Lehrstück? Was sonst

Museum Bezau, Bezau/AT

Bezau liegt mitten im Bregenzerwald. Dass man hier nicht anders kann, als wunderbar mit Holz zu bauen, scheint logisch. Dass sich beim Museum Bezau im Ort die Gemeinde und Private mit ihrem Holz am Erweiterungsbau von Innauer Matt Architekten beteiligten, ist dagegen nicht selbstverständlich. Wie auch die komplette Ausführung im Ganzen wie in den Details nicht der Norm entspricht, die in dieser Region als höchst anspruchsvoll zu bezeichnen ist.

Heimatmuseen haben mit vielem zu kämpfen. Mit ihren Inhalten und deren Repräsentation als „eher nicht Hochkultur“ eingeschätzt und immer auch mit dem Makel behaftet, heimattümelig aufzutreten, mangelt es diesen Kulturorten vor allem an finanziellem Spielraum, ausgebildetem Personal und mehr und mehr auch an Besucherinnen, die mit ihrem Museum in die Jahre gekommen sind.

Der kontinuierliche Rückgang von Interessierten war auch im Museum Bezau im Bregenzerwald seit vielen Jahren wahrgenommen worden. Erste Überlegungen, das vielleicht älteste Heimatmuseum des Landes mittels einer Erweiterung für eine museumsdidaktische und kuratorische Entwicklung zu öffnen, gab es schon Ende des vergangenen Jahrhunderts aus dem Museumsverein Bezau selbst heraus. Hier war ein Vereinsmitglied Architekt; seine Umbau- und Erweiterungspläne konnten jedoch nicht umgesetzt werden. Nun ein weiterer Anlauf, jetzt sollten die Erweiterung aber „Jüngere“ übernehmen, so der Architekt, der damit seine Projektideen als unverbindliches Initial in die Hände der Bezauer Innauer Matt Architekten legte. Die Jungen sollten es einfach machen.

Tatsächlich war Markus Innauer, wie er im Gespräch vor Ort erzählt, als Kind bereits in dem Heimatmuseum gewesen, das ein paar hundert Meter vom Ortskern entfernt, neben Wohn- und Gewerbebauten an einer großen Wiese liegt. Mit der Projektübergabe, mit dem Neustart einer umfassenden Revitalisierung des Ortes nun also ein spätes Wiedersehen, das mit der genauen Erforschung des Bestandsgebäudes begann, denn Pläne gibt es bei Alltagsbauten dieser Art nicht; man könnte schreiben, „naturgemäß“ nicht.

Immerhin steht das Wälderhaus aus dem 16. Jahrhundert – das ergaben dendrochronologische Untersuchungen – schon länger unter Denkmalschutz. Vielleicht weniger wegen seiner baulichen Qualitäten, eher, weil es ein identitätsstiftendes, für die Geschichte des Ortes und des Standorts selbst unverzichtbares Gebäude ist. So handelt es sich um einen typischen zweigeschossigen Blockbau in Kopfstrickbauweise mit charakteristischem Schopf zur Straße, der über zur Raumdecke nach innen hochklappbare Läden zu öffnen bzw. zu schließen ist. Typisch auch die kleinen Sprossenfenster, ebenfalls mit Läden auf beiden Seiten. Holzschindeln bedecken die ­Fassade wie ursprünglich auch das damals flachgeneigte Dach, hier als übergroßes Format. Schwere Steine drückten die ansons­ten unbefestigten, dünnen Schindeln sicher auf den Unterbau.

Das Dach wurde längst zum Steildach erhöht, die Schindeln sind kleinteiligen Zementplatten gewichen. Auch die Kubatur des Ursprungshauses an der damals wichtigen Handelsstraße wurde durch Zubauten derart verändert, dass Markus Innauer hier einen wesentlichen Punkt der Erweiterungsplanung erkannte: „Die Proportionen des Bestandsvolumens, wie wir es heute hier hatten, stimmte einfach nicht, dem Haus wurde seine typische Längsausrichtung genommen.“

Der Entwurf

Der Erweiterungsbau verlängert die zentrale Achse nach NO und setzt die Proportionen nun in ein stimmiges Verhältnis. Unter dem jetzt mit schwarzen Eternitplatten neu gedeckten Dach mit dezent, fast flächenbündig eingefügten Oberlichtern auf beiden Neubauseiten des Firsts wurde die Ergänzung so angesetzt, dass diejenigen, die auf der überraschend belebten,  aber eher unscheinbar kleinen Straße vorbeikommen, das Neue fast nicht wahrnehmen. Sicher, der nach Nordosten hinweisende, wie beim Altbau vertikal verbretterte Giebel hat ein schmales, etwa 3m hohes Fenster erhalten (den „Dorfblick“, wie Markus Innauer anmerkt), die Verlängerung des Schopfs, des schon erwähnten verandaartigen Vorbaus, ist nun der Vorraum zu Schopf und Museumseingang. Dieser neue Raum ist über zwei Schiebeelemente zur Straße hin stufenlos zu öffnen. Sind die Schiebeelemente zur Seite gezogen, ist das Museum geöffnet.

Nach dem Aufmaß des Altbaus stand fest, dass die Sache kompliziert werden kann. Die Deckenhöhen des Altbaus waren wegen ihrer geringen Höhe nicht einfach im Neubau aufzunehmen. Neben der unzulänglichen Raumhöhe sollte zudem von jeder Ebene des Neubaus der Zutritt zum Bestand zumindest barrierearm möglich sein. Ausgehend von der Oberkante Fußboden EG und Oberkante Fußboden 2. OG wurden also die Ebenen des Neubaus gesetzt. Wesentlicher Eingriff in den Bestand war die Ertüchtigung der Decke zum DG um ca. 25 cm, anders wäre eine Ebenengleichheit zwischen Alt und Neu nicht zu machen gewesen. Dass dabei ein Fenster im DG derart tief zu liegen kam, dass man es gegen Durchbruch sichern musste, wurde Gegenstand einer längeren, aber am Ende fruchtbaren Diskussion mit der Denkmalpflege in Wien: „Wir schlugen hier eine außenliegende Vergitterung vor, die sich an der Struktur von Butzenglasrahmen orientiert“, so Sandra Violand, die bei Innauer Matt Architekten für dieses Projekt die Leitung innehatte.

Holz

Von vornherein war klar, dass die Erweiterung als Holzbau realisiert werden muss. Zwar wurde auch ein Sichtbetonkörper kurz diskutiert, aber Beton wäre schwieriger zu argumentieren gewesen. Nicht nur gegenüber dem Denkmalschutz, auch Bauherrschaft und die Gemeinde hätten dem Kontrastwagnis nicht freundlich gegenübergestanden. Was sich sehr schnell auch darin widerspiegelte, dass nicht unerhebliche Festmeter heimischer Fichte/Tanne als Sponsorengabe in den Bau einflossen.

Dass das in dieser Region beinahe selbstverständlich ist – kaum ein Haus in der Region, das nicht zumindest eine gestaltete Holzfassade hat – setzt das immer mehr angestrebte Gütesiegel „Regionale Produktion“ in ein neues Licht: Wo andere mit ihrem lokalen Handeln werben müssen, weil der lokale Horizont längst auf großindustrielles Convenience-­Bauen geschrumpft ist, schaut Markus Innauer fast schon überrascht, als ich ihn auf diesen als richtig und nachhaltig erkannten Ansatz beim Bauen anspreche.

Tatsächlich haben einige Sägewerke im Ort – ein paar davon in Sichtweite zum Museum – das Holz vorfabriziert, nachdem erste Mengenberechnungen möglich waren. Fällen, sägen, säumen, trocknen, lagern, zuschneiden. Kurze Transportwege, kaum Lagerkosten, Qualität, die bekannt ist. Und: Wer wollte nicht das beste Holz liefern, wenn doch alle im Ort wissen, von wem die Böden, die Decken, die Täfer, die Wandverschalungen, die Fassadenbretter kommen? Letztere sind kein Lärchenholz, sondern eben das Holz, das hier wächst, Fichte und Tanne: „Die altern auch schöner als Lärche“, so Markus Innauer.

Interessante Seitengeschichte: Als klar war, dass die Holz-oberflächen der sägerauen Bretter der Wände aus Gründen der Flächenvereinheitlichung hinter den Exponaten, aber auch wegen einer größeren Raumhelligkeit unter einer weißen Kalklasur verschwinden sollten, wurde gemurrt: Wieso ein Material kaschieren, dessen Qualität doch mehr als hinreichend sei? Dass die Lasur auch etwas koste, also ein unnötiger Zusatz sei, wurde ebenfalls gegen das Weißen eingewendet. Aber eine schöne Saunaathmosphäre hat noch keinem Ausstellungshaus gutgetan, es wurde weiß gekalkt, Wände und Massivholzdecken. Die Skeptiker konnten überzeugt werden, gemeckert wurde dann vielleicht noch über die Politik und das Wetter.

Neben dem Konstruktionsholz des Neubaus, der auf einer Betonwanne steht – auch der Liftschacht ist aus Holz –, neben sämtlichen Oberflächen, Treppenstufen und den neuen Fens-tern, wurden auch die Ausstellungs- und sonstigen Möbel aus heimischen Wäldern kommend gefertigt. Die Vitrinen und Displays sind dabei aus mitteldunkler Esche, die Stühle und Tische aus hellem Ahorn.

Und wenn das Büro den Holzbau kann, wie Markus Innauer herausstellt, und das meiste im Haus den Stand der Technik wiedergebe, waren zumindest die Aufbauten der Massivholzdecken für die Planerinnen Neuland: Auf dem zum Raum ­darunter nur gekalktem BSH wurde aufgebaut: 2 cm Trittschalldämmung, 3 cm Lattung mit Dämmung, 3 cm Heizver­teilerplatte/Eigenanfertigung aus Holz und Metall, und zum oberen Abschluss ein 2,5 cm dicker Riemenboden  (Fichte). Damit umgehen die Architekten den im Nassestrich erzeugten Verbund zu Decke und Heizlage. Eine Holzspäne-Schüttung auf und zwischen den Rohren der Fußbodenheizung soll die Luftfeuchte im Raum zusätzlich regulieren, das Schüsseln der Dielen verhindern. Energetisch versorgt wird die Fußbodenheizung über das vorhandene Fernwärmenetz des Orts.

Innere Struktur

Die Erweiterung bietet auf drei recht flexibel nutzbaren Flächen Raum für Seitenkommentare zur Kultur- und Baugeschichte des Orts (Thema z. B. Barock), für Wechselausstellungen zu Sonderthemen. Es gibt im EG hinter dem Empfang eine Fläche für kleinere Veranstaltungen vor dem wunderbaren Blick auf Wiese und noch mehr Wiese vor einem Bergkamm in der Ferne. Dass sich das eher niedrige Foyer an dieser schön geteilten, aber dennoch horizontalen Fensterreihe überraschend noch oben hin weitet, tut dem Raum gut. Das Engegefühl weicht, tief Luft holend steht man und staunt über das pralle Grün mit weißen und gelben Einsprengseln.

Die Raumweitung noch oben gibt es auch im darüberliegenden 1. OG. Hier wurde die Decke jeweils parallel zur Traufe nach oben verzogen. Da in diesem Bereich bereits die Dachschräge ansetzt, verliert man im darüberliegenden Geschoss keinen Raum. Gleichzeitig wird durch die hier platzierten Dachfenster hinter einem dichten Kamm aus Holzstäben Tageslicht auf die Wände und in die Raumseiten geführt, je nach Sonnenstand mit verschiedener Intensität und Farbe.

Ganz oben angekommen steht man unter dem First im spitz zulaufenden Dach. Hier gibt es dann auch den „Dorfblick“, das hochrechteckige Fenster, das sich der Autor horizontal wünschte, was im Giebel außen jedoch formalgestalterisch nicht gepasst hätte. Vor dem „Dorfblick“ steht ein zum Raum hin abgeschirmtes Sofa, auf dem man sitzend Vorträgen und Traktaten lauschen kann, Blick auf „das Dorf“ und die Berge dahinter.

Im Betonkeller dann die Haustechnik, Schließfächer, Toiletten. Der Sozialraum für die Mitarbeiterinnen ist im Bestand untergebracht. Seine Verbindung zum Neubau ist auch gekennzeichnet durch die Fortführung der im Vorraum dann unlasierten, neuen Bodenbretter im Bestand, während die in allen Brauntönen leuchtenden Blockbalken, die ausgetretenen Eichenschwellen und die rußigen Ecken und Decken sehr lebendig von der ganz eigenen Geschichte des ehemaligen Wohn- und Wirtschaftshauses, Museums und lange noch Wohnhauses erzählen.

Fazit

Nun steht der Neubau mit dem Altbau unter einem Dach. Im Inneren sind beide über die Schwellen vernäht. Tatsächlich stehen beide Teile durch eine verblendete, haushohe Luftschicht von einander getrennt. Hier konnten Versorgungsstränge der Haustechnik geführt werden. Tatsächlich war der Bau des UG direkt vor den alten Fundamenten des Wälderhauses eine kleine Herausforderung, durften diese nicht in die Baugrube abrutschen. So wurden für die Unterkellerung eine zweischalige Wand aus Betonfertigplatten gewählt, der ­Zwischenraum wurde nach dem Aufrichten mit Ortbeton verfüllt.

Bezogen auf die Holzthematik kann man die Arbeit als Lehrstück für regionales Bauen ansprechen. Gestaltung und Materialwahl wie auch dessen Gebrauch lassen den Neubau luftig leicht in der Schwebe zwischen althergebracht und frisch, teils schon elegant gestaltet schweben. Ein Thema wie „Demontierbarkeit“ war laut Markus Innauer „Null Thema“. Auch das unterstreicht eine Haltung, die unreflektiert aus dem Selbstverständlichen folgt, das sich nicht auf etwas berufen muss, was irgendwo anders wäre. Aber: „Für das pure traditionelle Bauen mit Holz braucht man dann schon eine so spezielle Bauaufgabe wie diese beispielsweise“, so der Architekt weiter, nur dann könne man derartiges Bauen mit Holz „von A-Z konsequent durchziehen.“ Vielleicht sollte man es dennoch erwähnen, dass dank Vorfertigung einzelner Bauteile der Holz-Rohbau in gerade einmal zwei Tagen aufgebaut werden konnte.

Dass sich seit der Wiedereröffnung die Besucherinnenzahlen erhöhten, überrascht eher nicht. Ob nun wegen zahlreicher neuer Ausstellungsangebote, ob wegen des neuen Orts als kulturell aufgeladener Treffpunkt am Stadtrand oder des „Dorfblicks“, den es so vorher nicht gab? Die bestbestückten Museen sind nichts ohne die Neugier ihrer Besucher – in Bezau ist die Neugier offenbar immer noch sehr groß.

Benedikt Kraft/DBZ

Mit sehr viel Liebe zum Detail wurde der
Bestand weitergebaut. Es steht ein extrem poetischer Prozess bevor, in dem sich altes und neues Holz
über die Jahre angleichen werden.«
DBZ-Heftpartner Atelier Kaiser Shen, Stuttgart

Baudaten

Objekt: Museum Bezau, Bezau/AT

Standort: Ellenbogen 181, 6870 Bezau/AT

Bauherr: Museumsverein Bezau/AT

Architektur: Innauer Matt Architekten ZT GmbH, Bezau/AT

Bauleitung: Flatz & Jäger, Bezau/AT

Beginn Planung: 2018. Ausführung–Fertigstellung: 09.2022–04.2024

Nutzfläche Neubau: 206 m² + UG 67 m² (Neubau)

Grundstücksfläche: 561 m²

Überbaute Fläche: 232 m² (Bestand + Neubau)

Gesamtbausumme Brutto: 1,4 Mio. €

Bauweise: konstruktiver Holzbau, UG in Massivbauweise

Fachplanung

Statik: merz kley partner GmbH, Dornbirn/AT

Bauphysik: DI Günter Meusburger GmbH, Schwarzenberg/AT

Elektroplanung: Ing. Willi Meusburger, Bezau/AT

Ausstellungsgestaltung: Robert Rüf Design,
Wien/AT

Kuratorisches Team: Rath & Winkler, Innsbruck/AT

Grafische Gestaltung: Super Büro für Gestaltung, Egg/AT

Energiekonzept

Heizung: Fußbodenflächenheizung mit Fernwärme

Lüftung: natürliche Belüftung über Außenwandfenster

Materialien

Innenausbau: sichtbare Massivholzdecke – weiß gekalkt Verkleidung/ Wandtäfer aus heimischer Weißtanne, sägerau und weiß gekalkt

Ausstellungsmöblierungen. Tischlermöbel aus heimischem Eschenholz, massiv, naturbelassen

Fußböden. Riemenboden Holz, heimische Fichte sägerau, Trockenaufbau, UG geschliffener Beton

Fenster: Holzfenster, heimische Fichte, 3-fach Verglasung

Innentüren: Eschenholz massiv, natur

Fassade: Holzfassade aus heimischem Fichtenholz, sägerau und naturbelassen

Dacheindeckung: Eternit, www.eternit.de

Hersteller:

Leuchten: Zumtobel, www.zumtobel.com

Türgriffe/Fenstergriffe: Mega,

www.mega.swiss/de

Dachfenster: Velux, www.velux.at

Chip-Schlösser für Möbel/ Schließfächer:
PS Locks, www.pslocks.com

Notbeleuchtung: Din, www.din-notlicht.com

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