Stein auf Stein

Bei standardisierten Bauaufgaben bieten traditionelle Baustoffe wie Kalksandstein
Vorteile bei der Planung und Realisierung – das senkt Kosten, beschleunigt den
Bauprozess und hilft, gesellschaftliche Herausforderungen flexibel zu meistern

Der demografische Wandel ist eine große Herausforderung. Gerade bei der Schaffung und Gestaltung altersgerechter Wohnungen stellt er unsere Gesellschaft vor neue Aufgaben. Auch in der Stadt Greven, mit rund 38 000 Einwohnern an der Ems im Münsterland gelegen, ist der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum quer durch alle Generationen groß. Vor allem bedarfsgerechte Wohnungen für Senioren und Menschen mit körperlichen Einschränkungen werden dringend benötigt.

An der Saerbecker Straße plante das ortsansässige Familienunternehmen  Ahaus Bau daher auf einer rund 4 000 m² großen Brachfläche und zwei angrenzenden Grundstücken insgesamt 35 Wohneinheiten und drei Gewerbeflächen. Auf dem innenstadtnahen Areal sollte unter anderem dringend benötigter Wohnraum für unterschiedliche soziale Bedarfe geschaffen werden.

Obwohl politisch gewollt, erforderte die Genehmigungsphase für das Bauvorhaben an der Saerbecker Straße viel Geduld: „Im November 2015 haben wir das Projekt im Rat vorgestellt“, erinnert sich Tobias Ahaus, der seinen Vater Thomas, Geschäftsführer der gleichnamigen Baugesellschaft, bereits seit einigen Jahren im Familienbetrieb unterstützt. „Abwechselnd folgten Termine mit dem Gestaltungsbeirat sowie dem Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt (ASU), die aufgrund ihrer unterschiedlichen Sitzungsintervalle zu erheblichen Verzögerungen führten. Wiederholt mussten Pläne geändert und an Anforderungen der StadtvertreterInnen angepasst werden.“ Einfach losbauen – das ist oftmals gar nicht so einfach.

Ensemble mit fünf Baukörpern

Zwei der drei Gebäude entlang der Saerbecker Straße, die Architekt Jörg Suwelack als dreigeschossige Riegelbebauung mit Staffelgeschoss und Laubengang entworfen hat, bieten Platz für eine Tagespflege, öffentlich geförderte Wohnungen, zum Teil für das Betreute Wohnen, sowie eine betreute Demenz-WG. Gebäude Nummer drei besteht aus fünf Wohnungen und einer gewerblichen Fläche von rund 130 m² im Erdgeschoss. Zusätzlich steht den BewohnerInnen und MieterInnen der Gebäude eine 1 000 m² Tiefgarage mit Fahrzeugaufzug zur Verfügung.

Komplettiert wird der Riegel an der Hauptverkehrsstraße zum einen von einem Wohnhaus mit vier 80 m² großen Wohnungen in den ersten beiden Geschossen und einer großen Penthouse-Wohnung mit 110 m². „Zum anderen wurden auf der hinteren Grundstücksfläche – nach längeren Gesprächen mit den AnwohnerInnen – statt Reihenhäusern nun zwei zeitlose, kompakte Doppelhäuser realisiert“, erklärt Tobias Ahaus.

Baustoff ohne Kompromisse

„Unsere Projekte sollen Bestand haben, nachhaltig sein. Also nicht nur wirtschaftlich, nicht nur architektonisch ansprechend oder nicht nur ­energetisch optimiert“, erklärt der Bauherr. Auch in Bezug auf die Bauweise gehen Vater und Sohn keine Kompromisse ein. Wirtschaftlichkeit, Solidität und hohe Flexibilität, ein gutes Raumklima sowie hoher Schall- und Brandschutz sind Anforderungen, die der gewählte Baustoff erfüllen muss. Deswegen kommt auch bei nahezu allen Projekten des Familienunternehmens Kalksandstein des lokalen Herstellers zum Einsatz. Das Normprodukt wird in einem energiearmen Prozess hergestellt und besteht lediglich aus den Rohstoffen Kalk, Sand und Wasser.

Im ersten Bauabschnitt Anfang 2019 wurde der dreigeschossige Neubau auf dem hinteren Teil des Grundstücks realisiert. Dabei fiel die Wahl auf das Bausystem mit mittelformatigen Plansteinen in verschiedenen Abmessungen und Rohdichteklassen. „Aufgrund der kurzfristig erteilten Baugenehmigung und des akuten Bedarfs verwendeten wir die regional sofort verfügbaren Kalksandsteine von KS-Original“, so der Bauherr.

In den weiteren Bauabschnitten kamen dann großformatige Planelemente zum Einsatz, die für den gewünscht schnellen Baufortschritt sorgten. Denn die individuelle Vorplanung der Steine auf Grundlage von objektspezifischen Wandbausätzen gewährt hohe Planungssicherheit in der logistischen und zeitlichen Koordinierung aller Bauabläufe. Dafür erstellen die Gewerke anhand der Ausführungspläne entsprechende Wandabwicklungs- und Verlegepläne. Jedes Detail und sämtliche Maße der Ausführungsplanung werden dabei 1 : 1 übernommen. Auch die unterschiedlichen Winkelgrößen, ob stumpfe, spitze oder rechte Winkel, werden berücksichtigt. Außerdem können die Wandpläne als IFC-Daten in den BIM-Prozess eingebunden werden, um so eine transparente Arbeitsteilung digital zu koordinieren und systematisieren. Nach Planfreigabe durch die Projektleitung gehen die Elemente in die Produktion. Dort werden sie zugeschnitten, beschriftet, nummeriert und wandweise auf Paletten gepackt. Anschließend folgt die bedarfsgerechte Lieferung auf die Baustelle. „Die einfache Verarbeitung mit Versetzkränen spart zudem viel Zeit“, so Thomas Ahaus. Decken, Fundamente und Bodenplatten werden in allen Gebäuden mit Stahlbeton realisiert.

Auch Architekt Jörg Suwelack schätzt den weißen Stein. Für ihn liegen die Vorteile unter anderem in der einfachen Planung von Anschlussdetails, etwa für Abdichtungen oder die Dämmung. „Außerdem sind die konstruktiven Regeldetails sehr leicht händelbar. Und auch in Bezug auf die Statik, den Schall- und Brandschutz bieten die genormten Steine eine optimale Basis für die Ausführungsplanung“, so der Architekt. Die Gebäude des Grevener Ensembles besitzen größtenteils einen Wandaufbau mit 17,5 bzw. 24 cm Hintermauerwerk, 16 cm Mineralwolldämmung sowie 11,5 cm starken Verblendern. ­Lediglich bei den drei Kuben der Gebäude an der Saerbecker Straße, die ab dem ersten Obergeschoss hervortreten, wurde ein WDVS verwendet. So ließen sich die Neubauten, im Zusammenspiel mit weiteren einfachen Maßnahmen, gemäß des KfW-55-Standards realisieren.

Die KS-Bauweise zeichnet sich grundsätzlich durch ihre Funktionstrennung in eine tragende, eine dämmende und eine Witterungsschicht aus. Dadurch wird die Kombination von Baustoffen mit den jeweils effizientesten Merkmalen ermöglicht. Aufgrund der zielgenauen und kostensparenden Planung der einzelnen Schichten müssen ArchitektInnen und FachplanerInnen in Bezug auf die gewünschten bauphysikalischen, technischen und gestalterischen Eigenschaften der Außenwandkonstruktion keine Kompromisse eingehen.

So übernimmt die dämmende Schicht den winterlichen Wärmeschutz, indem ihre Dicke je nach Wärmedämmniveau individuell angepasst wird. Diese kann – wie in Greven geschehen – als Wärmedämm-Verbundsystem (WDVS) auf der tragenden Wand sowie zwischen zwei Mauerwerksschalen oder aber hinter einer vorgehängten Fassade angeordnet werden. Bei steigenden ener­getischen Anforderungen entfallen die Mehrkos­ten demnach nicht auf das tragende Mauerwerk, sondern nur auf die bessere Wärmedämmung. Außenliegend umschließt sie das Kalksandstein-Mauerwerk lückenlos, minimiert damit das Auftreten von Wärmebrücken und erleichtert deren Bewertung. Der Kalksandstein selbst fungiert aufgrund seiner hohen Rohdichte auch als natürlicher Wärmespeicher. Er nimmt überschüssige Wärme aus der Raumluft auf und gibt sie zeitversetzt bei sinkenden Temperaturen wieder ab.

Nachhaltige Lebensqualität

Ein Novum stellten für den Architekten die 26,5 cm dicken Wohnungstrennwände dar – eine regionale Besonderheit, die das Werk vor Ort anbietet und die in allen fünf Gebäuden verbaut wurden. „Mit diesen Wanddicken konnten wir eine wirtschaftliche Lösung für den erhöhten Schallschutz anbieten“, erklärt Thorsten Olawsky, technischer Berater des lokalen KS-Original Mitgliedsunternehmens BMO KS-Vertrieb. So wurde ein optimaler Flächengewinn erzielt, ohne auf kos­tenintensivere Varianten mit höheren Rohdichteklassen zurückzugreifen.

Durch die hohe Lebensdauer von Kalksandstein, die bei 100 Jahren und mehr liegt, ist in Greven Wohnraum für Generationen entstanden. Zugleich ist das Material im Fall eines Rückbaus bereits jetzt vollständig in den Wertstoffkreislauf rückführbar und kommt dann unter anderem im Straßenbau oder als Vegetationsbaustoff zum Einsatz – sortenrein sogar als Wertstoff für die Herstellung neuer Steine. So funktioniert Einfachheit über einen Lebenszyklus hinaus.

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