Tristesse in Serie oder Haute Couture vom Band?
Seriell-modulares Bauen im Wohnungsbau

Modularität (auch Baustein- oder Baukastenprinzip) ist die Aufteilung eines Ganzen in Teile, die als Module, Komponenten, Bauelemente oder Bausteine bezeichnet werden. Bei geeigneter Form und Funktion können sie zusammengefügt werden oder über entsprechende Schnittstellen interagieren (Wikipedia, Stand 04.10.2018).

Die Ausschreibung des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. ist gleichzeitig Impuls für eine Bauweise und Katalysator für eine Diskussion über das zukünftige Bauen und die Rolle der Architekten.

Wieso eigentlich im Wohnungsbau...?

Der Wohnungsbau ist mit Vehemenz zurück auf der Agenda. Die Wohnungsmärkte vor allem der Groß- und Universitätsstädte in Deutschland sind durch eine anhaltende Dynamik gekennzeichnet. In der Folge haben vor allem einkommensschwache Haushalte und zunehmend auch solche mit mittleren Einkommen Schwierigkeiten, eine für sie bezahlbare Wohnung zu finden. Es werden also schnell viele günstige neue Wohnungen gebraucht: 1,5 Mio. laut Koalitionsvertrag bis Ende 2021. Das wären 375 000 im Jahr. 2017 waren es laut Statistischem Bundesamt 285 000, 2018 werden wohl 300 000 Wohnun-gen fertig, 2019 sollen es 315 000 werden. Will man das Ziel noch erreichen, müssten im letzten Jahr der Legislaturperiode 600 000 Wohnungen gebaut werden – das ist angesichts randvoller Auftragsbücher und des großen Fachkräftemangels in der Bauindustrie auch beim besten Willen nicht zu schaffen.

Dennoch: Kostensenkungskommission, das „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“, der Wohngipfel bei der Kanzlerin im September: Die Politik hat sich des Themas angenommen, und der Druck auf alle Akteu-re, die in der Verantwortung stehen, Wohnraum zu schaffen, steigt. Und so sind – über Schloss, Flughafen und Frankfurts neue Altstadt hinaus – Städtebau und Architektur über den Wohnungsbau endlich wieder in der öffentlichen Diskussion angekommen.

Chancen, Risiken und Nachwirkungen

Architekten haben eine führende Rolle in dieser Diskussion und tragen eine große Verantwortung in der Umsetzung. Zum einen bietet die Situation große Chancen: Schien Deutschland noch vor nicht allzu langer Zeit „gebaut“, kann nun in unseren Städten eine neue, lebenswerte Urbanität geschaffen werden. Zum anderen birgt der Zeitdruck auch Risiken: Bei aller gebotenen Eile dürfen sich die Fehler der 1960er- und 1970er-Jahre nicht wieder-holen! Auch damals wurden unter großem Zeitdruck viele Wohnungen gebaut. Der Blick für urbane Vielfalt, städtebaulichen Maßstab und architektonische Qualität ging dabei oft verloren – im Osten wie im Westen. In der Folge wird uns heute das Schreckensbild einer „Platte 2.0“ vorgehalten, wenn wir von modularem Bauen reden.

Eine alte Idee und ein neuer Impuls

Dabei sind angesichts des aktuellen Handlungsdrucks nicht nur viele neue Wohnungen, sondern auch neue Konzepte für deren Umsetzung notwendig. Denn allein in konventioneller Bauweise und innerhalb herkömmlicher Planungs- und Bauprozesse werden sich all die Wohnungen in der notwendigen Zahl, Geschwindigkeit und Qualität nicht errichten lassen. Dabei gab es dazu schon mal innovative Ansätze, die man aufnehmen und weiterentwickeln kann. In der Zeit der Moderne gerade für den Wohnungsbau erdacht, in der jüngeren Vergangenheit – wenn überhaupt – bei anderen Gebäudetypologien umgesetzt, werden sie jetzt wieder für den Wohnungsbau neu entdeckt und weiterentwickelt: Konzepte industriell vorproduzierter, serieller Elemente und modularen Bauens.

Auch die Politik hat sie (wieder-)entdeckt. Als Impuls, die Entwicklung neuer Konzepte zu fördern, wurde im Juni 2017 ein europaweites Ausschreibungsverfahren unter Federführung des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen sowie der Beteiligung des damaligen BMUB (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit), der Bauwirtschaft wie der Bundesarchitektenkammer gestartet. Ausgeschrieben wurde ein Rahmenvertrag mit dem GdW, auf den dessen Mitglieder zur Realisierung seriell-modular geplanter Projekte zugreifen können.

Neben Erfahrungen in diesem Bereich war eine wesentliche Teilnahmevoraussetzung die Kooperation zwischen Unternehmen und Herstellern der Bauwirtschaft mit Architekten. Unser Büro bewarb sich mit der Modulbaufirma ALHO aus Morsbach. Gemeinsam gehörten wir zu den 15 Teilnehmern, die aus über 50 Bewerbern zum Wettbewerb zugelassen wurden und zu den neun, die im Frühjahr 2018 als Gewinner des Verfahrens in den Rahmenvertrag eingebunden wurden.


Eigene Erfahrungen vor der Ausschreibung

2015 sprach VONOVIA uns an. Wir erhielten den Auftrag, Wohn- und Realisierungskonzepte zu entwickeln, die die Umsetzung des neu gesetzten Unternehmensziels ermöglichen: bundesweit in den Folgejahren schnell und in sehr großer Zahl Wohnungen zu bauen – vor allem im Zuge der Nachverdichtung eigener Grundstücke. Dies sollte (natürlich) unter Einhaltung ambitionierter Kostenvorgaben sowie der Idee geschehen, Typologien mit Blick auf industriell gefertigte, seriell-modulare Einheiten mit hohem Wiederholungsfaktor für ein schnelles und zugleich standortbezogen individuelles Bauen zu entwickeln. Der Hinweis auf Produktionsverfahren und Konfiguratoren der Autoindustrie durfte dabei nicht fehlen.

Wo beginnen, ohne Vorgaben, Größen, Wohnungsschlüssel, Bauweisen oder ein konkretes Grundstück? Wir begannen beim Nukleus der Wohnung, dem Zimmer, hinterfragten jedes „Das war schon immer so“ und stellten jedem „Das hat man noch nie gemacht“ ein „Warum eigentlich nicht?“ entgegen. Wir schauten, was außerhalb des Wohnungsbaus und jenseits des architektonischen Tellerrands geschieht – zum Beispiel im Schiffsbau –, entwickelten das Prinzip eines Baukastens und drehten den üblichen Prozess um: Aus Zimmern wurden Wohnungen, daraus wurden um verschiedene Erschließungskonzepte komponierte Gebäude, die wir individuell in den Stadtraum einfügen konnten: „Individualität in Serie“. Ein modularer Ansatz, auch wenn zu diesem Zeitpunkt die Bauweise noch völlig offen war. Aber Individualität allein reicht nicht: Wir hinterfragten auch die kostentreibende Flächenzunahme pro Bewohner der letzten Jahre, folgten dabei dem Motto „Small but Smart“. Bei der Umsetzung erster Projekte wurde später sehr schnell deutlich, wie schmal der Grat ist, „smart“ zu verspielen und nur noch „small“ zu sein – unter Verlust der Qualität.

Architekt trifft Industrie

Bereits in der Konzeptphase bezogen wir Baufirmen und Hersteller in die Entwicklung ein – vom konventionellen Generalunternehmer über Hersteller vorgefertigter Elemente bis zu Modulbauern. Wir diskutierten mit ihnen die Kongruenz ihrer Systeme mit unse-ren Ideen und den Anforderungen des Bauherrn. Es wurde schnell deutlich, dass Architekten und Industrie gemeinsam erfolgreiche Konzepte entwickeln können – wenn sich beide darauf einlassen und bereit sind, voneinander zu lernen. Am Ende waren es Raummodule, mit denen unsere an den Anforderungen des Bauherrn ausgerichteten Konzepte optimal umzusetzen waren – vor allem mit Blick auf die geplante Nachverdichtung. Mit verschiedenen Herstellern wurden die Konstruktionen aus Beton, Holz und Stahl weiter untersucht. So entstand der Kontakt zu ALHO, die ihre Raum­module aus Stahlrahmen bauen. Die gute und konstruktive Zusammenarbeit führte zur Kooperation im Wettbewerb des GdW.

Die Ausschreibung

„Funktionale Leistungsbeschreibung: Planungs- und Bauleistungen für Mehrfamilienhäuser: Abschluss einer Rahmenvereinbarung für den Neubau von mehrgeschossigen Wohnbauten, die in serieller und modularer Bauweise errichtet werden.“ Unter diesem Titel wurde im Juni 2017 mit Bezug auf den fehlenden bezahlbaren Wohnraum die Zielsetzung des Verfahrens beschrieben:
„(...) Um hier Fehlentwicklungen zu korrigieren, rufen das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), die Baukostensenkungskommission, die Architekten und Fachplaner sowie die Wohnungs- und Bauwirtschaft dazu auf, zeitgemäße Formen des seriellen und modularen Bauens und effektive Formen der partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Architek­ten und Fachplanern, bauausführenden Unternehmen und Wohnungsunternehmen zu entwickeln.“ Dabei sollten die Partner „...an innovativen Gebäude- und Wohnungskonzepten zusammenarbeiten. Es gilt Wege zu finden, rasch und kostengünstig entsprechend qualitätsvollen, nachhaltigen, stadträumlich- und sozialverträglichen Wohnraum zu schaffen. Aus diesem Grunde stehen innovative serielle und modulare Bauweisen (...) im Fokus dieses grundsätzlich technologieoffenen Ausschreibungsverfahrens.“

Gefordert war ein Systementwurf und – zum Vergleich der eingereichten Konzepte – ein durchgearbeitetes, aus dem System her­aus geplantes Modellgebäude auf einem fiktiven Grundstück. Zudem waren in Skizzen Variationen des Gebäudes und seine Anpassbarkeit auf unterschiedliche städtebauliche Situationen aufzuzeigen.

Hinzu kamen durch die Hersteller zu ermittelnde (Brutto-)Kosten für das Gebäude. Sie beinhalten die Kostengruppen 300, 400 und 700 und beziehen sich auf den Quadratmeter/vermietbare Fläche. Inklusive der jährlichen Indexierung sind die Hersteller für fünf Jahre an ihr Angebot gebunden.

Auszüge aus der Ausschreibung lassen den Anspruch an die Konzepte erahnen: „(...) Ziel sind zukunftsweisende, bspw. in Grundriss, Addition und Stapelung innovative Vorschläge (...), die sich preiswert und technisch präzise in serieller Bauweise fertigen lassen und den digitalen Fortschritt nutzen (...).“

„(...) Der Einsatz standardisierter Serienfertigung soll einen kostengünstigen, zugleich qualitätsvollen sowie standort- und sozialverträglichen Bau ermöglichen. Es gilt, eine hohe Qualität etwa durch variierende Wiederholung in individualisierbaren, differenziert gestalteten und anpassbaren Wohnhäusern zu erreichen (...).“

„(...) Ziel ist es, durch die Verknüpfung der Planungs- und Produktionsprozesse Erkenntnisse zu gewinnen, welche Lern- und Skaleneffekte erzielbar sind und wie diese sich auf die Kosten des Gebäudes im Lebenszyklus auswirken (...).“

Natürlich waren alle baurechtlichen Normen und Vorschriften zu erfüllen und hatten die einzelnen Bauteile den gesetzlichen Anforderungen bezüglich Luftdichtheit, Wärme-, Feuchte-, Schall- und Brandschutz zu genügen. Zudem waren alle aktuellen und zukünftigen Nachfragegruppen wie auch der demografische Wandel zu beachten. Und selbstverständlich musste das mit dem Angebot eingereichte Gebäude- und Wohnungskonzept Baureife besitzen. Ein wenig hatten wir bei der Lektüre schon das Gefühl, gesucht sei die eierlegende Wohnmilchsau... Hauptkriterien für die Beurteilung durch die Jury waren „Qualität und Innovation“ – dabei ging es um städtebauliche, architektonische, funktionale, ökologische und technische Qualitäten – sowie der Angebotspreis für das Modellgebäude, die Lieferfähigkeit sowie der Instandsetzungs- und Wartungsaufwand.

Der Eine von neun

In dem geforderten Systementwurf liegt die eigentliche „Intelligenz“ des Konzepts. Wir stellten mit ALHO ein Team aus Planern und Technikern zusammen, das auf Basis unserer gemeinsamen Erfahrungen das System entwickelte. Daraus wurden nicht nur das Modellgebäude und seine Varianten konfiguriert, aus ihm entstand eine ständig „lernende“ Grundrissmatrix, um wie gefordert auch zukünftigen Entwicklungen folgen zu können.

Ziel des Teams war zudem, Wohnungstypen und -größen zu generieren, die weitgehend den Förderrichtlinien der Länder entsprechen. Auch sollten alle Wohnungen nach DIN 18040/Teil 2 barrierefrei sein.

Maßgebend für alle Überlegungen waren die Abmessungen des Grundmoduls. Sein Raum sollte, unabhängig von der späteren Grundrissvariante, immer optimal genutzt werden können. Das Raster von 3,75 x 7,50 m erwies sich wegen seines Innenmaßes von 3,50 m als ideal und ausgesprochen flexibel: Bei einem in Querachse des Moduls platzierten Doppelbett und einem gegenüberstehenden Schrank verbleibt dazwischen der notwendige Abstand von 90 cm. Zudem steht die gesamte Länge des Raums – anders als bei schmaleren Modulen – für Schrankraum zur Verfügung.

Um ein variables System zu entwickeln, das uns in der Grundrissgestaltung und der Anordnung der Wohnungen größtmögliche Freiheit gibt, ist eine variable Modul-Kombination notwendig. Das Seitenverhältnis des Grundmoduls von 1 : 2 spielt dabei eine wesentliche Rolle:
Aus dem Innenmaß ergibt sich die Modulbreite von 3,75 m. Die Modullänge beträgt 7,515 m (2 x 3,75 m + 15 mm Fuge). Das erlaubt die Kombination aus zwei „stehenden“ mit einem „quer“ liegenden Modul, was die Varianz der Grundrisse wie der Gebäudekomposition und damit der städtebaulichen Einbindung vervielfacht. So können Wohnungen in ein-, anderthalb- oder zweifacher Modullänge entworfen werden. Zudem ermöglicht das gewählte Innenmaß, Module längs zu „teilen“: Zwei Wohnungen teilen sich ein Modul, womit sich die Varianz der Grundrissmatrix weiter erhöht.

Mit entscheidend war eine intelligente Planung der Sanitärbereiche innerhalb der Module, sie entscheiden über die Flexibilität vor allem bei der Stapelung von Wohnungstypen. Es wurde eine Zone für alle Nasszellen und Räume mit Wasserver- und -entsorgung definiert, die in jedem Modul an derselben Stelle liegt und in der sich an zentraler Position der Steigeschacht mit allen notwendigen Leitun-gen und Anschlüssen befindet. Er wurde vom Team bis ins Detail geplant. Je nach Wohnungsschlüssel und -zuschnitt und damit verbundener Komposition der Wohnungen im Haus wird der Schacht „aktiviert“ oder – wenn nicht als solcher gebraucht – dem Wohnraum als nutz- und damit vermietbare Fläche zugeschlagen.

Auf diese Weise vor allem in der Vertikalen frei in der Anordnung der Wohnungen zu sein, erlaubt, differenzierte Wohnungsschlüssel umzusetzen, was wiederum zu individuellen, abwechslungsreichen Fassaden führt: Balkone und Loggien lassen sich frei anordnen, wenn Wohnzimmer nicht über Wohnzimmer liegen muss.

Im geforderten Modellgebäude haben wir diese Freiheit aus unserem Systementwurf genutzt. Vorgabe war ein viergeschossiges Einzelgebäude mit 24 Wohneinheiten (4 x 1-2 Zi bis 45 m² / 8 x 2 Zi ca. 60 m² / 8 x 3 Zi ca. 75 m² / 4 x 4-5 Zi > 75 m²) und Platz für einen (nachrüstbaren) Aufzug.

Und jetzt? Vorteile, Wunschdenken und

Diskussionen

Nun gilt es, die Ergebnisse des Verfahrens in konkrete Projekte umzusetzen. Seit der Entscheidung werden die Konzepte auf Veranstaltungen der Wohnungswirtschaft vorgestellt und erläutert, wie der Rahmenvertrag funktioniert. Erste Angebote wurden abgegeben. Es besteht vor allem aber ein immenser Gesprächsbedarf zu grundsätzlichen Fragen, nicht nur bei den Wohnungsgesellschaften. Sie wollen vor allem wissen, was sie davon „haben“, wenn sie modular bauen, wo die Vorteile liegen, was Wunschdenken ist. Um gleich mit Letzterem zu beginnen: Wo immer die Zahl herkam, 20 % Kostenersparnis sind Wunschdenken! Unsere aktuellen Projekte wie die Zahlen des Wettbewerbs zeigen, dass die Kosten denen des konventionellen Bauens aktuell in etwa gleichen. Es kommt auf das konkrete Projekt an: Je größer Wiederholungsfaktoren sind, umso schneller greifen Skaleneffekte. Ist es ein Projekt mit 10 oder eins mit 100 Wohneinheiten, ist es ein differenzierter Wohnungsschlüssel oder reduziert er sich auf wenige Typen, sind 10 Badtypen zu bauen oder komme ich mit einem aus? Nicht für jedes Projekt ist seriell-modulares Bauen das optimale Konzept.

Im Zusammenspiel machen zwei Faktoren die wesentlichen Vorteile dieser Bauweise aus: Zeit und Qualität. Unsere Projekte, in der Regel ohne Keller oder Tiefgaragen, benötigen auf der Baustelle 30 bis 40 % der Bauzeit konventioneller Bauweise – je nach Vorfertigungsgrad im Werk. Gerade mit Blick auf die Nachverdichtung von Quartieren ist dies ein immenser Vorteil. Zudem kommt ein Projekt deutlich schneller auf den Markt, Einnahmen können früher generiert werden – was eigentlich mit den Herstellungskosten verrechnet werden müsste.

Nicht zu unterschätzen sind die Qualitätsvorteile. ALHO arbeitet mit Toleranzen im Millimeterbereich, ein Traum für uns Architekten. Und es ist etwas anderes, ob die Fliesen im Bad im November draußen auf der Baustelle bei + 6 °C oder in einer temperierten Halle bei optimalen Arbeitsbedingen an die Wand gebracht werden.

Und so sehr der Vergleich zur Autoindustrie hinkt, in einem Punkt passt er: Ist der Entwurf für das Projekt einmal abgestimmt und sind alle Entscheidungen getroffen, dann gehen die Module in der Produktion aufs Band. Kein baubegleitendes Planen, nicht nochmal eine Tür versetzen, kein „Können wir das nochmal ändern?“ Die Kernbohrer bleiben aus, der Terminplan und die Kosten stehen. Das sorgt für eine große Entscheidungsdis-ziplin der Beteiligten und führt dazu, ein Projekt in der Planungsphase in aller Konsequenz zu durchdenken. Seriell-modulares Bauen fordert andere Prozesse und beginnt bereits mit der Entscheidung, so zu bauen.

Diskussionen führen wir auch mit der Bauindustrie. Für sie ist das Thema zum einen ein neuer Markt, zum anderen ein wichtiger Impuls, Bauprozesse generell zu industrialisieren und zukünftig verstärkt von der Baustelle in ihre Werke zu verlagern. Wäre das nicht oft mit dem Nebensatz verbunden, dass die Architekten dabei vor den Toren der Werke bleiben – weil man die eigenen Prozesse am besten beherrscht und externe Architekten das System nicht verstehen oder zumindest stören –, ist das an sich eine spannende und wichtige Entwicklung. Wir teilen auch nicht die Sorge, konventionelles Bauen würde unter dieser Entwicklung leiden. Im Gegenteil, wir sind überzeugt, dass es davon profitieren und notwendige Impulse erhalten wird.

Wir Architekten müssen allerdings darauf achten, in einem wichtigen Bereich unseres Berufes nicht tatsächlich „vor der Tür“ zu landen. Ideen des ein oder anderen „Großen“ aus der Bauwirtschaft, auch die Vergaberegeln im Zuge industriell-serieller Fertigung zu „beschleunigen“, indem der Architekt aus dem Dreiklang mit dem Bauherrn und den Baufirmen möglichst weit herausgenommen wird, zeigen eine mögliche Entwicklung auf. Da beruhigt es auch nicht, wenn die Industrie sagt, sie habe vermehrt eigene Architekten im Haus, damit sei die Qualität ja gesichert.

Allerdings scheinen viele Architekten bei der Frage des modularen Bauens eher um ihre Kreativität und die Qualität von Architektur und Städtebau zu fürchten, denn um ihre Existenz. Auch hier ist sehr viel Gesprächsbedarf. Es war der BDA, der auf die Ergebnisse des Verfahrens mit der Überschrift „Tristesse in Serie“ reagiert hat − als wenn „konventionell“ entstandene Architektur nur bereichernde Spuren in unseren Städten hinterlässt. Dass die Bundesarchitektenkammer aktiv das Ausschreibungsverfahren des GdW begleitet hat und sich so vor einen „Interessenkarren“ hat spannen lassen, wird unter Kollegen sehr kontrovers diskutiert. Hält man sich raus, mischt man sich ein...? Wir haben uns für das Einmischen entschieden. Statt das Feld preiszugeben, wollen wir es mitgestalten, unsere Verantwortung für die gebaute Umwelt nicht an den Werkstoren abgeben. So sehr wir die Arbeit an unseren maßgeschneiderten Projekten lieben, die intensive Beschäftigung mit der modularen Bauweise hat uns von der Möglichkeit einer „Haute Couture“ vom Band überzeugt. Und außerdem: Wir können dabei sehr kreativ sein – und es macht uns Spaß!

Modulbauweise

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