Vorsprung durch AwardingAudi wagt einen Blick in die urbane mobile Zukunft
Rupert Stadler ist ein eloquenter Mann. Gerade mal 47 Jahre alt, führt er als Vorstandsvorsitzender seit ein paar Jahren einen sehr erfolgreichen Automobilkonzern. „Vorsprung durch Technik“ ist dessen Motto nicht erst seit heute; bereits Anfang der 70er Jahre setzt Audi auf dieses Bild (zur Einführung des Wankelmotors, der sich nach 40 Jahren Verschwundenseins bei Audi nun im neuen A1 wiederfindet: als Batterieladeaggregat für ein Elektrofahrzeug). Die Zukunft des Automobils, so Stadler im Gespräch mit der DBZ, ist Elektromobilität. Womit er flott darüber hinweg geht, die für Franzosen und Japaner äußerst erfolgreiche Hybridtechnik für Audi verpasst zu haben.
„Vorsprung durch Technik“ ist jedoch sehr allgemein, denn auf welchem Feld der Technik Vorsprung überhaupt Sinn macht, wird nicht klar, soll auch nicht. Wie aber muss die automobile Technik heute gedacht werden, um in zwanzig, in dreißig Jahren noch immer Autos verkaufen zu können? Dass es das Auto noch lange, eigentlich immer geben wird, davon geht Stadler aus; muss er ausgehen. Wie aber soll es wettbewerbsfähig gehalten, seine auch umstrittende Präsenz im Stadtraum legitimiert werden? Eine Antwort darauf suchte der Mann über einen geladenen Ideen-Wettbewerb; in welchem nicht Soziologen, Ökonomen oder die Politik Antworten liefern sollten, sondern Architekten und Designer. Er lud sechs Büros zum ersten und mit 100 000 € spektakulär hoch dotieren Audi Urban Future Award ein (kuratiert und eigentlich erfunden von Stylepark, Frankfurt a. M.). Die Büros waren Alison Brooks Architects (London), BIG - Bjarke Ingels Group (Kopenhagen), Cloud9 (Barcelona), Diller Scofidio + Renfro (New York), J. Mayer H. (Berlin) und Standardarchitecture (Beijing). Die New Yorker stiegen vor Wochen aus, die Glücklichen leiden am Workoverflow. Die fünf Verbliebenen stellten sich am 24. August in Venedig einer internationalen Jury; die sich entschied für J. Mayer H. als Gewinner.
Alle Teilnehmer sehen ganz realistisch das Auto auch in Zukunft allgegenwärtig in unseren Städten, jedoch veränderten sie seine Größe oder seine Form. Kratzten an seiner „Erster unter Gleichen“-Stellung, versetzten es in Dauerbewegung, in ein geräusch- und emissionsloses Strömen. Jürgen Mayer H. und sein Team definierten das Auto als einen neuen Ort der Stadtwahrnehmung, einer Stadt, die sich als „kybernetische Selbstinnovation“ im Dataspace den Wünschen seiner Nutzer (Bewohner gibt es nicht mehr) ständig verändert. Der dazu in Venedig gezeigte Film über die Mayer-City als „Pokeville“ erzeugte leises Gruseln ob der Vision eines Cyberspaces Stadt, in welchem die Menschen wie Clone ihrer selbst als leblose, geschlechtsneutrale Gefäße auf den Zugriff aus dem unentwirrbaren System Stadt zu warten schienen.
„Vorsprung durch Technik“, das reicht eben bald nicht mehr. Die Ergebnisse des Wettbewerbs haben tatsächlich das eine gezeigt: Automobilität wird integraler Teil einer Gesamtmobilität werden – abgesehen von der von Stadler völlig unvisionär bezeichneten „Premiummobilität“ für potente Giga-SUV-Halter. Nicht mehr die chromblitzenden Nümmerchen am Kunststoffkleidchen hinten dran entscheiden über die Potenz des Fahrers. Der Grad der Bewegungsfreiheit im System – Geschwindigkeit, Richtungswechsel etc. – und die Qualität der Serviceleistungen (z. B. der Grad der Realitätserweiterung) werden Auskunft geben über den gesellschaftlichen Status. Ganz sicher wird Rupert Stadler, dem es heute wichtig ist, sich mit Freunden beim besten Italiener zur Pizza zu verabreden und nicht beim nächst erreichbaren, das auch in Zukunft noch können. Wir anderen wohl nicht mehr. Be. K.