Umwelt-Produktdeklarationen
Nachhaltigkeitsbewertung von Bauprodukten

Beim nachhaltigen Bauen geht es um die ganzheitliche Qualitätsverbesserung des Bauens über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks. Dieser beginnt mit der Planung, setzt sich fort mit der Baustoffherstellung und Gebäudeerstellung, beinhaltet als den wesentlichsten Faktor die Gebäudenutzung und endet mit dem Abriss/Rückbau sowie der anschließenden Verwertung und/oder Deponierung der Gebäudereststoffe. Eine ingenieurmäßige Betrachtung des nachhaltigen Bauens ist daher nicht nur sinnvoll sondern notwendig.

In den vergangenen zehn Jahren ist die Bedeutung von produktbezogener Umweltinformation stark gewachsen. Konzentrierte man sich früher bei der Planung eines Gebäudes auf die Minimierung der Betriebsenergie – sprich Mini­mierung der Wärmeverluste – so steht heute eine umfassendere Betrachtung der Umweltrelevanz von Gebäuden im Vordergrund. Den neuesten Trend in dieser Entwicklung stellen Gebäudebewertungs- und Zertifizierungsschemata wie das DGNB-Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen oder das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) dar, die oft nicht nur Umwelt-
aspekte sondern eine umfassende Nachhal-
tigkeitsbewertung eines Gebäudes über dessen gesamten Lebensweg „von der Wiege bis zur Bahre“ anstreben.

Grundlagen für eine Gebäudebewertung sind produktbezogene Umweltinformationen. Grundsätzlich lassen sich drei Typen von Produkt bezogener Umweltinformation unterscheiden (nach ISO 14020):

– Umweltlabels, die für die Einhaltung bestimmter Vorgaben („chlorfrei“) vergeben werden, z.B. der Blaue Engel, das österreichische IBO-Zeichen, nature plus, etc.,

– Selbstdeklarationen, in der ein Hersteller nach einer Vergaberichtlinie Umweltaspekte eines Produktes in Eigenverantwortung öffentlich macht (z.B. Deklaration nach SIA 493), und

– Umwelt-Produktdeklarationen nach ISO 14025 (Environmental Product Declarations = EPD), in denen die Umweltrelevanz eines Produktes basierend auf einer von unabhängiger Seite geprüften Ökobilanz unter Berücksichtigung des ganzen Lebensweges deklariert wird; die Angaben zur Ökobilanz können durch weitere quantitative oder qualitative Angaben zur Umweltrelevanz des Produktes ergänzt sein.

Für Konsumgüter mögen einfache Umweltlabelgenügen. Bauprodukte sind aber Halbfertigfabrikate und stehen innerhalb des Gebäudes in komplexen Wirkungsbeziehungen zu-
einander. Eine Bewertung von Bauprodukten ist deshalb nur auf der Ebene des Bauwerkes und vor dem Hintergrund des gesamten Lebenszyklus inkl. Nutzung und Entsorgung sowie des Recyclingpotentials sinnvoll. Das heißt: die Umweltrelevanz und Nachhaltigkeit eines Bauproduktes entscheiden sich am konkreten Gebäude in Abhängigkeit von der individuellen Nutzung und nicht am isolierten Baustoff oder Bauteil. Dies heißt konkret, dass Informationen zur Umweltrelevanz von Bauprodukten immer im Hinblick auf die Verwendung im Gebäude bereitgestellt werden müssen. Grundlage hierfür sind klare Vorgaben an die Informationsbereitstellung, damit die Umweltinformation a) vergleichbar und b) im Gebäudekontext strukturiert und vollständig verwendet werden kann, ohne Doppelzählungen zu verursachen. Lediglich die gemäß ISO 14025 erstellten Umwelt-Produktdeklarationen (EPD) werden diesen Anforderungen gerecht und haben sich daher als Bauprodukt bezogenes Informationssystem zur Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden etabliert.

Auf europäischer Ebene wurde im Jahr 2005 damit begonnen, die Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden zu normieren (Mandat 350 der Europäischen Union, umgesetzt über die Normenarbeit des CEN TC 350) und damit auch die Erstellung von harmonisierten Europäischen EPD. EPD verfolgen mit ihrem Einbezug der Gebäudeebene einen sachbezogenen Ansatz.

– Sie haben eine allgemeingültige Basis, nämlich Normen bzw. Produktgruppenregeln (PCR),

– sie vereinen in konsistenter Weise sämtliche umweltrelevanten Informationen zu einem Produkt,

– sie werden von Experten und Herstellern erstellt,

– sie werden von unabhängiger Seite verifiziert,

– sie bleiben in der Verantwortung des Herstellers, und

– sind somit Grundlage für die Produkterfassung für nachhaltige Bauwerke

EPD basieren auf einer gemeinsamen Datenbasis, sind ein abgestimmtes Expertensystem, bei gleicher Funktionalität vergleichbar, transparent, informativ und daher im hohen Maße glaubwürdig. Ein entsprechen­des Deklarationsprogramm wird in Deutschland vom Institut Bauen und Umwelt e.V. (IBU) betrieben. Die Programmanforderungen des IBU-EPD-Programms werden in einem Rahmendokument definiert. Dieser  Allgemeine Leitfaden basiert auf den für EPD relevanten ISO Normen (ISO 21930, basierend auf ISO 14025; ISO 14040ff sowie auf der als Vornorm existierenden EN 15804) und regelt die Grundsätze zur Erstellung der Produktkategorienregel (PCR). Die PCR wiederum legen die Anforderungen des Leitfadens spezifisch für eine Produktgruppe aus und ergänzen sie produktspezifisch hinsichtlich gesetzlicher Regelungen und Zulassungen. Die PCR umfassen einerseits die verbindlichen Vorgaben zu Inhalt und Form der jeweiligen EPD und Vorgaben zur Methodik und Dokumentation der Ökobilanz. Die PCR legen somit die Anforderungen fest für die Verifizierung einer EPD.

Zurzeit sind rund 30 IBU-PCR-Dokumente verfügbar. Falls notwendig, werden neue PCR meist basierend auf einem Muster-PCR-Dokument erarbeitet. Diese werden wie alle PCR-Dokumente des IBU von einem unabhängigen Sachverständigenausschuss (SVA) geprüft und zur Stellungnahme interessierter Kreise öffentlich ins Netz gestellt.

Die Erstellung einer EPD beginnt mit der Frage, ob für das zu deklarierende Produkt bereits passende Produktkategorienregeln vorhanden sind. Falls keine passenden PCR vorhanden sind oder der Gültigkeitsbereich eines bestehenden PCR-Dokumentes nicht erweitert werden kann, werden passende PCR vom IBU in Zusammen­arbeit mit dem Hersteller erstellt.

Wenn eine passende PCR vorhanden ist, wird in der Regel der Hersteller ein Umweltberatungsbüro hinzuziehen, das die Berechnung, Auswertung und Dokumentation der Ökobilanz unterstützt. Die übrigen Kapitel der EPD werden von dem Unternehmen in Abstimmung mit dem IBU und ggf. mit einem Beratungsbüro fertig gestellt.

Sind alle Bestandteile der EPD inkl. der Nachweise zusammengetragen und der Hintergrundbericht (die wissenschaftliche, nicht öffentliche Analyse) zur Ökobilanz erstellt, wird beides über das IBU einem Unabhängigen Sachverständigenausschuss zur Prüfung und Bestätigung durch unabhängige Dritte (= Verifizierung) zugestellt. Neben der Zulassung, das heißt insbesondere dem Abgleich der unterschiedlichen Produkt-PCRs ist der Unabhängige Sachverständigenausschuss also auch für die Verifizierung einer EPD zuständig. Zur Bewältigung dieser Aufgabe hat der SVA unabhängige Prüferinnen und Prüfer zugelassen.

Da in Deutschland die Baustoffbranche durch kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) geprägt ist, die sich im Einzelfall die Erarbeitung eigener EPD nicht leisten können, haben sich im IBU-Programm neben Hersteller spezifischen EPD weitere Typen von EPD entwickelt, die die Erstellung von EPD gerade für diese Zielgruppe erleich­tern, darunter: „Verbands-EPD“, in denen ein Verband mit Hilfe seiner Mitglieder eine für alle Verbandsmitglieder gültige EPD erstellt; „Muster-EPD“, in denen für eine spezifische Gruppe von Produkten die allgemein gültigen Elemente der EPD vorgegeben sind, aber z.B. über die Eingabe einer spezifischen Rezeptur in ein einfaches Berechnungstool die Ökobilanzdaten produktspezifisch gerechnet und in der EPD genutzt werden können, sowie „System-EPD“ (Environmental System Declaration ESD) für Bauteile aus mehreren Produkten, wie Fenster aus Glas, Holz-/PVC-Alu-Profil, Beschlag und Dichtprofil, unter Nutzung bestehender EPD.

Mit diesen Typen von EPD ist das IBU Vorreiter in Europa; wegweisend für die Umsetzung der zukünftigen Europäischen Bauproduktenverordnung, die in einer neuen Ba-
sisanforderung – und damit in verbindlicher Form – einen Nachweis zur Nachhaltigkeit, konkret zur nachhaltigen Nutzung mit den Ressourcen, vorschreiben wird.

Die von der Europäischen Kommission mandatierten Arbeiten des CEN TC 350 zielen auf die Entwicklung eines horizontalen Normensatzes ab, der die Regeln für die Quantifizierung der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit eines Gebäudes festlegen wird. Im Vergleich zur Erfassung der Wirtschaftlichkeit und zu den sozialen Aspekten eines Gebäudes sind die Arbeiten für die Quantifizierung der produktbezogenen Umweltaspekte schon sehr weit fortgeschritten; die EN 15804, die Anforderungen an die Erstellung von Umwelt-
Produktdeklarationen für Bauprodukte europaweit vereinheitlichen wird, wurde im Dezember 2010 dem CEN-Büro zur Abstimmung vorgelegt, sie wird voraussichtlich im Herbst dieses Jahres zur Verfügung stehen. Zu den wesentlichen Umweltindikatoren gehören:

- Treibhauspotential in CO2 Äquivalenten

- Ozonabbaupotential in R11 Äquivalenten

- Versauerungspotential in SO2Äquivalenten

- Eutrophierungspotential PO43-Äquivalenten

- Photochemisches Oxidantienbildungspotential in C2H4-Äquivalenten

- Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen, ohne nicht erneuerbare Primärenergie

- Nutzung von erneuerbaren materiellen Ressourcen außer Primärenergie

- Nutzung von erneuerbaren Energieressourcen Primärenergie

- Nutzung von nicht erneuerbaren Energieressourcen, Primärenergie

- sekundäre Brennstoffe, gefährliche Abfälle, nicht gefährliche Abfälle, radioaktive Abfälle

Während sich EPD als b2b-Kommunikation­format zur Ansprache professioneller Nutzer im Gebäudekontext etabliert haben, sind für die Kommunikation mit Konsumenten Vereinfachungen notwendig, um die Angaben nutzbringend interpretierbar zu machen. Hier sind erste Schritte angedacht – der Stand der Entwicklung und der Mangel an praktischen Erfahrungen haben allerdings noch nicht zu einem Normenentwurf geführt.

Abzuwarten bleiben die Auswirkungen der neuen Europäischen Bauproduktenverordnung auf die Erstellung von EPD. Die revidierte 3. Basisanforderung (Hygiene, Umwelt und Gesundheit) und die neue 7. Basisanforderung (Nachhaltige Ressourcennutzung) nehmen explizit Bezug auf umwelt- und gesundheitsrelevante Aspekte von Bauprodukten. Bei deren Nachweis werden EPDs eine noch festzulegende Rolle spielen, und damit möglicherweise mehr oder weniger eng mit der Vergabe des CE-Kennzeichens verknüpft werden.

Eine EPD ist ein Instrument zur systematischen, neutralen Dokumentation der Umweltleistung von Produkten, der Anforderungen aus der Bauproduktenverordnung, gewährt einen standardisierten Informationsaustausch entlang der Lieferantenkette, transportiert standardisierte Informationen für die Gebäudebewertung, stellt eine belastbare Basis dar für das Umweltmarketing von Bauprodukten.

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