Startschuss Senckenberg Quartier, Frankfurt a. M.

2016 sollte eigentlich schon alles stehen: Uni weg, Kulturcampus her. Doch was im Frankfurter Stadtteil Bockenheim geplant war, ist bis heute eigentlich nur im umgebauten Philosophikum sichtbar erreicht: 238 Studentenapartments für rund 500 € Kaltmiete bei 23 m². Fragt man sich, welche Studenten hier noch einziehen werden, denn die traditionsreiche Universität ist längst dabei, auf den Campus Riedberg und ins Westend umzuziehen. Und ja, die Umbau- und Sanierungsarbeiten am Naturkundemuseum Senckenberg überformen auch Teile der alten Universität, bauen das zurück, was der nach Frankfurt zurückgekehrte Ferdinand Kramer ab 1952 mit seinen rund 23 universitären Bauten hinterlassen hat. Kramer hatte auf Bitten von Max Horkheimer – so wird kolportiert – das Amt des Baudirektors der Johann Wolfgang Goethe-Universität übernommen (bis 1964). Fast alle seiner Bauten werden in den kommenden Jahren verschwinden, Architekturinteressierte sollten sich beeilen!

2014 wurde am südlichen Ende des alten Campusgeländes der 116 m hohe AfE-Turm gesprengt, ein Sichtbetonbau in Stile des Brutalismus. An seiner Stelle – gegenüber der Senckenberg-Sanierung von Peter Kulka und Bauten der Mathematischen Institute von Kramer – soll ab sofort das „Senckenberg Quartier“ im Kulturcampus nach den Entwürfen der Frankfurter Architekten Cyrus Moser Architekten realisiert werden. Das Büro hatte sich wiederholt mit seinen Entwürfen gegen internationale Konkurrenz durchgesetzt und plant nun das 16,5 ha große Quartier mit 120  000 m² BGF. „Es geht nicht nur darum, Häuser zu entwerfen, es geht uns an erster Stelle darum, über den Städtebau die ‚Idee von Stadt‘ weiterzutragen und hybride Nutzungen auch in der Vertikalen neu zu definieren. Wir wollen in einer vielfältigen, spannenden, den Austausch, die Begegnung fördernden Stadt leben. Daher haben wir uns für die stärkst mögliche Vernetzung mit der Umgebung entschieden. Hierfür setzen wir auf die Öffnung der Ränder des Quartiers, um die Zugängigkeit von und zu den Nachbarvierteln zu erhöhen und das Quartier in das umliegende städtische Geflecht zu integrieren. Wir nennen das Diffusion“, so die Architekten zu ihrem Entwurf.

Um einen zentralen, öffentlichen Platz wird ein Ensemble aus vier Gebäuden entstehen: der Protagonist des Ensembles ist das „140 West“, ein 140 m hoher Hybridturm. Als zweiter Hochpunkt entsteht das „99 West“, ein 100 m hoher Büroturm. Das „21 West“ zwischen öffentlichem Park und dem neuen Quartiersplatz ist ein sechsgeschossiges Bürogebäude. Und viertens bildet eine Kindertagesstätte den südwestlichen Abschluss des Quartiers. Das neue Senckenberg Quartier wird bis zu 2 500 Personen Raum zum Leben und Arbeiten geben.

Mittlerweile hat der Investor Groß & Partner die drei Parzellen mit ihren geplanten Häusern komplett verkauft, 450 Mio. € werden als Inves-titionssumme genannt. Fertig werden soll alles 2021, was mit Blick auf die Projektvorgeschichte ambitioniert wirkt. Ob mit diesem Startprojekt ein zukünftiger „Kulturcampus“ entsteht, der für Frankfurt und die Region „zum Impulsgeber für die internationalen zeitgenössischen und darstellenden Künste mit Musik, Tanz, Performance und Theater“ werden soll, wie die ehemalige Oberbürgermeisterin Petra Roth 2010 träumte, oder ob tatsächlich „etwas Neues, etwas ganz Neues“ auf die Stadt zukommt, wie der den Kulturcampus initiierende damalige Stadtrat Felix Semmelroth ebenfalls 2010 schwärmte, wird man sehen. Im Augenblick sieht es eher nach einem Immobiliendeal aus, den die Stadt auf dem Rücken der von der Stiftungsuniversität extrem vernachlässigten Kramer-Bauten gemacht hat. Be. K.

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