Kostenexplosionen und Klimakritik vergessen haben, wenn wir staunend andachtsvoll die Kunst bestaunen, die möglicherweise alle diese Dilemmata kunstvoll artikuliert. Be. K.

www.herzogdemeuron.com, www.nationalgalerie20.de

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