Baukultur in Leipzig

Wir alle wollen Baukultur, aber erstens: Was ist das genau? Und zweitens: Wer sind „wir“? In Leipzig wurde Mitte November 2013 der Architekturpreis der Stadt verliehen. Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau (Grüne) übergab die Plaketten und Urkunden des seit 1999 verliehenen, undotierten Preises an das Berliner Architekturbüro Max Dudler, das für die S-Bahn-Station Wilhelm-Leuschner-Platz verantwortlich zeichnet, sowie an das Leipziger Büro „Langheinrich + Manke“, dem wir die Gartenhofhäuser, Mehrfamilienwohnen, zu verdanken haben. Neben den beiden Hauptpreisen, mit welchen in der Vergangenheit zahlreiche große deutsche Büros für ihre Bauten in Leipzig ausgezeichnet wurden, gab es zwei lobende Erwähnungen.

Doch kaum war das freudige Ereignis verkündet, wurde Kritik laut, insbesondere bezogen auf den Dudler-Entwurf. Nicht der unterirdische Bahnsteig missfällt dem Stadtforum Leipzig, einer kleinen wie durchaus rührigen Privatinitiative für den „behutsamen Stadtumbau“, sondern die oberirdischen Zugangsbauten, die, so das Forum „völlig deplatziert“ seien. Gleiches äußert auch der Landesverband Sachsen der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur (DGGL). Vorstand Michael Berninger: „Das nördliche Eingangsgebäude zerstört brachial sowohl die feingliedrige Eingangssituation der Petersstraße zur Innenstadt, als auch die einzigartige, im Jahr 1858 nach Entwürfen Lennés entstandene Parkanlage als Teil des Promenadenrings. Besonders schmerzlich ist die Unterbrechung der Blickachse vom östlichen Hügel des Otto-Koch-Denkmals zum Neuen Rathaus.“ Dass an diesem Ort irgendwann einmal das umstrittene Freiheits- und Einheitsdenkmal abgestellt werden soll, macht die empfindliche und nun heikle städtebauliche Situation am südlichen Eingang zur Altstadt nicht leichter handhabbar.

Baukultur ist, wenn niemand schimpft? Wohl kaum. Andererseits ist die Volkesstimme in den Kommentarspalten der regionalen Onlinemedien, die die überirdische Architektur Dudlers in der mildesten Variation nur als „unterirdisch“ abqualifiziert auch kein Ausdruck von kultiviertem Verhalten. Womit wir wieder bei der eingangs gestellten Frage sind, wer denn die „wir“ sind, die Baukultur einfordern; oder definieren?

Dass zum Architekturpreis der Stadt Leipzig auch das Shoppingcenter „Höfe am Brühl“ (Grüntuch Ernst) in Erwägung gezogen wurden darf überraschen. Sein gigantisches und unentschieden aufgelöstes Volumen hat jedenfalls mit der Kleinteiligkeit der anliegenden Altstadt nichts zu tun und ganz sicher nichts mit dem Pragmatismus im Kulturellen, den der derzeitige Vorsitzende der fürs Baukulturelle zuständigen Bundestiftung, Reiner Nagel, in diesem Heft auf Seite 20f. in der Baukultur einfordert. Be. K.

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