Superheroes
Mit Blick auf den internationalen Kultstatus, den Superstudio (vielleicht gar schon seit 50 Jahren?!) genießt, ist es erstaunlich, wie wenig Literatur über die Florentiner Architektur- und Design-Gruppe vorhanden ist; das meiste davon (naturgemäß) in italienischer Sprache. Nun aber das: ein ganzes Heft über Arbeit und Projekte, über Personen und Akteure, über Denken und Entwerfen der Männer aus Florenz. Dabei ankert sich Grundlegendes hier im Heft an Marianne Burkhalter an, die einige Jahre in der Frühzeit für die Gruppe tätig war. Längst mit Burkhalter Sumi Architekten (heute Oxid Architektur) Architekturgeschichte geschrieben, ist ihre Rückschau auf die Avantgarde-Geschichte ein seltener Glücksfall intimer Innensicht, der dann auch schon mal in dem Satz gipfelt: „Architektur und Freiheit [ein Gestaltungswettbewerb im Rahmen der Trigon ’69; Be. K.] hat die Verkrustung der Nachkriegsarchitektur in der Steiermark aufgebrochen – und daraus ist schließlich die ‚Grazer Schule‘ entstanden.“ Was nicht wenig wäre für die Wirkung einer kleinen Gruppe von Architekten mit „schrägen Ideen“ (Marianne Burkhalter).
Was und wie Superstudio dachten und arbeiteten – weniger als ein Kollektiv, eher wie ein Männerbund à la Archizoom Associati (mit Andrea Branzi eher designorientiert) oder Archigram – das wird in dieser dann doch viel zu schmalen und zugleich randvoll gepackten Sonderausgabe der Zeitschrift anschaulich und teils mit neuen Funden aus der Architekturgeschichte auch aktualisiert. Schön, dass sich die Herausgeber trauten, die längst zu Kultbildern geronnenen Kollagen und Zeichnungen wie „Il Monumento continuo. New York“ oder „Vita (Supersuperficie). Frutto e vino“ auf Doppelseiten abzubilden, eine Posterbeilage wäre ein Traum gewesen!
Dass sich die Zeitschrift mit dem Abdruck eines Beitrags von Superstudio aus dem Jahr 1972 hier selbst mittels eines Faksimilie zitiert, sei ihr verziehen angesichts des Lesevergnügens eines Pamphlets zum Städtebau, das zu dem Schluss kommt, dass ein Staatschef, der nichts oder nur unvollständig verstanden hat, wie Städtebau geht, entweder ein Zombie, ein Golem, ein Wurm oder auch ein Idiot sei. Schwere Kost? Definitiv, wenn man alles wörtlich nähme. Aber so ticken Superstudio-Heroen nicht. Sie kommentieren zynisch und wie berauscht von Wahrheit, die sie offenbar geraucht haben in langen, tiefen Zügen.
Andere Zeiten? Eher eine andere Rhetorik, eine wunderbar analoge Bildersprache, etwas Visionäres, das weniger auf Form als vielmehr auf Emotionen zielt und Ideologien aufzuweichen in der Lage ist.
Die teils dystopischen Visionen von Superstudio haben sich längst in städtebaulichen Realitäten verwirklicht. Nun ist es an uns, diesen Bildern unserer Superheroes humane Visionen entgegen zu halten. Superstudio als Inspiration? Ganz sicher! Es fehlt: ein Literaturverzeichnis! Be. K.
Superstudio. In: archithese 3.2025, dt. u. engl. Zürich 2025, 96 S., zahlr. Abb.
25 €, ISBN 978-3-03862-267-3
