Eine Line zuviel?! Ein Prinz baut sich ein Haus

Gibt es eine alte Zukunft? Wenn ja – kaum vorstellbar – dann muss es auch eine neue geben: „Neom“ könnte die dann heißen, ein Neologismus, wie ihn wohl nur eine hochbezahlte Werbeagentur erfinden kann und tatsächlich bereits 2021 kreierte. „Neom“ setzt sich aus dem altgriechischen „neo“ (neu) und dem ersten Buchstaben des arabischen Worts „mustaqbal“ (Zukunft) zusammen, also Neue Zukunft.

Neue Zukunft, denn Zukunft allein langweilt. Oder ist eben schon besetzt durch Bilder, die die Macher von Neom für nicht relevant halten. Vielleicht auch für nicht vermarktbar, denn tatsächlich sind die Aussichten auf das Kommende nicht ungetrübt. Neom ist also ein Projekt und eine Agentur zugleich und in diesen und weiteren Bestandteilen eines Irgendwie Konglomerats gibt es ein großes Architekturprojekt: The Line.

The Line soll in Saudi Arabien einmal stehen. Eine verspiegelte, bis zu 500 m  hohe, doppelte Bergkette, die allerdings so geometrisch einfach geformt ist, wie zwei auf geringen Abstand in den Wüstensand gestellte, 500 m breite und 170 km lange Lineale. In denen sollen irgendwann einmal 9 Mio. Menschen leben. 500 Mrd. US Dollar soll das Bauwerk kosten (wer kann das noch schätzen?). Bauherr und sicherlich größter Investor ist das Königshaus, treibender Kopf der Kronprinz Mohammed bin Salman. Dass die Monarchen alles zahlen könnten, ist angesichts ihres Vermögens zu vermuten, doch die Familie der Saud ist groß und deren Alimentierung kostet. Man sucht also nach Investoren.

Aber zugleich sucht man auch nach Archi­tekturbüros und Ingenieur:innen, die hier mitmachen wollen. Ungeniert werden große Büros direkt angesprochen, auch deutsche. Man lockt mit viel Geld und großartigen Aussichten, doch was versprochen wird – eine andere Zukunft – ist am Ende nichts anderes, als der Versuch eines Einzelnen, sich und vielleicht noch seinem Land das Denkmal zu setzen, das die benachbarten Herrscherhäuser bereits setzten; mit höchsten Türmen, teuersten Museen oder ganzen Inselgruppen in banalem Dekor.

Was machbar ist, soll gemacht werden. Katar hat es zuletzt vorgemacht auf Kosten von Menschenleben mit Billigung internationaler Sport- und Medienkonzerne. Einige deutsche Büros haben deswegen auch abgewunken, aber auch, weil das Versprechen auf die neue Zukunft nicht haltbar ist: zuviel Brechstange, zu wenig Antworten auf die wesentlichen Zukunftsfragen dieser Welt: Migration, Hunger, Kriege. Die Glitzerwelt für die Nine Million Upper Class, die wohl auch nur auf den Visuals glitzern kann und nicht mehr auf dem Boden des tageslichtfernen, endlos langen, steilen Canyon, der eine Bandstadt klimatisieren soll, diese Glitzerwelt haben wir in guten Science Fiction Filmen sympathisch zerbröckeln sehen. „The Line“, für das zurzeit für die Fundamente gebaggert wird, ist jetzt schon ein zig-milliardentonnenschwerer CO2-Schuss in den Sand. Vielleicht ist das Wüstenprojekt „The Line“ doch eine Linie zuviel? Please „Back to the Future“, dann Teil 4. Be. K.

www.neom.com/de-de
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