Keine Frage der Bauweise: „Kreativität findet in den Köpfen statt“

Für viele der momentan anstehenden Bauaufgaben kann der Modulbau eine zukunftsweisende
Alternative zu konventionellen Bauweisen sein – vor allem wenn es um Zeitersparnis und eine ­ge­sicherte Qualität geht. Für alle, die hier noch keine Erfahrungen gesammelt haben, stellen sich ­jedoch noch viele Fragen hinsichtlich der gestalterischen Möglichkeiten, der Planungsprozesse oder technischer Besonderheiten. Wie der Einstieg in das Bauen mit Modulen gelingt und welches Potenzial dieser Bauweise innewohnt, erläutert uns Torsten Prauser, Geschäftsführer der ALHO Systembau GmbH, im Interview.

Herr Prauser, Sie sind Architekt und seit Juni 2022 Geschäftsführer bei ALHO. Wie sind Sie zum modularen Bauen gekommen und was fasziniert Sie daran?

Als Architekt bin schon immer davon fasziniert, im „Chaos“ der Entwurfs- und Planungsaufgabe eine Struktur zu suchen und zu finden – ganz unabhängig von der Bauweise. Wenn etwas ungeordnet ist, ordne ich, versuche Prozesse schlanker zu machen oder zu vereinheitlichen – denn Struktur führt zu einer kostenoptimierten und effektiven Planung. Der Weg zum modularen Bauen ist für mich darum ein ganz selbstverständlicher: Modular zu bauen bedeutet, schon sehr früh im Planungsprozess eine sinnvolle Ordnung einzuhalten, Details festzulegen und Entscheidungen zuguns-ten eines erfolgreichen Projektfortschritts zu treffen. Damit vermeidet das Bauen mit Modulen eines der größten Probleme, das wir beim konventionellen Bauen haben – die baubegleitende Planung. Änderungen im laufenden Baubetrieb führen häufig zu Baumängeln und Terminverschiebungen und damit zu immensen Verteuerungen. Beim modularen Bauen haben wir all diese Probleme nicht. Durch die Möglichkeit der Vorfertigung im Werk haben wir im Gegenteil eine sehr hohe Bauwerksqualität. Das begeistert mich.

Steht diese strenge Ordnung und das Entwerfen über ein Raster beim modularen Bauen der Kreativität nicht entgegen?

Wirtschaftlich und materialeffizient zu planen und zu bauen ist ein grundsätzlicher Aspekt von Architektur. Bei jeder Bauaufgabe gilt es, bestimmte Funktionen innerhalb eines gesetzten Budgets zu erfüllen und das macht meist den Aufbau einer Ordnung über ein Raster notwendig – unabhängig vom Baumaterial, dem Bausystem oder der Bauweise. Wir bauen mit Modulen systembedingt meist orthogonal, manchmal auch außerhalb des rechten Winkels. Sehr freie oder organische Kubaturen sind hingegen – wenn überhaupt – nur schwer oder kostenintensiv zu realisieren. Für diese Aufgaben sind andere Bauweisen dann einfach besser geeignet.

Aus meiner Erfahrung heraus, werden die wenigsten Klassenräume, Büros oder Gesundheits-immobilien aber „organisch“ geplant. Hier ist die Orthogonalität das Maß aller Dinge. Bei all diesen Entwurfsaufgaben geben im modularen Bauen dann nur die individuellen Abmessungen der Raummodule, die für die Bauaufgabe am sinnvollsten und wirtschaftlichsten sind, gewisse Leitplanken vor. In diesem Gefüge kann sich der Architekt dann sehr kreativ bewegen. Kreativität zeigt sich in der gelungenen Organisation der Funktionen auf Grundrissebene und einer dazu stimmigen – auch zur Identität des Bauherrn – passenden Fassadengestaltung. Und auch hier sind mit der Modulbauweise grundsätzlich viele Gestaltungsaussagen möglich: Das haben wir schon oft am gebauten Beispiel zeigen können.

In der Architekturausbildung kommt das Thema Modulbau so gut wie nicht vor – viele Architekt:innen sind daher mit der Konstruktionsweise überhaupt nicht vertraut. Was muss man neu dazu lernen?

Dass kreatives Entwerfen und strukturiertes, kos-teneffizientes Planen Hand in Hand gehen, sollten Studierende schon möglichst früh lernen – das bereitet sie am besten auf die Realitäten der Berufswelt vor. Dazu gehören auch Rasterung, Wiederholbarkeit und das Vermitteln der Möglichkeiten der modularen Bauweise. Momentan kommen diese Themen auf den Lehrplänen noch zu kurz.

Als Modulbauexperten wollen wir darum Pionierarbeit leisten und engagieren uns aktuell an mehreren Hochschulen mit Vorlesungsreihen zu den Vorteilen, den Planungsprinzipien, aber auch den Grenzen des modularen Bauens. Wir geben Antworten auf Fragen wie: Welche Parameter müssen beachtet werden, damit wirtschaftlich vorgefertigt werden kann? Wie geht man mit bauphysika­lischen Fragen um? Im Grunde aber gelten beim modularen Bauen die gleichen Regeln wie bei anderen Bauweisen. Wichtig ist es, frühzeitig Verständnishürden gegenüber der Bauweise abzubauen – im Studium aber auch bei Architekten in der Praxis. Nur wenn Planer wissen, was moderne Modulbauweise leisten kann, sind sie in der Lage, uns als Partner zu fordern und rechtzeitig in die Prozesse einzubinden.

Immer noch kommt es zur Verwechslung/Vermischung von Modul- und Containerbauweise. Erklären Sie die Unterschiede!

Die Verwirrung rührt meines Erachtens daher, dass viele Containeranbieter die Begriffe Modul- und Containerbau bewusst vermischen. Das macht es auch für Bauprofis oftmals schwierig, die Systeme auseinanderzuhalten.

Container sind Standardprodukte, die zu Interimsgebäuden zusammengesetzt werden. Sie werden an den Standort geliefert, gestellt und irgendwann wieder demontiert und versetzt – diesem Prinzip ist die Konstruktion unterworfen. Eine Containerfassade hat immer einen sehr industriellen Charakter, weil sie zerlegbar sein muss und darum niemals fugenlos sein kann. Die Fassadenansicht richtet sich nach den Containermaßen und kann die Stöße nicht überspannen. Damit ist die Gestaltungsindividualität eingeschränkt, doch der Nutzen des temporären Einsatzes ist voll und ganz gegeben. Zerstörungsfreie Demontage und somit die Wiederverwertbarkeit der Container ist hier der vorrangige Sinn.

Modulare Bauten sind hingegen keine temporären Bauten, sondern – wie konventionell errichtete Gebäude auch – für „die Ewigkeit“ konzipiert. Es wird mit einem tragfähigen System aus innenliegenden Raummodulen gebaut. Das Traggerüst ist außen nicht ablesbar, denn es wird mit einer Fassade versehen – einem Wärmedämmverbundsys-tem, einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade, einer Holzfassade, was auch immer Architekten und Bauherren wünschen. Das ist nicht anders als bei anderen konventionellen Bauweisen.

Wir sprechen im Modulbau zwar auch oft von „Wiederverwertbarkeit“, das hat aber eher mit dem Nachhaltigkeitsgedanken zu tun: Am Ende eines langen, langen Gebäudelebens können Modulgebäude rückstandslos rückgebaut, unter bestimmten Voraussetzungen auch versetzt, bzw. die Module zu einem hohen Prozentsatz recycelt werden.

Wo Sie gerade die Nachhaltigkeit der Modulbauweise ansprechen. Gibt es dabei noch weitere Aspekte?

Was die Rückbaubarkeit und Wiederverwendbarkeit von Materialien angeht, ist ein Modulgebäude wesentlich effektiver als beispielsweise ein Betonbau, der einfach nur abgerissen wird. Mit der Entsorgung ist es dann oft schwierig. Die Materialien, die wir verbauen und verarbeiten sind nahezu vollständig trennbar. Wir verwenden hochwertige Produkte namhafter Markenhersteller, die ihrerseits schon großen Wert auf eine nachhaltige Produk­tion legen. Auch die Stahlkonstruktion unserer Gebäude ist wiederverwertbar, außerdem können wir sogenannten „grünen“ Stahl für unsere Raummodule nutzen und damit eine umweltverträglichere Stahlherstellung mit Wasserstoff unterstützen.

Da viele Gewerke bei uns in der Werkshalle ausgeführt werden, haben wir auch einen geringen Ressourcenverbrauch und produzieren sehr wenig Abfall. Zudem werden alle Materialien, die wir direkt vor Ort benötigen – für die Haustechnik oder den Ausbau – in den Modulen auf die Baustelle transportiert. Auf der Baustelle sind die Arbeiten zudem weniger schmutzintensiv und weitaus geräuschärmer als konventionell und wir brauchen den Rohbau nicht energieintensiv zu trocknen – auch das schont die Umwelt.

Und: Wir legen Wert auf intelligente Planung. Das heißt, wir analysieren nicht nur, welche Art von Gebäude der Bauherr heute braucht, sondern auch in Zukunft. Die Modulbauweise kommt uns dabei sehr entgegen, weil die Innenwände keine tragende Funktion haben und Grundrisse im laufenden Betrieb sehr unkompliziert und schnell umgestaltet werden können. Das unterscheidet uns doch sehr deutlich vom konventionellen Bauen und ist ein echter Nachhaltigkeitsvorteil.

Wie kann ich als Architekt:in meinen Bauherren überzeugen, dass Modulbau für sein

Bauvorhaben die bessere Lösung ist?

Ich habe generell ein Problem damit, jemanden von irgendetwas „überzeugen“ zu müssen. Wir sind ein Bauunternehmen, das sehr gute Architektur realisieren kann. Dass das in modularer Bauweise geschieht, ist eher zweitrangig. Vielmehr geht es uns darum, genau zuzuhören, den Bauherren ernst zu nehmen, seine Wünsche und Erwartungen zu analysieren und herauszufinden, was genau er braucht – um dann durch tolle, nachhaltige Planung zu überzeugen.

Wenn Teile des Bauwerks in einer anderen Bauweise oder mit einem anderen Material wirtschaftlicher oder besser zu lösen sind, ergänzen wir unseren Modulbauteil mit eben dieser Leis-tung. So kann zum Beispiel die Aula einer Schule, die der Architekt aus gestalterischen Gründen als freie, geschwungene Grundrissform wünscht, in Stahlbetonbauweise realisiert werden. Die restlichen Bauteile ergänzen wir dann wirtschaftlich, schnell und kreativ mit unseren Raummodulen.

Es gibt ja ganz objektive Vorteile der Modulbauweise, die sich in den Köpfen immer mehr verankern: die Schnelligkeit auf der Baustelle, die hohe Bauwerksqualität durch die witterungsunabhängige Fertigung im Werk, die frühere Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes durch den Bauherrn ... Wo immer es Sinn macht, setzen wir diese Vorteile für unsere Kunden ein. Überzeugungsarbeit ist gar nicht notwendig.

Ich muss mich beim Bauen mit Modulen also gar nicht auf ein Material festlegen und auch Materialkombinationen sind möglich?

Wir setzen die Modulbauweise nur dann ein, wenn sie zu den Anforderungen der Bauaufgabe passt. Ansonsten kombinieren wir sie mit Bauteilen aus anderen Materialien. Nicht jedes Projekt ist ein reiner Modulbau. Es muss Sinn ergeben!

Materialkombinationen sind manchmal schon allein aus Gründen des Brandschutzes, der Haustechnik oder aus anderen Anforderungen heraus gegeben. So gibt es Projekte, bei denen es notwendig wird, dass ALHO auch Leistungen wie zum Beispiel den Bau eines Kellers oder einer Tiefgarage mit übernimmt, weil der Bauherr den Bau seines Gebäudes aus einer Hand haben möchte. Oder er hat bestimmte Gestaltungsvorstellungen: Im Feuerwehr-Trainingszentrum in Düren haben wir zum Beispiel die Sheddach-Konstruktion über einem repräsentativen Atrium in sichtbarer Holzbauweise erstellt, weil es besonders einladend und wohnlich wirken sollte.

Die entscheidenden Fragen sind immer: Was will der Bauherr? Wie können wir das errei­chen? Womit sind wir kostengünstig und schnell? Welche Einsatzgebiete und Potenziale sehen Sie für den Modulbau der Zukunft?

Im Wohnungsbau sehe ich für die Modulbauweise ein sehr hohes Potenzial, in der Schulbau­architektur ebenso. Kostenvorteile, Schnelligkeit, risikoarme, termintreue Planbarkeit, Flexibilität während der Nutzung – vor allem kommunale Auftraggeber und Wohnungsbaugesellschaften setzen vermehrt auf diese Aspekte. Aber auch privatgewerbliche Bauherren können sich das zunutze machen: Ich denke beispielsweise an die Konzeption und den Bau von Hotelanlagen oder innovativen, anpassungsfähigen Bürogebäuden.

BIM-Planung, Digitalisierung und auch die Automatisierung in der Werksfertigung im Sinne von Arbeitserleichterung für die Mitarbeiter sind wichtige Themen für uns. Hier entwickeln wir uns stetig weiter und verbessern unsere Prozesse. So gesehen sind wir für Architekten, Bauingenieure und Bauzeichner und auch für Handwerker aller Gewerke ein attraktiver Arbeitgeber. Es wäre schön, wenn unsere Begeisterung für gute Architektur auf diese Menschen überspringt und sie mit uns zusammen neue Projekte realisieren wollen. Ich sage bewusst „gute Architektur“, denn das ist es, was uns antreibt: Wir bauen – und das hat immer mit Kreativität, Leidenschaft und Herzblut zu tun – egal in welcher Bauweise. 

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