Alessandro Mendini (1931–2019)

Der Architekt und Designer starb am 18. Februar 87-jährig in Mailand

Man mag zu seinem Entwürfen stehen wie man will – von Ablehnung eines schrillen Kitsches bis hinzu begeistertem Applaus für ein rücksichtsloses wie zugleich hintersinniges "Form follows emotion" reicht das Spektrum in der Mendini-Rezeption –: Der Mann aus Mailand wird uns fehlen!

Geboren am 16. August 1931 in Mailand studierte Alessandro Mendini Architektur am Polytechnikum Mailand wo der 1959 sein Diplom machte. In den 1970er-Jahren war er einer der Köpfe des „Radical Design“, was ihn unweigerlich mit Ettore Sottsass und Michele De Lucchi zusammenbrachte. Gab es zu dieser Zeit in Italien überhaupt noch andere große Namen?! Sinniger Weise nannten die drei ihr Studio "Alchimia", womit sie auf Stofflichkeit aber natürlich auch auf die Wandelbarkeit der stofflichen Welt rekurrierten.

Mendini war Mitbegründer der ersten postgradualen Design-Schule Domus Academy in Mailand, Ende der 1980er-Jahre gründete er zusammen mit seinem Bruder Francesco (* 1939) das Studio Mendini. Ergänzend zu seiner Lehrtätigkeit war Mendini auch Chefredakteur der Casabella, der Modo sowie 13 Jahre lang Herausgeber von Domus, der international vielleicht einflussreichsten Architekturzeitschrift bis heute.

Zu seinen Designarbeiten zählen neben zahllreichen Entwürfen für Alessi, darunter Korkenzieher, eine Moka oder auch eine Besteckserie, auch Entwürfe für die Möbelindustrie. Hier muss man ganz vorne den Poltona di Proust (1978) nennen, der ganz aus dem Gedanken des re-Designs entstanden war, wie auch die Übersetzung von Marcel Breuers Wassily-Sessels, das Kandinsky Sofa und auch vor dem klassischen Thonet-Bistro-Stuhl schreckte er nicht zurück, ein Klassiker, der in seiner Reduktion auf das Wesentliche eigentlich als nicht mehr zu bearbeiten gilt.

Zu seinen gebauten Werken muss man das Kunstmuseum in Groningen/NL zählen, das Mendini in den 1980er-Jahren zusammen mit den Dekonstruktivisten aus Wien, Coop Himmelb(l)au realisierte und das bis heute als Meilenstein postmoderner Architektur gilt. In Kooperation mit Yumiko Kabayashi stellte er 1989 den wirklich sehr stofflich konzipierten "Paradise Tower" in Hiroshima fertig. In Deutschland hat der einen der neun „Busstopps“ in Hannover realisiert (die gelb-schwarze Mendini-Halte­stelle am Steintor) wie ganz in der Nähe das Madsack Medienzentrum (2007).

Mendini, der nur die Deutschen für zu sehr schwarz und weiß und zu wenig bunt einschätze aber ziemlich gut deutsch sprach, der, obschon er die vielleicht schönsten Korkenzieher erworfen hat, seit langem nur Wasser und vielleicht mal einen Tee trinkt, sagte in einem seiner letzten Interviews in der WELT: "Es gibt heute andere Methoden, um zu entwerfen: Internet, Computer, man zeichnet nicht mehr mit dem Bleistift. Ich immer! Und es gibt eine Krise der Industrie, der Hersteller. Der Markt hat sich komplett verändert. Deswegen haben viele junge Designer angefangen, selbst zu produzieren. Diese Designer sind nicht mehr nur Gestalter, sie sind Maker. Und ein Maker ist ein Radikaler. Das ist eine neue Richtung, die sehr interessant werden kann. Denn Sie können selbst ein Objekt auf den Markt bringen, ganz ohne einen Hersteller, entweder allein mit den Händen hergestellt oder mit dem 3-D-Drucker."

Und viele dieser Dinge werden in die Museen gelangen, in die großen internationalen Sammlungen und dort ganz sicher neben den feinen Arbeiten Mendinis stehen dürfen. Be. K.

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