Penibel monumental

Die Berliner Museumsinsel sei – neben allem anderen – auch die „steingewordene Sichtweise zum Thema Museum“, so der Autor der hier vorliegenden, mit unglaublich viel Material daher kommenden Publikation zum, wie er es nennt „Museum der Museen“. Ob dieser universalistische Anspruch, der hiermit behauptet wird, tatsächlich haltbar ist, muss bezweifelt werden. Denn tatsächlich überlagern die hier genannten Typologien und Schemata museologischer Normativa nicht sämtliche gebaute und auch nichtgebaute Ausstellungskonzepte: Wunderkammern, Heimatmuseen, Firmenmuseen, konstante Ausstellungsräume in Verwaltungen, Hochschulen, Ausstellungsräume auf Zeit etc. fehlen.

Aber dennoch bringt der Ansatz, die Museumsinsel als ein Kontinuum von Ausstellungs- und damit auch Architekturkonzepten zu betrachten, am Ende dieser wuchtigen Arbeit eine Idee davon, was auf diesem milliardenschwer sanierten und erweiterten Kunstareal wie geworden ist. Welche kulturpolitischen und ästhetischen, welche museologischen Linien sind hier – zeitgeschichtlich markiert – die Leitlinien, die zu welchem strukturellem Aufbau der verschiedensten Museumseinheiten geführt haben. Wir bekommen eine sehr klare Vorstellung davon vermittelt, wie sich die zeitgenössische Sicht veränderte, welchem ideologisch motiviertem Instrumentalisierungsdruck auf welche Weise in der Präsentation aber auch der Architektur entsprochen wurde und so weiter.

Der klar gegliederte Aufbau der Arbeit ermöglicht es aber auch, einzelnen Fragen gezielt nach zu gehen, also im Quereinstieg in Schinkels Altem Museum beispielsweise das Stichwort „Seitenlichtkompartimente“ zu finden und dieser heute noch gebräuchlichen Präsentationsform einen anschaulichen Hintergrund zu geben.

Übervoll mit Zeichnungen und zeitgenössischen wie aktuellen Fotografien wird diese Arbeit zudem ergänzt durch eine CD-ROM, auf der sieben Tafelwerke die einzelnen Museumsbauten noch einmal und sehr umfassend architektonisch dokumentieren (PDF-Format).

Dass bei aller Hochachtung für die unglaublich umfassende und detaillierte Arbeit ein wesentlicher Aspekt ungenannt bleibt, irritiert am Ende dann doch. Denn das, was der Autor hier beschreibt, beschreibt er vielleicht zweideutig mit „Präsentation der Entwicklungslinie der europäischen Kultur“; falls damit die Entwicklungslinie der Architektur der letzten 200 Jahre gemeint ist, mag das stimmen. Allerdings ist das, was an Kulturschätzen auf der Insel vor Augen geführt wird, auch außereuropäische Kunst, der anhaltende Streit um Rückgabe von herausragenden Kunstwerken zeigt das nur zu deutlich.

Eine ganz andere Seite der gleichen Medaille zeigt die aktuelle Publikation zu baukonstruktiven Aspekten eines, des vielleicht zentralen Gebäude der Museumsinsel: des Pergamonmuseums. Diese vergleichsweise schmale wie dennoch sehr dichte Arbeit geht an die Bausubstanz des Gebäudes, untersucht kurz seine Entstehungsgeschichte und vertieft sich dann auf höchst spannende Weise in Bauweise und Konstruktion: in die historische wie die, die die aktuelle Sanierung und der Umbau des Museums neu schafft. Die reiche Darstellung historischer Baupläne zeigt bereits das kontinuierliche Weiterbauen an diesem Haus, das bis heute andauert. Texte, Fotos (damals/heute) und Zeichnungen ergeben in ihrer Gesamtheit den detaillierten Einblick, der dem Verständnis für die komplexe Aufgabenstellung der heutigen Sanierungs- und Umbauarbeiten den nötigen Hintergrund liefert. Mit der Arbeit von Witschurke im Hinterkopf ist diese zweite ein verlegerischer Glücksgriff. Be. K.

Hans Witschurke, Museum der Museen. Die Berliner Museumsinsel als Entwicklungsgeschichte des deutschen Kunstmuseums. Mit einer Einführung von Jan Pieper. Geymüller, Verlag für Architektur, Berlin 2015, 356 S. mit über 500 Abb. u. eine CD-ROM
69 €, ISBN 978-3-943164-13-8

Christiane Oehmig, Volker Hübner, Bettina Häfner, Pergamonmuseum. Historische Baukonstruktionen. Geymüller, Verlag für Architektur, Berlin 2016, 120 S. mit über 150 farb. Zeichn.
32,50 €, ISBN 978-3-943164-35-0

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