Buntes Glasleuchten

VIP-Eingang SAP Arena, Mannheim

Die eher kleine Struktur aus elegant geschwungenen Glasscheiben, bei der die Glaswände die Dachkonstruktion (scheinbar) tragen – was durch das in der Farbe variable Leuchten der Glasscheiben verstärkt wird – vermittelt den Besuchern eine emotionale, biomorphe, fast körperliche Präsenz beim Betreten des Gebäudes, die man durchaus als konträre Erfahrung bezeichnen kann, die das Betreten eines technischen Gebäudes auslöst.
⇥DBZ Heftpate Mick Eekhout

Mit Glas kann man viel machen. Steht es erstmal als das für die Bauaufgabe geeignete Material fest, könnte man zaubern. Wäre da nicht der Zeitdruck gewesen, der eine bauaufsichtliche Zulassung im Einzelfall verhinderte. So wurde nicht gezaubert, es wurde (an)gebaut. Ein gläsernes Etwas, vorhangbeschwingt, lichtleicht und sehr funktional.

Der Entwurf sollte, so Florian Schlüter bei der Projektbesprechung im Frankfurter Büro der Architekten, möglichst anspruchsvoll sein. Aber auch: „Er muss natürlich zum Bestand passen.“ Was eigentlich selbstverständlich klingt, wäre da nicht die Masse des Bestands, an den passend anzudocken überhaupt nicht einfach war. Der Bestand, die SAP Arena in Mannheim, eine Multifunktionsarena geplant von HPP, Düsseldorf, und fertiggestellt 2005, steht als massive Schale in einem Glasrahmen. An allen vier Ecken liegen die Zugänge zu den Tribünen, von denen aus bis zu 14 000 Zuschauer den Eishockey- oder Handballspielen, den Konzerten oder anderen Großveranstaltungen beiwohnen. Und irgendwo gibt es auch Zugänge für die Sportförderer, die Teilhaber, die wichtigen Gäste und also die ganze Gesellschaft der VIPs. Man bat die Frankfurter Architekten um Hilfe, hier und da und vor allem bei den VIP-Zugangs- und Aufenthaltsräumen Hand anzulegen, da einige Schwachstellen deutlich geworden waren: dämmrige bis dunkle Räume, Kunststoffparkett, Textiltapete, abgehängte Decken und Stahlrahmentüren zu den Räumen für die VIPs sprechen für ein Generalübernehmerfinish, was von Anfang an nicht in der Lage war, eine edlere Patina anzunehmen. Abnutzung und starke Gebrauchsspuren machten die VIP-Räume zumindest unattraktiv für die VIPs, die auch schon einmal in anderen Stadien zu einer Loge geschlendert sind.

Vor allem aber der nur schwer auffindbare VIP-Eingang war dem Betreiber ein Dorn im Auge. Der Betreiber der SAP-Arena ist auch
der Bauherr des Henninger Turms (s. Monatsinterview, S. 12 f.) und aus dieser gemeinsamen Zusammenarbeit kam auch der Kontakt mit Meixner Schlüter Wendt Architekten zustande.

Der Entwurf

Formal passt das Geschwungene zum geschwungenen Dach, mit der Chance, sich ganz eigen zu entwickeln. Glas wurde gewählt, weil man sonst nur noch massiv am Bestand hätte arbeiten können. Das Material Glas greift also die Glasfassade auf, ist aber formal und in der Ausführung wesentlich raffinierter. Zudem sollte so etwas wie eine Aura, eine Art Schleier geschaffen werden: „Aquarellhaft und nicht so bestimmt!“ so Florian Schlüter. Diese Aura, die in eine konkrete Form geflossen ist – das Lebendige, Bewegte einer sich vor dem Eingang versammelnden Menschentraube –, wurde über das Amöbenhafte außen in ein eher fließendes Kontinuum im Inneren der Arena übergeleitet. Mit einheitlichen Böden, mit geschwungenen Glaswänden bis hinauf in die VIP-Lounges. Der „Leuchtkörper Eingang“ draußen, so Claudia Meixner, habe eine Tiefe, die ideale Bedingungen für eine Vermittlung von innen und außen bereitstelle.

Ein- und Ausgang sind unterschiedlich groß, was der unterschiedlichen Geschwindigkeit der Ankommenden und Gehenden geschuldet ist. So werden sich im Eingang viele noch an die Theke setzen, hinter der ein großer Screen alles Mögliche zeigen kann. Ebenfalls ist hier ein Counter für den ersten Empfang untergebracht. Die gewellten Gläser innen wechseln mit Gipskartonflächen. Beide dienen dazu, Vor- und Rücksprünge im Rohbau des Bestands zu kaschieren. Die Mischung Glas/Gipskarton resultiert aus den unterschiedlichen Funktionen wie Reversibilität und Akustik.

Glasblasen

Glas war das Mittel des Entwurfs, aber einfach nur Glas zu nehmen, das wäre wohl zu einfach gewesen. So sollten die Glaskörper leuchten können, aber nicht transparent sein. Zudem war ursprünglich daran gedacht, die Glaswände als tragende Elemente auszuführen. Weil aber der Eingang/Ausgang zu einer bestimmten Zeit fertig werden musste und die Ausführungsarbeiten auf wenige Wochen Spielpause beschränkt waren, konnte das Einfache nicht umgesetzt werden. Die selbsttragende Konstruktion hätte eine bauaufsichtliche Zulassung im Einzelfall verlangt; und für ein solches, schwer abschätzbares Verfahren war keine Zeit.

Ohnehin als zweischalige Konstruktion mit 400 mm Zwischenraum geplant, wurde die Dachkonstruktion nun über einzelne, zwischen den Scheiben stehende Stahlstützen „gesichert“. Statisch wäre die stützenfreie Lösung kein Problem gewesen, hier hätte die Wellenform bereits optimal ausgesteift (Bollinger + Grohmann hatten diese Lösung schon gerechnet). Ebenfalls in diesem Zwischenraum wurden oben und unten LEDs eingebaut, die die Empfangs-/Ausgangsblasen je nach Anlass blau oder rot oder gelb oder … einfärben können.

Um hier größte Homogenität bei der Lichtverteilung und die Sicherung ausreichender Opazität des Baukörpers insgesamt zu erreichen, sollten die Gläser ursprünglich mittels Laser eine „vereiste Oberfläche“ erhalten (Projektleiter Georg Kratzenstein). Aber auch hier bewirkte der enorme Zeitdruck, dass man sich für eine Folienlösung entscheiden musste. Schon die Ausführung der damals zumindest seltenen Methode der Glasverblindung mittels Laser hätte zu viel Zeit gekostet. Kostengründe, so Georg Kratzenstein, hätten dabei keine vorrangige Rolle gespielt.

Die Scheiben aus 20 mm Verbundsicherheitsglas, bestehend aus zweimal 10 mm teilvorgespanntem Glas mit opaker Folie, stehen beweglich auf zwei Kunststoffstäbchen, die wiederum in einer Stahlrinne gehalten werden. Diese Rinne ist Teil einer Gesamtstahlbaukonstruktion, die nicht nur die Innen- und Außenscheiben aufnimmt, sondern auch die Lichttechnik, Lüftung, Entwässerung etc. Die dem Fassadenverlauf folgende Stahlkonstruktion, die auf einem Flächenfundament aufliegt, musste zudem auf die Geländeneigung reagieren. Während die Scheiben unten also spannungsfrei gelagert sind, werden sie oben über demontierbare Bleche geklemmt.

Zusammenarbeit

Die Planung erfolgte über digitale Tools und in einem digitalen Modell. Pläne wurde im Austausch bearbeitet (3D-Planung), ein BIM-Modell war allerdings nicht erforderlich. Konstruktive Details in der Planung (Fußboden-, Dachanschlüsse) wurden als 2D-Pläne dargestellt.

Es gab eine Fachplanerrunde, so Georg Kratzenstein, in welcher die Planüberarbeitung und sämtliche Kommentare in einer Art Ping Pong ausgetauscht und aktualisiert wurden. Bollinger + Grohmann Ingenieure haben in diesem Prozess die geplanten Freiformen in eine optimierte Tragstruktur übertragen, insbesondere bei der Berechnung der Scheibenradien. Dies war entscheidend sowohl für den statischen, aber auch den wirtschaftlichen Aspekt der Aufgabe.

Als das Meiste gerechnet war, fehlte die Glas-/Stahlbaufirma. Mit der Arnold AG, die u. a. auch für die Herstellung der schrill bunten Skulpturen von Jeff Koons verantwortlich ist, erhielt ein Unternehmen den Zuschlag, mit dem das Ganze noch an deren Arbeitsweise und Fertigungsmöglichkeiten (Maschinen) leicht angepasst werden konnte.

Fazit

Die umfangreichen Tests und Simulationen seitens Bollinger + Grohmann Ingenieure haben gezeigt, dass Glas als konstruktives Element möglich und auch nicht zu teuer sein muss. Für die anspruchsvolle Gestaltung des VIP-Empfangs in der SAP Arena erscheint das Ma­terial mit seinen Möglichkeiten (Statik, Opazität, Dauerhaftigkeit, Pflege und nicht zuletzt Ästhetik) ein idealer Baustoff. Ob es in Zeiten „durchgängiger Straßenblockaden durch Betonpoller“ (Claudia Meixner) noch in dieser Weise hätte realisiert werden können, ist fraglich, aber bei entsprechendem Aufwand natürlich möglich. Jetzt stehen unsichtbare Stahlstützen wie Poller und nichts kann schiefgehen. Be. K.

Baudaten

Objekt: VIP-Eingang SAP Arena
Standort: An der Arena 1, 68163 Mannheim
Typologie: Eingang Multifunktionshalle
Bauherr: SAP Arena, www.saparena.de
Architekt: Meixner Schlüter Wendt Architekten, Frankfurt a. M.,
www.meixner-schlueter-wendt.de
Mitarbeiter (Team): Georg Kratzenstein (Projektleiter), Emanuel
Gießen, Asmus von Esebeck, Philipp Münster
Bauleitung: Anthony Moiba (Meixner Schlüter Wendt Architekten)
Bauzeit: Juni 2014 – August 2014

Fachplaner

Tragwerksplaner: Bollinger + Grohmann, Frankfurt a. M.,
www.bollinger-grohmann.com
TGA-Planer: Ingenieurbüro Beck, Helmstadt, www.ing-beck.de;
IPB GmbH Ingenieurgesellschaft für Energie- und Gebäudetechnik, Frankfurt a. M.
Fassadentechniker: Bollinger + Grohmann, Frankfurt a. M.
Brandschutzplaner: HHP Süd, Ludwigshafen, www.hhp-sued.de

Projektdaten

BGF ca. 210 m²

Produkthersteller

Dach: Sonderanfertigung Fa. Arnold AG, www.arnold.de
Fassade: Sonderkonstruktion Fa. Arnold, www.arnold.de; Flintermann Isolierglas GmbH & Co. KG, www.flintermann-glasveredelung.de
Decke, Trockenbau: Knauf Aquapanel, www.knauf-aquapanel.com
Beleuchtung: XAL, www.xal.com
Software / CAD / BIM: McNeel Rhinoceros / Grasshopper,
www.rhino3d.com; Karamba3D, www.karamba3d.com; Autodesk Autocad, www.autodesk.de; Dlubal RFEM, www.dlubal.com

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