Peinlich fürs Land: Abrissbaukultur

Dass man sich über Schönheit streiten kann, ist das eine, in einem Fachdiskurs aber sollte Schönheit nur eine untergeordnete Rolle spielen. Denn so, wie man danach fragen kann, was Wahrheit sei, kann man das bei der Schönheit in gleicher Weise. Im Diskurs um Abriss oder Erhalt (durch Weiternutzung) gelten längst andere Parameter, oder sollten doch gelten, denn immer noch werden auf kommunaler, Landes- oder auch Bundesebene öffentliche Bauten dem „Rückbau“ anheimgegeben, auch, weil ihnen Schönheit fehle.

So aktuell in Saarbrücken, in welchem das zuständige Finanzministerium das ehemalige Finanzamt zum Abriss bestimmt hat. Der langgestreckte Verwaltungsbau von 1951 – Architekten Rheinstättler/Wundrack – soll am östlichen Ufer der Saar einem Neubau weichen. Der Bau steht unter Denkmalschutz, aber der ist immer revidierbar, zumal dann, wenn eine dem Denkmalschutz übergeordnete Behörde diesen schlicht übergeht; was zu Rücktritten auf Seiten des Landesdenkmalrats geführt hat.

Dass die Eigentümerin für den schlechten – durchaus nicht maroden – Zustand des länger schon leerstehenden Baus verantwortlich ist, wird von ihr nicht thematisiert. Geldmangel stehe einer Sanierung entgegen, andere Projekte bräuchten die Steuergelder nötiger. Was sein mag, aber in keiner Weise für einen Abriss spricht, eher dafür, hier einen Investor für dieses Filetstück zu gewinnen, einen Wettbewerb für eine Umnutzung, ein Weiterbauen auszuloben und damit für die Eigentümerin, das Land, peinliche Petitionen zu verhindern, so wie die, die aktuell der BUND Saarbrücken auf Compact gestartet hat, also der Bund für Umwelt und Naturschutz! Hinter dem ehemaligen und um seine Zukunft bangendem Finanzamt steht mit der Galerie Kaufhof eine weitere Immobilie mit Bedrohungspotenzial. Auch wenn das Kaufhaus zunächst eine Zukunft zu haben scheint – der Standort wurde von den aktuell vorgenommenen Schließungen bundesweit erst einmal ausgenommen – stehen Häuser dieser Art auf der Liste der bedrohten Bautypen.

Allerdings: Mit dem eigenen Parkhaus – immerhin 630 Stellplätze – hat die Kaufhausimmobilie eine Art Rückversicherung; die hat das Finanzamt nicht. Dass dieses zentrale Parkhaus bei couragierterer Stadtplanung seitens der Politik auch einmal überflüssig werden könnte… Innovativ, liebe Saarbrücker, ist ein Abriss nicht, eher rückwärtsgewandt. Innovationen resultieren aus der Bereitschaft zum Experiment, zentrales Thema dieser DBZ-Ausgabe. In diesem Sinne: Der Skelettbau bietet soviele Möglichkeiten, man muss sie aber wollen! Be. K.

www.saarland.de/mfw/DE, www.bund-saar.de
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