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OLG Frankfurt, Urteil vom 15.06.2022 – 12 U 86/21

Eine Nachtragsvereinbarung genügt auch ohne körperliche Verbindung mit dem Ausgangsmietvertrag der Schriftform, wenn sie die Parteien bezeichnet, hinreichend deutlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nimmt, die geänderten Regelungen aufführt und erkennen lässt, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags verbleiben soll.


Der Sachverhalt:

Die Mietvertragsparteien streiten über das Fortbestehen des Gewerberaummietverhältnisses. Der beklagte (damalige) Vermieter kündigte das Mietverhältnis ordentlich unter Behauptung von Schriftformmängeln und veräußerte nach Beginn des Rechtsstreits das Grundstück. Der klagende Mieter verfolgte gegenüber dem beklagten Vermieter die Feststellung des Bestehens des Mietverhältnisses bis zum 31.10.2024. Es wurden schriftlich der Mietvertrag, eine Vereinbarung Außenanlage/Beleuchtung Parkplatz und Werbeanlagen vom 02.08./06.09.2004 sowie der Nachtrag 1 vom 03./05.11.2004, der Nachtrag Nr. 2 vom 10./15.02.2005 und die dritte Nachtragsvereinbarung vom 24.03.2006 geschlossen. Der Vermieter wendete als Schriftformverstoß unter anderem ein, dass die dritte Nachtragsvereinbarung de facto Nachtrag Nr. 4 sei und mangels Bezugnahme auf Nachtrag Nr. 1 und Nachtrag Nr. 2, insbesondere auch nicht auf die Vereinbarung zu den Außenanlagen/Beleuchtung, der Schriftform nicht genüge.

Die Entscheidung:

Die Berufung gegen die erfolgreiche Feststellungsklage wird vom Oberlandesgericht zurückgewiesen. Auch mit diesem Einwand könne der Vermieter nicht durchdringen. Der Mietvertrag mit seinen Nachträgen Nr. 1-3 verstoße nicht gegen das Schriftformerfordernis der §§ 578, 550 BGB. Eine Formunwirksamkeit des Mietvertrages, die nach § 578 Abs. 2 BGB i.V.m. § 550 BGB zur Unbefristetheit des Mietverhältnisses und zur früheren Kündigung führe, sei hier nicht gegeben. § 550 BGB bestimme, dass ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form abgeschlossen wurde, für unbestimmte Zeit gelte. Die Schriftform des § 550 BGB sei gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere über den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses, aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergebe. Bereits die Bezeichnung „3. Nachtragsvereinbarung“ zeige, dass es einen ersten und zweiten Nachtrag geben müsse. Zudem beziehe sich § 4 der dritten Nachtragsvereinbarung auf die beiden Nachträge und die Vereinbarung des Mietvertrags. Die Vereinbarung zu den Außenanlagen sei wiederum in den beiden ersten Nachträgen genannt. Aus der Einheit der Urkunde sei also leicht zu erkennen, dass es den ursprünglichen Mietvertrag und insgesamt vier nachträgliche Vereinbarungen gebe.

Praxishinweis:

Die Ausführungen des Gerichts überzeugen. Der Einhaltung der Schriftform eines Mietvertrags steht es nicht entgegen, wenn in einer nummerierten Nachtragsvereinbarung nur der Mietvertrag, nicht aber zuvor vereinbarte, ebenfalls nummerierte Nachträge im Einzelnen benannt sind. Die erforderliche Einheit der Urkunde in diesem Fall gleichwohl gewahrt. Aus der dritten Nachtragsvereinbarung ergibt sich sowohl nummerisch als auch inhaltlich, dass es zwei weitere Nachträge gibt. Aus diesen ergibt sich eindeutig, dass es die Vereinbarung zur Außenanlage/Werbeanlage gibt.

Werden schriftliche Vereinbarungen zu Mietverträgen geschlossen, empfiehlt es sich, diese als Nachträge zu bezeichnen und fortlaufend zu nummerieren. Das gilt auch dann, wenn es sich mal um an sich nicht formbedürftige Vereinbarungen handelt. Beispielsweise in der Präambel sollte zudem auch immer eine vollständige Aufzählung der bisher getroffenen schriftlichen Vereinbarungen aufgenommen werden. So lassen sich Fehlerquellen und damit auch rechtliche Streitigkeiten vermeiden.

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