Im Hof für die Stadt … oder so

Vor ziemlich genau sieben Jahren hetzte noch die Leipziger Zeitung gegen den „Stasi-Betonklotz“ am Mattäikirchhof als das „hässlichste und bedrückendste Bauwerk, das in Leipzig in den 1970er und 1980er Jahren gebaut wurde“ und das man besser „medienwirksam abzureißen“ hätte, als mit ihm zu arbeiten. Hat sich da etwas geändert? Vielleicht.

Vor sieben Jahren hetzte noch die Leipziger Zeitung gegen den „Stasi-Betonklotz“ am Matthäikirchhof als dem „hässlichsten und bedrückendsten Bauwerk, das in Leipzig in den 1970er- und 1980er-Jahren gebaut wurde“ und das man besser „medienwirksam abzureißen“ hätte, als mit ihm zu arbeiten. Hat sich da etwas geändert? Vielleicht.

Die Frage, ob Architektur hässlich sei, ist immer noch eine erste Frage und immer noch führt sie ins Nichts. Denn, ja, es gibt hässliche Architektur, aber die ist aus Sicht des Autoren etwas ganz anderes, als beispielsweise der in Rede stehende „Betonklotz“.

Also brauchen wir andere Fragen. So beispielsweise die, ob ein Neubau überhaupt nötig ist, eine Frage, die beim Bauen eine immens wichtige Rolle spielt. Denn Neubau oder nicht, es geht um Ressourcen, die längst nicht mehr unschuldig vorhanden sind. Oder deren Produktion nicht ökologischen Mindeststandards entspricht (Stichwort: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz). Der Aufruhr um das Hässliche am Matthäikirchhof in Leipzig hat sich unter eine dünne Oberfläche aus drängenderen Fragen gelegt. Damals wollten die Stadtväter und -mütter das in der Republik populäre „Freiheits- und Einheitsdenkmal“ realisieren, am Matthäikirchhof, umfangen von der ehemaligen Stasi-Zentrale/dem „Betonklotz“. Der Ort sollte zu einem Erinnerungs-, Forschungs- und Bildungsraum entwickelt werden, man wolle, so die Verwaltung, „Impulse für die historisch-kritische Beschäftigung mit Diktaturen und den Formen der Gewaltherrschaft in Europa“ setzen, so u. a. mit forschender Archivarbeit. Letzteres zielte perspektivisch auf den Archivneubau des Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staats­sicherheit der ehemaligen DDR (BStU). Zurzeit ist das Archiv untergebracht in der sogenannten „Runden Ecke“, Teil der Blockrandbebauung im Reformstil und dem Stasi-Klotz gegenüber. In diesem Kontext des groß angelegten „Forums für Freiheit und Bürgerrechte/ Demokratiecampus“ (Arbeitstitel) hatte die Stadt entschieden, das Areal mit einer Gesamtfläche von 1,9 ha komplett anzugehen und es städtebaulich zu einem nutzungsgemischten, urbanen Quartier mit besonderen öffentlichen Funktionen zu entwickeln sowie Fördermittel aus dem Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ einzuwerben. Was gelang.

66 Entwürfe eingereicht

So kam es im letzten Jahr Anfang Mai zur Auslobung eines mehrstufigen städtebaulichen Wettbewerbs mit umfassendem Bürgerbeteiligungsprozess, der aktuell entschieden wurde. Den Siegerentwurf lieferten Riehle Koeth GmbH+Co. KG, Stuttgart, in Zusammenarbeit mit Levin Monsigny Landschaftsarchitekten, Berlin. Er bildet die Basis für die weitere Entwicklung des innerstädtischen und derzeit weitgehend ungenutzten Areals. Dass in der Auslobung keinerlei Vorgaben ­bezüglich Erhalt vs. Abriss enthalten waren, begründen die Auslober damit, dass man hier eine Diskussion erwarte, die Argumente liefere für oder wider den Bestand am Matthäikirchhof und damit für die Handhabung, wie zukünftig an derlei Orten entschieden werden muss. Von den 66 einreichenden Büros wurde allerdings ein sehr weites Spektrum an Varianten aufgezogen. Auch die neun Entwürfe, die in der zweiten Phase vertieft wurden, boten unterschiedliche Ansätze zum Umgang mit dem Baubestand.

Die Besonderheit des Wettbewerbs nach RPW 2013 war die Aufhebung der Anonymität durch Anwendung eines „Kooperativen Verfahrens“, was in enger Abstimmung mit der AK Sachsen abgestimmt wurde. Hiervon versprach sich die Ausloberin eine stärkere Beteiligung und direktere Einbeziehung der beteiligten Büros in die Fragen-/Aufgabenwelt im Verfahren. Zudem wurde großer Wert auf eine aktive Öffentlichkeitsbeteiligung gelegt, da man davon ausgeht, dass im Rahmen partizipativer Planungsprozesse erarbeitete Planungen eine größere Akzeptanz genießen. Es gab Fachwerkstätten – woanders heißen die „Workshop“ –, es gab Aktionstage und Zwischenergebnispräsentationen, aus denen Mitte 2022 ein sogenannter „Matthäikirchhof-Code“ destilliert wurde. Dessen Kernthesen sind u. a., dass der Matthäikirchhof zu einem Ort entwickelt werden soll, an dem aktive Geschichtsvermittlung stattfindet, an dem man sich begegnet und der Vielfalt und Offenheit widerspiegelt. Mit innerstädtischem Wohnen und Grünflächen, mit urbanem Gewerbe und lokalem Handwerk. Auch finden sich hier erstmals – neben der räumlichen und erinnerungstechnischen Ebene – Hinweise auf den Erhalt von grauer Energie sowie der Aufruf, die Kosten-Nutzen-Abwägungen im Sichtfeld zu halten.

Nun soll mit dem Siegerentwurf von Riehle Koeth GmbH+Co. KG, Stuttgart, und Levin Monsigny Landschaftsarchitekten, Berlin, gearbeitet werden. Er hat, wie die Plätze 2 und 3, den „Betonklotz“ bis auf einen Riegel abgerissen, den Rest für eine Weiternutzung „angeboten“. Er hat das Potenzial, dass er das Areal wieder öffnet und Angebote für die Bürgerinnenschaft macht, das zumindest müsste ihm Chancen auf eine gelungene Umsetzung geben. Wie dann, nach Gutachterverfahren und Architekturwettbewerb (für das Forum), Vergangenheit und Gegenwart zueinander stehen werden – konfrontativ oder im Lernmodus – dazu kann der Entwurf etwas beisteuern, die gesellschaftlichen Probleme wie Überalterung oder Spaltung wird er nicht lösen, eine Ressourcengerechtigkeit wird er nicht bieten. Aber da sind auch andere gefragt, wir alle wohl.

Benedikt Kraft/DBZ

www.leipzig.de/bauen-und-wohnen/stadtentwicklung
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