Schlechte Tage fürs Sonnensegel

Vor ziemlich genau vier Jahren berichteten wir über die erfolgreiche Sanierung des „Sonnensegels“, eine Hängedachkonstruktion von Günther Behnisch im Dortmunder Westfalenpark. Auftraggeber für den Demonstrationsbau aus Holz war die Arge Holz e. V. anlässlich der Bundesgartenschau/Euroflor 1969. An der Entwicklung beteiligt waren die Ingenieure Herbert Kupfer und Julius Natterer, TU München. Behnisch entwarf ein frei gespanntes Dach als hyperbolische Paraboloidschale (Hypar) – in Anlehnung u. a. an Frei Ottos Kasseler Musikpavillon von 1955. Heute gilt das „Sonnensegel“ mit antiklastischer Doppelkrümmung als erstes zugbeanspruchtes Holzflächentragwerk mit freien Rändern.

Soweit, so schön. Das aus drei Holzlagen, 32 Quer- und vier Randträgern bestehende „Sonnensegel“ war als temporäres Element geplant, wie auch die etwa zeitgleich geplante Multihalle von Carl-fried Mutschler und Frei Otto in Mannheim. Beide im Rahmen einer BUGA entworfen und gebaut haben mit der Witterung einerseits wie auch langen Leerständen und damit Pflegevernachlässigung zu kämpfen. Beide Bauten sind denkmalgeschützt und wurden/werden mit Unterstützung der Wüstenrot Stiftung aufwendig wie intelligent zugleich saniert. So wurden beim „Sonnensegel“ die problematischen Bitumenschichten durch eine neue Sekundärstruktur ersetzt. Diese – bestehend aus einem aus 1,2 mm starken, aus Carbonlamellen gefertigen „Tragetuch“ – sichert die Schale. Das Tuch ist reversibel auf die Holzdecke aufgelegt und nur an den jeweiligen Enden mit der Konstruktion verbunden.

In Mannheim wird noch gearbeitet. In Dortmund glaubte man, sich mit dem frisch sanierten Segel auf die IGA 2027 gut vorbereitet zu haben. Dann das: Im Frühjahr 2022, also nur wenige Monate nach Sanierungsende im September 2021, riss eine der beiden südlichen Verbindungen zwischen Tragseil und Erdanker. Die Stadt sperrte den Bereich weiträumig ab, die Randträger wurden abgestützt, die Tragseile entspannt. Eine gutachterliche Untersuchung wurde beauftragt, bisher ist kein Ergebnis bekannt.

Damals rechnete man mit mehreren Monaten Reparaturdauer, aber noch immer stehen der Bauzaun und die Gerüste, sind die Tragseile schlaff. Von einer Reparatur am Übergang Seil-­Bodenanker ist nichts zu sehen. Aber noch ist Zeit bis zur IGA27, in der die Arena unter dem Sonnensegel sowie weitere Neubauelemente im näheren Umfeld ihre Rolle spielen werden. Wie schon vor 56 Jahren, damals allerdings für nur wenige Monate gedacht, demnächst dann für viele Jahre und Jahrzehnte, hoffentlich. Be. K.

www.wuestenrot-stiftung.de

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