Plattform für den Wandel

Die digitale Wende verläuft in der Baubranche noch immer schleppend – Treiber könnten Plattformlösungen sein, welche die Schnittstellen zwischen Bauausführenden und PlanerInnen besser vernetzen. Worauf es dabei ankommt:

Die Baubranche befindet sich in einer Phase extremen Wandels. Digitale Lösungen werden in allen Ebenen der Baubranche immer stärker ­gefordert oder als Voraussetzung für eine Auftragsvergabe gesetzt. Das Building Information Modeling, kurz BIM, wird immer mehr zum zentralen Planungsmodell in der Bauindustrie und ist seit Anfang 2020 verpflichtend bei öffentlichen Bauprojekten. Für viele Architektur- und Inge­nieurbüros gehört eine Digitalisierungsstrategie daher längst zum Alltag – weit häufiger, als für die ausführenden Gewerke.

Denn trotz der wachsenden Anforderungen haben besonders kleine und mittlere Handwerksunternehmen bisher selten Digitalisierungspläne umgesetzt. Dies belegt zum Beispiel der jährlich erhobene, branchenübergreifende Digitalisierungsindex des Mittelstands der Deutschen Telekom: Auch in 2020 schnitt der Bausektor unterdurchschnittlich ab, belegte den letzten Platz und gilt als die analogste Branche in Deutschland.

Inseln miteinander vernetzen

Die Frage ist allerdings: wer macht den ersten Schritt? Denn auch für die Gewerke bedeutet die Investition in digitale Prozesse eine beträchtliche Investition, die sich rentieren muss – zum Beispiel durch einen Wettbewerbsvorteil. Und hier kommt wiederum ihren Kunden, sprich den Architekt-Innen und BauingenieurInnen eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, die eigenen Anforderungen und Standards zu formulieren.

Derzeit ist der Markt noch bestimmt durch eine Vielzahl von Insellösungen, die für eine bestimmte Nutzergruppe oder für ein Gewerk entwickelt wurden und nicht den Anforderungen aller Beteiligten eines Bauprojekts entsprechen. Dies umfasst sowohl bestimmte Funktionen als auch den Umstand, dass diese Plattformen lediglich für die unternehmensinterne Dokumentation von Bauprojekten genutzt werden können. Wichtige Informationen gelangen nur über Umwege zu den entsprechenden Parteien, wenn sie überhaupt geteilt werden. In Anbetracht des stetig steigenden Zwangs einer Integration von BIM in den gesamten Bauprozess, zeigt sich die Notwendigkeit offener Schnittstellen. Also Plattform­lösungen, die versprengte Archipele zu einem großen Ganzen verbinden.

GAEB XML als künftiger Standard

Hierzu müssen sie jedoch einige Grundvoraussetzungen erfüllen: Erfasste Daten sollen zur besseren Baudokumentation innerhalb eines digitalen Models gesammelt werden und allen Projektbeteiligten zur Verfügung stehen. Es ist unerlässlich, dass digitale Lösungen vorbereitet sind und eine volle BIM-Integration unterstützen, um auch künftig den Marktanforderungen zu entsprechen. Hier sind besonders GAEB-Dateien zu benennen, mit deren Hilfe man Informationen gezielt mit einem BIM-Modell austauschen kann. Leider ist dies nur der neuesten Version GAEB XML möglich. Aktuell sind allerdings die alten GAEB-Versionen 2000 und 90 am weitesten verbreitet. Besonders Leis-tungsfortschritte oder auch Fotos sind wichtige Daten, die aus der Bauausführung in ein BIM-Modell importiert werden können. Es ist daher ­entscheidend, erfasste Daten wieder als BIM ­kompatible Datei, z. B. als GAEB oder ifc, zu ex­por­tieren.

Softwarelösungen selbst bestehen in der Regel aus einer App für mobile Endgeräte und einer Desktopanwendung, die über den Browser an einem PC oder Laptop aufgerufen wird. Sie arbeiten in der Regel mit Cloudspeichersystemen, um alle erfassten Daten sicher und an einem Ort speichern zu können. Über die mobile App werden Daten und Informationen auf der Baustelle erfasst. Hierzu zählen in der Regel Arbeitszeiten und Fotos, vereinzelt aber auch durchgeführte Arbeiten. Um die Rechtssicherheit zu gewährleis-ten ist es wichtig, so viele Informationen wie möglich zu erfassen. Hierzu zählt der Erfasser, Datum und Uhrzeit sowie ein möglichst genauer Standort, der mit Hilfe von GPS ermittelt wird.Über die Webanwendung können alle erfassten Daten eingesehen werden.

Off- und onlinefähige Anwendungen

Viele Anwendungen sind leider auch durch ihre schlechte Benutzbarkeit geprägt und bei der täglichen Arbeit eher ein Hindernis als eine Hilfe. HandwerkerInnen, die täglich auf den Baustellen arbeiten, sind die größte Nutzergruppe digitaler Baudokumentationen. Als Schlüsselfigur bei der Baudokumentation sind sie es, die die Daten erfassen und die mobile App häufig am meisten benutzen. Sie sind in der Regel aber nicht sehr technikaffin und empfinden eine App eher als Störung bei ihrer täglichen Arbeit. Es ist somit essentiell, UI- und UX-Komponenten, also Design und Nutzererlebnis, besonders intuitiv und einfach zu gestalten. So werden die NutzerInnen bei ihrer Arbeit unterstützt und das Erfassen und Auslesen von Daten besonders vereinfacht. Außerdem sollte eine App für die Baustelle offlinefähig sein, um die Nutzbarkeit zu erhöhen. Leider haben wir in Deutschland noch immer Gegenden ohne stabilen Mobilfunk.

Auch die Preisgestaltung einiger Anwendungen sind schwer zu durchschauen. Unterschiedliche Abo-Modelle und Zusatzkosten für weitere Funktionen gestalten die Suche nach der richtigen Lösung für das eigene Unternehmen zu einer Herausforderung. Sie bedürfen einer langwierigen Recherche. Ein Umstand, der bereits eine Vielzahl von HandwerkerInnen abschreckt, da es häufig schlicht an Zeit mangelt, sich mit der Thematik ausführlich auseinanderzusetzen. Zumal die ­realen Kosten sich oft nicht auf den ersten Blick ergeben: So benötigen On-premise Lösungen zum Beispiel eine zusätzliche IT-Expertise im Unternehmen selbst oder von beauftragten DienstleisterInnen, die als Kostenfaktor hinzuzurechnen sind. Auf Software-Mietverträge werden häufig noch 20 bis 30 % für Datenvolumen, Wartungs- oder Lizenzgebühren aufgeschlagen.  
Modernere, cloudbasierte Plattformlösungen bieten hingegen Software-as-a-Service an. Wartung und Updates sind hier inklusive, die Lizenzen für einzelne Arbeitsplätze in der Regel monatlich kündbar.

Digitale Dokumentation einfordern

Außer einer einfachen Preispolitik muss eine gute Baudokumentation jedoch auch alle Aspekte einer Baustelle erfassen und sie für alle Parteien zur Verfügung stellen sowie möglichst einfach zu bedienen sein. Dafür müssen die Daten einfach exportiert werden können bzw. direkt über Schnittstellen übertragen werden können. AuftraggeberInnen sind daher gut darin beraten, wenn sie eine digitale Dokumentation bereits in der Ausschreibung verankern und zum Beispiel Fotos, digitale Dokumente zum Baufortschritt und zur Kostenentwicklung sowie Arbeitszeitnachweise als digitalen Bautagesbericht anfordern.

Zusammenfassend bieten Plattformlösungen Potentiale in der Planung, Steuerung und im Monitoring von Unternehmen in der Bauindustrie. Genaue Dokumentationen von Baustellen und allen durchgeführten Arbeiten bieten Planungs- und Rechtssicherheit für alle Beteiligten und reduzieren den administrativen Aufwand. Durch die Verknüpfung von Daten können auch wichtige Kennzahlen generiert werden. Es ist entscheidend, dass diese Daten nicht an einem Ort eingeschlossen werden. Offene Schnittstellen erlauben den Austausch mit anderen Softwarelösungen und NutzerInnen und ermöglichen ein gemeinsames Gesamtbild eines Bauprojekt. Durch die Einbindung der Bauausführung in den BIM-Prozess sind alle Ebenen des Bauprozesses auf demselben Informationsstand und es entsteht kein Flickenteppich zwischen den Parteien.

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