Klinkermauer als Stadtkante

Die neue Klinkermauer vor dem Weltkulturerbe
Foto: Benedikt Kraft

Die neue Klinkermauer vor dem Weltkulturerbe
Foto: Benedikt Kraft
Nun sollen wir ja nicht zurückschauen und uns darüber aufregen, was in der Vergangenheit für die Zukunft – die heute ist – entschieden wurde. Dass man die denkmalgeschützten „City-Höfe“ mitten in Hamburg mit Senatsegen abreißen konnte, grenzt immer noch an ein Wunder oder erscheint als eines dieser selten gewordenen Husarenstücke der Stadtgestaltung, nach dem wir uns doch alle sehnen: Einfach einmal machen!

Die im Vorfeld des Abrisses hinzugezogene ­UNESCO – wegen des angrenzenden Weltkulturerbes Kontorhausviertel involviert – musste den Abriss als Tatsache hinnehmen; einverstanden war sie nicht. Doch im Gegensatz zur Kölner Diskus­sion um die Sichtfreiheit des Doms, in der die ­UNESCO mit dem Entzug des Labels „Weltkulturerbe“ drohte, hat sie in Hamburg Abriss und Neubau am Ende stillschweigend toleriert. Erst 2015 waren Kontorhausviertel und Speicherstadt das Label zuerkannt worden, im selben Jahr hat der Immobilienentwickler Aug. Prien im Rahmen der Ausschreibung „Quartier am Klosterwall“ durch die Freie und Hansestadt Hamburg den Zuschlag zur Realisierung seines Neubauprojekts erhalten.

Der – nach einem Entwurf von KPW Architekten, Hamburg (1. Preis, zweiphasiger hochbaulicher Realisierungswettbewerb 2017) – steht heute so gut wie fertig zwischen dem vielspurigen Straßenkonglomerat Klosterwall/Ringwalltunnel/Steintorwall und dem angrenzenden Kontorviertel, zu dem u. a. das Chile-Haus von Fritz Höger zählt wie der Sprinkenhof von Hans und Oskar Gerson, mit Fritz Höger. Der Neubau steht wie eine Wand, die sich wie schützend vor etwas stellt.

Mit dem Abriss wurde auch das Grundstück an den Hamburger Entwickler verkauft, mit Zustimmung  des Stadtparlaments. Der Siegerentwurf des Hamburger Büros KPW konnte sich gegen 15 Mitbewerberteams in der 2. Phase durchsetzen, von denen die Hälfte die Sanierung des Baudenkmals vorsah, die anderen Abriss und Neubau. Beides war zulässig.

Der Neubau, der heute als finstere Ziegelwand den Autolärm in Richtung Hauptbahnhof und darüberhinweg echot, ist in drei Gebäude aufgeteilt: ein Hotel, Mietwohnungen (145, 1/3 gefördert; Kaltmiete ansonsten ca. 21 €/m²), zum Abschluss Büroflächen. Die „Klinkerwand“ am Wall ist, weil das Grundstück bis zum Rand bebaut und damit zu tief ist, in jedem der drei Bauteile innen über einen schmalen Hof geöffnet. Hier findet sich auch eine Passage mit Zugang zur U-Bahn.

Die alte licht- und luft- und vor allem blickdurchlässige Grenze mit den ehemaligen „City-Höfen“
Foto: Benedikt Kraft

Die alte licht- und luft- und vor allem blickdurchlässige Grenze mit den ehemaligen „City-Höfen“
Foto: Benedikt Kraft
Dass der Wettbewerb – ganz entgegen der städtebaulichen Absicht der „City-Höfe“ – eine Arbeit zur Realisierung zuließ, die das Kontorhausviertel von der Stadt im Osten abtrennt, ist nicht nachvollziehbar, hier hätte man aus der Setzung der quer zur Längsachse verdrehten Bürohochhausscheiben lernen können. Das Kammartige des nun verschwundenen Denkmals hätte Voraussetzung sein können, Messlatte in jedem Fall. Nun rauscht der Verkehr reibungslos am Lochfassadenklinkerwall entlang und niemand schaut, ob der Sprinkenhof noch dasteht ober ob ihn die Hamburgische Bürgerschaft verkaufte; mit Abriss und Neubau, man weiß ja nie.

Auf der Webseite des Architekturbüros kann man ungewöhnlich ausführlich zum Projekt lesen. Nach dem eher kurzen Hinweis darauf, dass hier „die architektonischen Merkmale eines Kontorhauses neu interpretiert und in die Moderne überführt [wurden]“, und damit „ein eigenständiger großräumlicher Stadtbaustein [entsteht], der sich harmonisch in das historische Kontorhausviertel einfügt“, folgen lange Ausführungen zum Städtebau. Unter anderem findet man das Wort der „Innenstadtkante“, die der Neubau nun zur Hamburger Altstadt bildet. Kante, Abbruch ... Vorher war da etwas anderes, eine Durchlässigkeit, eine großstädtische Lässigkeit.

Wir sollten nicht zurückschauen und uns darüber aufregen, was in der Vergangenheit für die Zukunft – die heute ist – entschieden wurde, der massive Eingriff in die Stadtstruktur ist auch die Neuinterpretation von Geschichte … Wenn Geschichte nicht einfach nur das ist, was passiert.

Die „City-Höfe“ waren eine Chance, sie ist verspielt. Nicht nur, das sei erwähnt, in der Hansestadt, auch in Städten, die den Klimanotstand ausgerufen haben oder die, die sich wundern, warum kein Wohnraum dort ist, wo man gestern noch Flächen verschenkt hat. „Der Baublock“, so endet die Projektbeschreibung bei KPW Architekten, „erhält so einen markanten Abschluss und ein besonderes Gesicht in Richtung Hauptbahnhof.“ Tatsächlich, ein ganz besonderes. Be. K.

www.kpw-architekten.de, www.denkmalverein.de/verluste/city-hof
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