Günstiger und nachhaltiger planen

Die Branche tut sich derzeit schwer damit, im Wohnungsbau den geforderten Dreisatz aus Ökonomie, Ökologie und gesellschaftlichen Anforderungen zu lösen. Um dennoch nachhaltig, sozial verträglich und wirtschaftlich planen zu können, gilt es daher, vermeintliche Zielkonflikte mit einer ganzheitlichen Betrachtung auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.

Welche ökologischen und finanziellen Kosten können wir uns als Gesellschaft im Wohnungsbau leisten? Die Frage trifft den Kern eines Dilemmas, das Deutschland seit Jahren beschäftigt: In vielen Städten verschlingt die Miete bei Neuverträgen über 40 Prozent des durchschnittlichen Einkommens. Gleichzeitig fehlen laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) jährlich rund 320 000 Wohnungen [1]. Der Druck auf den Neubau wächst – doch jeder konventionell gebaute Quadratmeter treibt die CO₂-Emissionen in die Höhe. Unter Berücksichtigung aller Vorketten verursacht das Bauen und Betreiben von Gebäuden bereits heute rund 40 Prozent der nationalen CO2-Emissionen. Mit der herkömmlichen Bauweise verfehlen wir die Klimaziele und überschreiten die planetaren Grenzen.

Warum ist Wohnungsneubau so teuer – finanziell und ökologisch? Die Gründe sind vielfältig: knapper Boden, steigende Baukosten, hohe Zinsen und langwierige Genehmigungsverfahren. Die Herstellung von Baumaterialien, der Bauprozess, der Betrieb und die Instandhaltung von Wohngebäuden verursachen gleichzeitig große Mengen an CO2, verbrauchen Energie und Ressourcen und versiegeln Flächen. Nichtsdestotrotz sind die ökologischen Kosten des Bauens bislang kaum Teil der öffentlichen Debatte.

Dieser Artikel analysiert die zentralen Kosten­treiber im Wohnungsneubau und betrachtet Ressourcenverbräuche finanziell und ökologisch. Er zeigt, wie sich die Kosten eines Quadratmeters Wohnraum typischerweise zusammensetzen und warum finanzielle und ökologische Kosten zusammen gedacht werden müssen.

Welche Kosten anfallen

Die Herstellungskosten des Geschosswohnungsbaus in deutschen Großstädten lagen 2024 im Median bei 4 200 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche (m² Wfl.), mit einer Spanne von 3 200 bis zu 8 000 Euro/m² Wfl. Inklusive der Grundstückskosten betrugen die gesamten Inves­titionskosten etwa 5 150 Euro/m² Wfl. – Tendenz steigend. Zwischen 2020 und 2023 sind die Herstellungskosten um 42 Prozent gestiegen, technische Ausbaugewerke sogar um 336 Prozent seit 2000. [2] Eine Aufschlüsselung der aktuellen Kos­ten nach Kostengruppen der DIN 276 zeigt, wo die größten Hebel liegen: Grundstück und Bauwerk dominieren die Kalkulation, doch auch Baunebenkosten machen 17 Prozent aus.

Für den Mietpreis bedeutet dies: Eine frei finanzierte Miete unter 17,50 Euro/m² ist bei den aktuellen Kosten und Zinsen kaum möglich. In deutschen Großstädten liegen die Angebotsmieten für Neubauwohnun­gen bei 15-22 Euro/m².[3] Die Angebotsmiete im Neubau ist dabei das Ergebnis einer betriebswirtschaftlichen Rechnung: Sie muss die Investition und die laufenden Kosten amortisieren und eine Rendite ermöglichen. Je höher die Baukos­ten, desto höher die Miete.

Ausgehend von einer „bezahlbaren Kaltmiete“ von 12,50 Euro/m² ist bei den genannten Investitionskosten von knapp 5 200 Euro/m² ein Förder- oder Subventionsbarwert von mehr als 1 350 Euro/m²erforderlich. Um eine Miete von 10 Euro/m² zu erreichen, sind Förderungen von etwa 1 900 Euro/m² erforderlich. Für Sozialmieten unter 7 Euro/m² steigt der Förderbedarf auf rund 2 900 Euro/m². Hochgerechnet auf 100 000 Sozialwohnungen bedeutet das 15 Mrd. Euro jährlich.[4]

Aus ökologischer Sicht ist jeder Quadratmeter Neubau eine Ressourcen- und Materialfrage: Energie- und CO2-intensive Materialien wie Beton, Stahl, Dämmstoffe und Glas dominieren die Konstruktionen im Neubau – und sind zugleich die größten Treiber des ökologischen Fußabdrucks. Die grauen Emissionen eines konventionellen Neubaus betragen über den Lebenszyklus zwischen 400 und 800 kg CO₂-Äquivalente pro Quadratmeter Nettoraumfläche, ein großer Teil davon entsteht bereits in der Gebäudeherstellungsphase.

Allein die durch das BBSR bezifferten 320 000 zusätzlichen Wohnungen pro Jahr verursachen 10 Mio. Tonnen CO₂ Äquivalente. Zusätzlich zu berücksichtigen ist hier die notwendige Instandhaltung und ein möglicher Rückbau am Ende des Lebenszyklus. Diese Emissionen stehen im Konflikt mit dem 1,5-Grad-Ziel und den Vorgaben des Klimaschutzgesetzes.

Um die Klimaziele zu erreichen und die planetaren Grenzen nicht zu überschreiten, müssen die grauen Emissionen des Neubaus bis 2040 um mehr als 70 Prozent sinken – von derzeit 600 auf unter 200 kg CO₂/m². Ein möglicher Zielpfad der Lebenszyklusemissionen für Neubauten orientiert sich an der durch den Sachverständigenrat für Umweltfragen publizierten Stellungnahme zum verbleibenden deutschen CO₂-Budget. [5] Im Klimaschutzgesetz ist eine Reduktion der nationalen Emissionen bis zum Jahr 2040 um mindestens 88 Prozent verankert.

Aktuelle Studien zeigen, dass eine lebenszyklusbasierte Bauweise nicht nur CO2, sondern auch Kosten senken kann. [6] Gründung, Tragstruktur und Fassade machen zwei Drittel der Lebenszyklusemissionen aus – hier liegt der größte Hebel. Es gilt demnach, insbesondere in grundlegenden Entscheidungen der Bauweise, Materialien der Tragstruktur (insb. Deckensysteme) und der Planung/Nichtplanung von Untergeschossen die Auswirkungen auf die Lebenszyklusemissionen einzubeziehen. Ein Erreichen der genannten Zielwerte ist nur durch eine Material- und Bauwende möglich, die eine klare Priorität auf die Minimierung der Lebenszyklusemissionen setzt.

Auch die Transformation des Bestands bietet Potenzial: Sanierungen verursachen bis zu zwei ­Drittel weniger graue Emissionen als Neubauten. [7] Im Sinne der lebenszyklusorientierten Planung liegt der Fokus im Bestand auf der Reduktion der Umweltwirkungen im Betrieb.

Integrierte Kostenbetrachtung

Ein Quadratmeter Wohnraum ist mehr als eine Zahl in Euro. Er ist ein Bündel aus ökonomischen und ökologischen Ressourcen, die bislang getrennt betrachtet werden. Eine zukunftsfähige Planung erfordert daher eine doppelte Bilanzierung: ökologische und finanzielle Auswirkungen müssen integriert gesteuert werden.

Die größten Hebel für Kostensenkung und Ressourcenschonung liegen nicht in kleinen Detailmaßnahmen, sondern in einer grundlegenden Veränderung der Planungs- und Baupraxis. Entscheidungen müssen lebenszyklusorientiert getroffen werden, unter Einbezug von Umweltkos­ten und unter Berücksichtigung von langfristigen ökologischen Auswirkungen. Konkrete Hebel der integrierten Kostenreduktion ergeben sich dabei sowohl auf Prozessebene als auch auf technischer Planungs- und Umsetzungsebene:

· Bodenpolitik neu denken: Konzeptvergaben, Erbbaurecht und eine aktive Bodenpolitik können Einstiegskosten senken, Spekulation begrenzen und Klimaschutzanforderungen frühzeitig integrieren und langfristig sichern. Die Verankerung von klaren Vorgaben hinsichtlich Ressourcenschonung und Lebenszyklusemissionen stellt dabei ein Instrument zur Sicherstellung von ganzheitlicher und ökologischer Betrachtung dar. Bezahlbare Mieten erfordern eine Entkopplung von spekulativen Bodenwerten und langfristige Mietpreisbindungen.

· Förderpolitik integrieren: Ökologische und soziale Ziele müssen zusammengedacht werden. Kombinierte Förderungen für niedrige Lebenszyklusemissionen und dauerhaft bezahlbaren Wohnraum sowie für die Umnutzung und Nachverdichtung von Bestand zu sozial und ökologisch wertvollen Nutzungen schaffen Planungssicherheit und vermeiden Zielkonflikte. Integrierte, langfristige Programme stärken Anreize für ganzheitliche Lösungen und sichern verlässliche Planungsgrundlagen.

· Serielles und modulares Bauen fördern: Standardisierte und modulare Elemente verkürzen Bauzeiten, reduzieren Fehlerkosten und schaffen Skaleneffekte – was ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist. Aktuelle Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die Potenziale des seriellen und modularen Bauens bereits positive Auswirkungen auf Kosten- und Planungsprozesse sowohl im Neubau als auch bei der Sanierung zeigen, die Potenziale jedoch noch nicht voll ausgeschöpft sind. [8] Eine konsequentere Nutzung von Digitalisierung im Planungsprozess und Automatisierung von modularen und seriellen Bauweisen gehört zu den notwendigen Schritten. Zusätzlich ermöglichen serielle und modulare Bauweisen auch eine standardisierte Dokumentation und Ökobilanzierungen – ein relevanter Aspekt von transparenter Nachhaltigkeitsquantifizierung.

· Suffiziente Planung: Dies beginnt mit dem Erhalt und der Transformation des Bestands und zeigt sich auch im Neubau durch einen stärkeren Fokus auf Dauerhaftigkeit, den Lebenszyklus und Wartungsfreundlichkeit. Reduzierte Bauteildicken und der Verzicht auf Untergeschosse senken Kosten und Emissionen. Eine Senkung der Kosten und Umweltwirkungen kann hier einerseits durch gezielte und sinnvolle Reduktion von Standards im Sinne bspw. eines Gebäudetyps E erfolgen als auch durch die kontinuierliche Optimierung und Planungsentscheidungen im Sinne des minimalen Ressourcenverbrauchs. Diese Ansätze und Maßnahmen zeigen: Kostensenkung und Nachhaltigkeit schließen sich nicht aus – im Gegenteil. Effiziente Planung spart langfris­tig Geld und CO2.

Die Transformation des Wohnungsbaus hin zu Klimaneutralität und bezahlbaren Mieten ist nicht nur technisch, sondern vor allem finanziell herausfordernd. Förderprogramme wie das Klimafreundliche Neubau-Programm (KfN) als Teil der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) sollen den Wandel beschleunigen. Doch öko-sozialer Wohnbau scheint (noch) kein Geschäftsmodell zu sein. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen regelt der Markt das Problem nicht allein – es braucht gezielte Unterstützung und zukunftsweisende Rahmenbedingungen, um den scheinbaren Widerspruch zwischen Klimazielen und sozialer Wohnraumversorgung zu lösen. Dafür müssen Förderungen konsequent auf Lebenszykluskosten und Umweltwirkungen ausgerichtet werden.

Ganzheitliche Betrachtung

Bezahlbarer Wohnraum und das Bauen innerhalb der planetaren Grenzen sind kein Widerspruch – sie erfordern eine ganzheitliche Logik. Der vermeintliche Zielkonflikt entsteht durch verkürzte Betrachtungen: Wir rechnen mit Baukosten, ignorieren aber Lebenszykluskosten und Klimafolgekosten. Wir optimieren Technik, statt die Systemlogik zu verändern.

Die Lösung liegt in einer transformierten Planungs- und Förderlogik: doppelte Bilanzierung (Euro und CO₂), Lebenszyklusdenken und zielgerichtete staatliche Steuerung, die soziale und ökologische Ziele integriert. Historisch hat sich gezeigt: Fortschritt in der Wohnraumversorgung gelingt mit den richtigen Rahmenbedingungen auch von staatlicher Seite. Das gilt heute mehr denn je – nicht als Ersatz für den Markt, sondern als Rahmen für ein Geschäftsmodell, das bezahlbar und klimaverträglich zugleich ist.

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