Verleihung Deutscher Architekturpreis 2025
Die Versuchung ist groß, statt über die vom Deutschen Architekturpreis ausgezeichneten Bauten zu schreiben, ausführlicher über den Ort der Preisverleihung zu berichten, die am 18. September hoch oben im Kopfbau West des Flughafengebäudes Tempelhof stattfand. Dieser wurde vom Schweizer Büro :mlzd mit Liebe zum Detail zum Informations- und Veranstaltungsort umgebaut, 2023 eröffnet und bietet jetzt Büros sowie einen flexiblen Ausstellungs- und Veranstaltungsraum plus Dachterrasse als öffentliche Aussichtsplattform mit Rundblick auf die Berliner Skyline.
So spektakulär die Aussicht, so wunderbar ist das Treppenhaus geraten, dessen Nutzung den Besuchern der Preisverleihung insofern erschwert wurde, weil man gleich auf den Fahrstuhl und die beträchtliche Höhe der Treppenanlage hingewiesen wurde, sodass nur wenige sie trotzdem nahmen. Die meisten verpassten damit das, was hervorragend zur Einstimmung auf den später dann verliehenen Architekturpreis zielte. Denn in den Preisstatuten steht: „Die eingereich-ten Arbeiten werden beurteilt nach ihren baukulturellen Qualitäten bzw. ihrem Umgang mit Bestand sowie deren Nachhaltigkeit hinsichtlich ökologischer, ökonomischer und soziokultureller Aspekte.“ Womit zumindest dieser Teil der Bestandsarbeit die Preisqualität gehabt hätte, die der Preisträger möglicherweise nicht hat.
Vom eher engen Foyer im Sockelgeschoss steigt man nun durch die Struktur des großzügigen Treppenhausraums, in dem eine eingehängte Stahltreppe das alte Treppenhaus beinahe schon wie ein Lehrpfad durchwandert. Durch eine geschickte und gar nicht selbstverständliche Wegführung ist es den Planerinnen gelungen, die historischen Phasen der einst ungeteilten Treppe offenbar werden zu lassen. Der mal nach links oder rechts oder zweiflügelig geführte Treppenlauf endet überraschend schnell im 6. OG; wahrscheinlich war das Schauen und Begreifen von Neu in Alt ein hervorragender Zeitverkürzer.
Beim „Bau-Turbo“ wurde es kurz laut
Oben im 6. OG dann der Ausstellungsraum, in dem sich Neugierige, aber vor allem die elf Planerinnenteams versammelten, die in die letzte Runde gelangt waren und erst am Abend der Preisverleihung ihre Platzierung erfahren sollten. Ausgelobt wird der Preis vom BDA zusammen mit dem Geldgeber Bund, meist dem Ministerium, das das Bauen verantwortet/betreut. Dotiert ist der Preis mit 60 000 €, der Preisträger erhält 30 000 €. Und weil die im Amt noch junge Bundesministerin offenbar die Chance sah, den versammelten Architekten einmal zu erklären, was der „Bau-Turbo“ mit Baukultur zu tun hat, war sie für ihr mittellanges Grußwort anwesend, musste danach einen Folgetermin anderswo wahrnehmen. Als sie tatsächlich „Bau-Turbo“ aussprach, wurde es kurz laut im Saal, aber zu kurz, um erkennen zu können, ob sich hier Zustimmung oder Schrecken kundtaten.
Um die ganze Sache dynamisch zu dramatisieren, wurden vor Bekanntgabe des Gewinners nach und nach die zehn Auszeichnungen benannt (je 3 000 €). Mit jedem aufgerufenen Projekt mehr näherte sich der Rest dem Thron, um dann doch noch zu scheitern. Sauerbruch Hutton, die mit einen Wohnungsneubauprojekt in die Schlussrunde gelangt waren, hatten schon abgewunken: Nein, sie rechneten nicht mit dem Preis, schließlich hatten sie den schon vor zehn Jahren erhalten für die Immanuelkirche mit Gemeindezentrum der Evangelischen Brückenschlag-Gemeinde in Köln-Stammheim. Und wurden es am Ende doch mit ihrem Wohnungsbauprojekt im Nordosten Mannheims, dem „Franklin Village“. Als eher kleiner Teil eines kompletten Stadtteilneubaus auf einem ehemaligen Militärareal haben Sauerbruch Hutton schon 2023 mit fünf Neubauten und einen in die Höhe erweiterten Bestandsgebäude Platz geschaffen für unterschiedlichste Wohn- und vielleicht auch Lebensformen: vom Single-Apartment über klassische Familienwohnungen bis zu Clusterwohnungen mit gemeinschaftlicher Nutzung. Zu den fünf Wohnungsbauten kommt noch ein zum Umfeld hin platziertes kleineres, zweigeschossiges Volumen, das vielfältige Gemeinschaftsflächen anbietet und einmal eine Verbindung zum Umliegenden darstellen soll.
Das Kollektive ist noch zu alternativ
Die Neubauten sind als Holzrahmenkonstruktion (Zertifikat „Holz von hier“) ausgebildet, die Decken sind Holz/Betonhybride, PV-Module liegen auf dem Flachdach. Die Erschließung der Wohnungen sind Laubengänge, die über große Freitreppen aus dem Garten heraus erschlossen werden und die teils die benachbarten Bauten miteinander verbinden. Die Ministerin: „Das Ensemble ist fast komplett in Holzbauweise errichtet, leistet seinen Anteil bei der Minimierung von CO₂-Emissionen und ist nachhaltig.“ Mehr geht wohl nicht, das Projekt entspricht ziemlich genau der Forderung, die das Bundesministerium gerade propagiert: Holzbau, am besten Modulbau, Nachhaltigkeit, trotz Abrissen und Neubauten.
Von den zehn Auszeichnungen hätte ich mir vielleicht eine andere zum Sieger gewünscht, „Das robuste Haus – Mehrgenerationenhaus Görzer Straße 128“ in München möglicherweise (Architektur: etal. ArchitektInnen PartGmbB Bengtsson Masla Syren, München, Bauherr: Görzer128, München). Aber das Kollektive, das Alternative des Wohnungsbauprojekts war der Jury sicher nicht tragfähig genug, vorbildhaft Impulse für einen neuen Wohnungsbau zu setzen (der Deutsche Architekturpreis ist dem Best Practice verpflichtet, kollektives Irgendwiebauen ist einem solchen Preis nicht geheuer). Auch sah man zahlreiche Bekannte, wie das sehr gut ausgezeichnete Projekt „Stiftungsensemble: Spore Initiative und Publix“ in Berlin (AFF Architekten, Berlin, Bauherr: Schöpflin Stiftung, Lörrach, in der DBZ 12|2024 vorgestellt zum Thema Kulturbauten), oder die Mehrzweckhalle Ingerkingen (Atelier Kaiser Shen, Stuttgart, Bauherr: Gemeinde Schemmerhofen, in der DBZ 05|2025 zum Thema Tragwerk), Unser Gartenhaus – Haus ohne Zement von Florian Nagler Architekten, München (in der DBZ 05|2025 zum Thema Tragwerk) oder das Eingangsgebäude LWL-Freilichtmuseum Hagen von Schnoklake Betz Dömer Architekten, Münster (in der DBZ 05|2023 zum Thema Kreislauffähig bauen).
Überfordert: ein Staatspreis
Vielleicht ist auch schlicht ein Staatspreis wie der Deutsche Architekturpreis überfordert, neue Architektur ausfindig zu machen, die Antworten liefern könnte auf die drängenden Fragen Klimawandel, Migration, Generationenkonflikte, Polarisierung, Vereinsamung und Armut. Das und anderes ist vielleicht auch dem Preisträger „Franklin Village“ inhärent, aber ausgesprochen, versprochen wird es nicht. Immer noch ist zuerst von der Gestaltung die Rede („klar“, „unaufgeregt“, so die Jury) und einer „kompromisslosen Qualität im Holzbau“. So wird das Gebaute schöner. Das „besser“, „sozialer“, „inklusiver“ und vielleicht sogar „gerechter“ findet hier auch statt, aber am Ende zu sehr wie en passant.
Regierungen und Ministerinnen wechseln, es bleibt der Tenor. Der ist mal Energieeffizienz, Städtebau, Innovation oder auch mal Gestaltung. Weiterbringen werden uns diese Themen für sich genommen allerdings nicht. In zwei Jahren haben Sie, liebe Leserinnen, eine weitere Chance, das Bauen zu verändern. Sie müssen nur noch einreichen.
Benedikt Kraft/DBZ
Weitere ausgezeichnete Projekte sind neben den schon genannten noch:
- Höllensteinhaus, Viechtach von Bergmeisterwolf, Brixen
- Aufstockung NORDGRÜN, Karlsruhe von Drescher Michalski Architekten, Karlsruhe
- Wintergartenhaus von Supertype Group, Berlin, und
- Innovationsfabrik 2.0 Heilbronn von Waechter + Waechter Architekten, Darmstadt.
Der Deutsche Architekturpreis wurde erstmals 1977 zur Förderung der Baukultur und zugleich als Hinweis auf die Dringlichkeit ökologisch orientierter Planung von der Ruhrgas AG unter der Schirmherrschaft der Bundesarchitektenkammer initiiert. Seit 2011 wird er vom Bundesbauministerium und der BAK gemeinsam ausgelobt und als Staatspreis verliehen.
Richtlinien für die Jury sind: „Die eingereichten Arbeiten werden beurteilt nach ihren baukulturellen Qualitäten bzw. ihrem Umgang mit Bestand sowie deren Nachhaltigkeit hinsichtlich ökologischer, ökonomischer und soziokultureller Aspekte: gestalterische Qualität und Entwurfskonzept; städtebauliche Qualität und Einbindung ins Quartier; Klimawirksamkeit und Umweltschutz; Umgang mit Ressourcen und Materialkonzept; Qualität des energetischen Konzepts; Funktionalität und Nutzungsqualität; Wirtschaftlichkeit und Innovationsgehalt“.
