Ausstellung im Marta, Herford

Auszüge. Die Sammlung Wemhöner

Ausstellung „Other People Think – Eine Auswahl aus der Sammlung Wemhöner“ bis 24.8.2025 in Herford

Vielleicht ist der winzige Ausschnitt aus der Wemhöner-Sammlung deshalb so beeindruckend, weil der Sammler Heiner Wemhöner kein Kunstsammler im allgemeinverstandenen Sinne ist. Eher das, was man mit Amateur meint, wenn man nicht Liebhaber schreiben will. Damit sind die durchaus sehr unterschiedlichen Künstlerinnenpositionen, die aktuell im ostwestfälischen Marta in Herford gezeigt werden, so frisch und zunächst einmal sehr unakademisch direkt zugänglich.

Herford liegt definitiv im Abseits der Kunstwahrnehmung, auch ein Frank Gehry kann das nicht retten. Sein Museumsbau in der ostwestfälischen Stadt, dessen Gründungsdirektor der umtriebige wie viel zu früh verstorbene Jan Hoet war, ist nicht Magnet genug, Menschenmengen aus Berlin, Hamburg oder Köln zu locken, vom weit entfernten München ganz zu schweigen.

Marta, Herford
Foto: Benedikt Kraft

Marta, Herford
Foto: Benedikt Kraft

Dabei macht das Museum, das immer noch dem Ruch unterliegt, verlängerter Arm der heimischen Möbelindustrie zu sein, eine herausragende Arbeit, die sich auch im internationalen Vergleich sehen lassen kann. Und - soviel jedenfalls haben die Direktoren von damals bis heute immer wieder versichert - sie entsteht völlig unabhängig davon, was ihre Gesellschafter vielleicht wünschen.

Alfredo Jarr, "Cultura=Capital", Eingang zum Rundgang
Foto: Benedikt Kraft

Alfredo Jarr, "Cultura=Capital", Eingang zum Rundgang
Foto: Benedikt Kraft
Monica Bonvicini "Time of My Life"
Foto: Benedikt Kraft
Monica Bonvicini "Time of My Life"
Foto: Benedikt Kraft

Nun hat die gGmbH Marta mit Gesellschaftern wie der Hettich Holding, der NOBILIA-Werke, der Poggenpohl Manufacturing, dem Verband der Holzindustrie u. Kunststoffverarbeitung Westfalen-Lippe e.V., der Wemhöner Surface Technologies GmbH & Co. KG oder auch der Herforder Brauerei GmbH & Co. KG schon einige Schwergewichte heimischer Industrie mit an Bord, Hauptgesellschafter aber ist die Stadt Herford mit knapp 90 Prozent. So hat dementsprechend den Vorsitz der Gesellschafterversammlung der Bürgermeister Herfords inne, sein Stellvertreter ist Heiner Wemhöner (der zudem Vorstandsvorsitzender der Marta Freunde & Förderer e.V. ist).

Monica Bonvicini "Time of My Life" e. a.
Foto: Benedikt Kraft

Monica Bonvicini "Time of My Life" e. a.
Foto: Benedikt Kraft

Ausstellungsansicht
Foto: Benedikt Kraft

Ausstellungsansicht
Foto: Benedikt Kraft

Videoarbeit e. a.
Foto: Benedikt Kraft

Videoarbeit e. a.
Foto: Benedikt Kraft

Der Unternehmer mit Werken auch in China besitzt nun die schon genannte Sammlung von rund 1700 Arbeiten aus dem 21. Jahrhundert, also aktuelle Kunst. Malerei, Zeichnungen, Montagen, Fotografie, Druckwerke, Plastik und Video ... eigentlich alles, was ihm gefällt. Und was, so der Sammler immer wieder, nicht ein Spekulations-, keine Investprojekt ist, sondern eben Liebhaberei. Die, angesichts der versammelten Künstlernamen, eine durchaus kostspielige Sache ist.

Isaak Julien, "Once Again Statues Never Die", Ausstellungsansicht
Foto: Benedikt Kraft

Isaak Julien, "Once Again Statues Never Die", Ausstellungsansicht
Foto: Benedikt Kraft

Isaak Julien, "Once Again Statues Never Die", Ausstellungsansicht
Foto: Benedikt Kraft

Isaak Julien, "Once Again Statues Never Die", Ausstellungsansicht
Foto: Benedikt Kraft

Isaak Julien, "Once Again Statues Never Die", Ausstellungsansicht
Foto: Benedikt Kraft

Isaak Julien, "Once Again Statues Never Die", Ausstellungsansicht
Foto: Benedikt Kraft

Daraus nun zeigt das Marta - eingeladen von der Marta-Direktorin Kathleen Rahn - 70 Arbeiten aus allen Sparten von 25 internationalen Künstlerinnen, darunter Marina Abramović & Ulay, Nevin Aladağ, Roberto Barni, Monica Bonvicini, Elmgreen & Dragset, Nan Goldin, Alfredo Jaar, Isaac Julien, Erik van Lieshout, Erwin Wurm oder Yue Minjun. Dass die Räume des immer auch anspruchsvoll zu gestaltenden Gehry-Baus sich dieser Art der eher freien Präsentation fast schon ideal anzubieten scheinen, kann jeder erleben, der den Weg nach Herford macht. Allein die Video-Arbeit von Isaak Julien: „Once Again… (Statues Never Die)“ von 2022, die im Herzen der Architektur von Frank Gehry als Fünfkanal-Installation gezeigt wird, ist die Reise wert. Ein disparierendes Kulturweltendenken offenbarender Dialog mit traumhaften Bildern und immersivem Sound (Alice Smith's Stimme und herself!); zurzeit gibt es wohl kein besseres (wirkungsvoller beeindruckendes?) Statement zur kulturellen (und ökonomischen) Ausbeutung bis heute immer noch so genannter "primitiver Kunst".

Yue Minjun, Romanticism and Realism"
Foto: Benedikt Kraft

Yue Minjun, Romanticism and Realism"
Foto: Benedikt Kraft

Ausstellungsansicht
Foto: Benedikt Kraft

Ausstellungsansicht
Foto: Benedikt Kraft

Dass wir uns alle unter Alfredo Jarrs Arbeit "Cultura=Capital" gleichsam beugen müssen, wenn wir den Ausstellungsgang beginnen, ist beinahe schon von ernsthaftester Ironie. Ja, die Kultur, das, was Menschen geschaffen haben, ist unser aller Kapital. Das, was wir in Herford staunend anschauen können, ist aber zuerst das Kapital eines Einzelnen, der sich mit Kunst vollsaugt, weil er sie liebt ... und hier in Herford nach dem Erwerb von vor Jahren selbst zum ersten Mal wiedersieht. "Cultura=Capitalism", auch das thematisiert der Film von Isaak Julien. Perfekter Zirkel!

Marta, Herford
Foto: Benedikt Kraft

Marta, Herford
Foto: Benedikt Kraft