Mörtel ist nicht gleich Mörtel
Fehler bei einer Betoninstandsetzung

Zusammenfassung

Bei der Betoninstandsetzung statisch relevanter Bauteile wurde ein Produkt verwendet, das keinen geeigneten Verwendbarkeitsnachweis aufwies. Damit liegt aus technischer Sicht ein Mangel vor, obwohl das verwendete Material an sich geeignet wäre.

Sachverhalt

In einer Tiefgarage war im Sockelbereich der Stützen eine Betoninstandsetzung vorgenommen worden. Nach Durchführung der Arbeiten wurden seitens des Auftraggebers diverse Mängel gerügt. Insbesondere wurde beanstandet, es sei für die Instandsetzung ein ungeeigneter Mörtel verwendet worden. Dadurch sei es erforderlich, den aufgebrachten Instandsetzungsmörtel wieder zu entfernen und durch einen geeigneten Mörtel zu ersetzen.

Im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens sollte technisch bewertet werden, inwieweit die Betoninstandsetzung fachgerecht unter Verwendung eines geeigneten Mörtels durchgeführt worden war. Darüber hinaus sollten Maßnahmen zur Behebung vorhandener technischer Mängel benannt werden.

Feststellungen

In der Tiefgarage war die Betoninstandsetzung im Sockelbereich sämtlicher Stützen erfolgt. Bis zu einer Höhe von etwa 50 cm waren die überarbeiteten Bereiche mit einem aufgebrachten Mörtel versehen. Dadurch wiesen die Stützen im Sockelbereich gegenüber dem ursprünglichen Zustand größere Querschnitts­abmessungen auf (Bild 1). Der Versatz zwischen dem größeren Querschnitt im Sockelbereich und dem ursprünglichen Querschnitt darüber betrug bei den Stützen umlaufend etwa 3 cm.

Die gesamte Dicke des Instandsetzungsmörtels war im vorgefundenen Zustand nach Abschluss der Betoninstandsetzung nicht mehr ersichtlich. Nach den vorliegenden Unterlagen war jedoch der chloridkontaminierte Bestandsbeton in den Sockelbereichen in unterschiedlichem Maß entfernt worden. Aus diesem Grund wurden an ausgesuchten Stellen stichprobenartig Bohrkerne entnommen (Bild 2).

Diese zerstörenden Prüfungen dienten einerseits dazu, Feststellungen zur Dicke des Instandsetzungsmörtels zu gewinnen. Andererseits wurden die Bohrkerne später noch zur Ermittlung des Chloridgehalts bei dem verbliebenen Bestandsbeton verwendet.

Bei den Bohrlöchern (Bild 3) sowie anhand der Bohrkerne war ersichtlich, dass die Dicke des Instandsetzungsmörtels zwischen etwa 4 und 8 cm lag. Bild 4 zeigt exemplarisch einen Bohrkern. Die Grenze zwischen dem Instandsetzungsmörtel und dem Bestandsbeton ist dort deutlich erkennbar. Der ursprüngliche Querschnitt der Stützen war im Rahmen der Betoninstandsetzung ausweislich der Dicke des Instandsetzungsmörtels teils um mehr als ein Drittel reduziert worden.

Für den verwendeten Instandsetzungsmörtel wurde ein bauaufsichtliches Prüfzeugnis vorgelegt. Demnach handelte es sich um ein Produkt (Produkt „A“), das der Beanspruchbarkeitsklasse M2 entsprechend der Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ [1] des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton entspricht.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens ergab sich anhand weiterer Unterlagen, dass die Rezeptur des verwendeten Produkts „A“ identisch war mit der Rezeptur eines anderen Produkts (Produkt „B“). Für dieses lag ein weiteres bauaufsichtliches Prüfzeugnis vor, gemäß dem das Produkt „B“ die Anforderungen der Beanspruchbarkeitsklasse M3 der Instandsetzungsrichtlinie [1] erfüllt.

Bewertung

Die Stützen in der Tiefgarage waren für das Gesamt-Tragwerk relevant. Der Instandsetzungsmörtel muss daher Anforderungen insbesondere auch hinsichtlich der Standsicherheit erfüllen.

Zur Beantwortung der Frage, inwieweit ein geeigneter Instandsetzungsmörtel verwendet wurde, ist insofern dessen Verwendbarkeit zu beurteilen. Dies ist – wie nachfolgend erläutert wird – nicht ganz trivial.

Die Bauordnungen der Länder – hier exemplarisch anhand der Musterbauordnung (MBO) [2] beschrieben – stellen diverse Anforderungen an die Bauausführung und Bauprodukte. Entsprechend § 3, Abs. 1 MBO sind bauliche Anlagen „so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden.“

In § 3, Abs. 2 MBO wird gefordert, Bauprodukte nur zu verwenden, „wenn bei ihrer Verwendung die baulichen Anlagen bei ordnungsgemäßer Instandhaltung während einer […] angemessenen Zeitdauer die Anforderungen“ der Bauordnung „erfüllen und gebrauchstauglich sind“.

Aufbauend auf diesen allgemeinen Grund­sätzen werden in den § 17 bis 25 MBO detaillierte Anforderungen an Bauprodukte und deren Verwendbarkeit formuliert. In diesem Zusammenhang verweist die MBO auf die vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) herausgegebene Bauregelliste [3], die Festlegungen zu Bauprodukten enthält. Hinsichtlich der technischen Regeln verweist die MBO im § 3, Abs. 3 auf die als technische Baubestimmungen eingeführten technischen Regeln. Diese technischen Baubestimmungen werden von den Ländern bekannt gegeben; sie basieren jedoch letztlich auf einer unter den Ländern abgestimmten „Muster-Liste der Technischen Baubestimmungen“ [4].

Zur Klärung der Verwendbarkeit des Instandsetzungsmörtels wird zunächst die Bauregelliste [3] herangezogen. Die Bauregelliste A, Teil 1 enthält Bauprodukte, die – z. B. in Normen – geregelt sind. Im Teil 2 sind nicht geregelte Bauprodukte aufgeführt, die nach allgemein anerkannten Prüfverfahren beurteilt werden können. Diese Bauprodukte führen als Verwendbarkeitsnachweis das sogenannte „Ü-Zeichen“ (Übereinstimmungsnachweis). In der Bauregelliste B sind Bauprodukte und Bausätze im Bereich europäisch harmonisierter Regeln aufgeführt. Diese führen als Verwendbarkeitsnachweis das „CE-Zeichen“, wobei für die in der Bauregelliste B, Teil 2 aufgeführten Bauprodukte und Bausätze zusätzliche nationale Verwendbarkeitsnachweise erforderlich sind. Die Liste C enthält schließlich Bauprodukte und Bauarten von untergeordneter bauordnungsrechtlicher Bedeutung.

Der Blick in die Bauregelliste hinsichtlich der Verwendbarkeit von Instandsetzungsmörteln verwirrt zunächst. In der Bauregelliste A, Teil 2 [3] sind unter Punkt 2.23 Instandsetzungsmörtel für Instandsetzungen aufgeführt, „die für die Erhaltung der Standsicherheit von Betonbauteilen erforderlich sind“. Diese Mörtel werden nach den Prüfverfahren der Instandsetzungsrichtlinie [1] geprüft. Als Verwendbarkeitsnachweis dient ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis. Der Übereinstimmungsnachweis erfolgt in Form eines Übereinstimmungszertifikats durch eine anerkannte Zertifizierungsstelle. Darüber hinaus sind jedoch in der Bauregelliste B, Teil 1 unter Punkt 1.1.7.4 Instandsetzungsmörtel für Betonbauteile aufgeführt, die der DIN EN 1504-3 entsprechen. Als Verwendbarkeitsnachweis dient hier ausschließlich das „CE-Zeichen“. Damit stellt sich Frage: Welche Anforderung bzw. welcher Verwendbarkeitsnachweis gilt denn nun?

Ansatzweise Klärung schafft die Muster-Liste der Technischen Baubestimmungen [4]. Dort ist die Instandsetzungsrichtlinie [1] als technische Regel aufgeführt. In der Anlage 2.3/9 E findet sich dort folgender Hinweis: „Die Verwendung von Produkten nach der Normenreihe EN 1504 in Verbindung mit der Instandsetzungsrichtlinie nach der gültigen Fassung ist nicht möglich.“ Zur EN 1504-3 [5], in der die Instandsetzungsmörtel erfasst sind, wird in [4] explizit angemerkt: „Die Verwendung von Instandsetzungsmörtel und -beton für Instandsetzungen von Betonbauteilen, bei denen die Standsicherheit gefährdet ist, ist noch nicht geregelt und bedarf derzeit einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung.“

Damit ist klar, dass das „CE-Zeichen“ als Konformitätsbescheinigung für die europäisch harmonisierte Produktnorm hier praktisch wertlos ist. Maßgeblich sind aufgrund der statischen Relevanz der Instandsetzung hier ausschließlich die nationalen Regelungen der Instandsetzungsrichtlinie [1]. Hintergrund ist, dass die DIN EN 1504 sicherheitsrelevante Defizite gegenüber den nationalen Regelungen aufweist [6]. Die Erarbeitung einer nationalen Anwendungsnorm zur DIN EN 1504-3 (ge­plant: DIN V 18027) ist bislang gescheitert.
Daher ist für Instandsetzungsmörtel nach DIN EN 1504-3 weiterhin ein Verwendbarkeitsnachweis – letztlich dokumentiert durch das „Ü-Zeichen“ – erforderlich. Hierzu können sowohl die früher erteilten allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisse („alte Regelung“) auf Basis der Instandsetzungsrichtlinie wie auch allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen („neue Regelung“) dienen [6].

Nach dem ausschweifenden – aber leider unvermeidbaren – Ausflug in die bauordnungsrechtlichen Regelungen steht nun fest: Der verwendete Instandsetzungsmörtel benötigt entweder ein allgemeines bauaufsichtliche Prüfzeugnis oder eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung. Für das verwendete Produkt (Produkt „A“) wurden ein Prüfzeugnis und ein Übereinstimmungszertifikat vorgelegt. Im allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis wird die Eignung des Produkts im Hinblick auf die in der Instandsetzungsrichtlinie [1] für den jeweiligen Einsatzzweck vorgegebene Grundprüfung bestätigt. Im Übereinstimmungszertifikat wird die Übereinstimmung des Produkts für jedes Herstellwerk mit den Anforderungen des allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses erklärt.

Für das hier verwendete Produkt „A“ wurde so die Übereinstimmung mit der Beanspruchbarkeitsklasse M2 der Instandsetzungs­richtlinie bestätigt. Soweit eine statische Mitwirkung des Mörtels – wie hier bei den tragenden Stützen – erforderlich ist, müssen gemäß der Instandsetzungsrichtlinie [1] jedoch Produkte der Beanspruchbarkeitsklasse M3 verbaut werden. Damit liegt für das verwendete Produkt „A“ kein zutreffender Verwendbarkeitsnachweis vor. Das Produkt „A“ hätte demnach nicht eingebaut werden dürfen. Die Instandsetzung ist in dieser Hinsicht technisch mangelhaft.

Im Zuge des gerichtlichen Verfahrens wurde – wie eingangs erwähnt – ein weiteres bauaufsichtliches Prüfzeugnis vorgelegt, gemäß dem ein Produkt „B“ mit gleicher
Rezeptur die Anforderungen der Beanspruchbarkeitsklasse M3 der Instandsetzungsricht­linie [1] erfüllt. Dieses Produkt hätte demnach verwendet werden dürfen. Bei der Beurteilung spielt hier also letztlich der Verwendbarkeitsnachweis die maßgebende Rolle, da die Rezeptur beider Produkte identisch ist. Es wurden nur für das Produkt „A“ die für die Beanspruchbarkeitsklasse M3 zusätzlich erforderlichen Prüfungen nicht durchgeführt bzw. bescheinigt. Bild 5 verdeutlicht die vorstehende Bewertung nochmals schematisch.

An dieser Stelle endet die Möglichkeit einer technischen Bewertung und es ist eine rechtliche Prüfung erforderlich. Darf das Produkt „A“ – obgleich laut Prüfzeugnis hier nicht geeignet – dennoch verwendet werden, da es die gleiche Rezeptur wie das laut Prüfzeugnis geeignete Produkt „B“ aufweist?

Bei dem gerichtlichen Verfahren handelte es sich um ein Beweisverfahren, so dass leider kein entsprechendes Urteil vorliegt. In [7] wird bei Einsatz eines ungeprüften Stoffes ein Mangel bejaht, und zwar unabhängig davon, ob ein BGB- oder ein VOB-Bauvertrag vorliegt.

Instandsetzung

Die durchgeführte Betoninstandsetzung ist nach der vorgenommenen Beurteilung technisch mangelhaft, weil für den verwendeten Instandsetzungsmörtel (Produkt „A“) kein geeigneter Verwendbarkeitsnachweis vorliegt. Daher sind aus technischer Sicht auch Maßnahmen erforderlich. Weil jedoch die Rezeptur des Mörtels an sich – z.B. in Form des Produkts „B“ – für den Verwendungszweck geeignet ist, stellt sich die Frage, inwieweit der Mangel nachträglich „geheilt“ werden kann.

Zunächst besteht prinzipiell die Möglichkeit einer Zustimmung im Einzelfall [2]. Der dazu erforderliche Aufwand ist jedoch erfahrungsgemäß sehr hoch. Die nachträgliche „Heilung“ des Mangels durch eine Zustimmung im Einzelfall kommt dann in Betracht, wenn der damit verbundene Aufwand voraus­sichtlich deutlich geringer als der Aufwand für eine erneute Betoninstandsetzung ausfällt. Das traf auf die untersuchte Tiefgarage nicht zu.

Weiterhin besteht gegebenenfalls eine Möglichkeit, den Mangel nachträglich durch einen geeigneten Übereinstimmungsnachweis zu „heilen“. Entsprechend der Bauordnung [2] gilt als Übereinstimmung auch eine Abweichung, die nicht wesentlich ist. Hier wäre unter Einbeziehung des Herstellers wohl überwiegend rechtlich zu klären, ob aufgrund der gleichen Rezeptur für die Produkte „A“ und „B“ nachträglich ein geeigneter Übereinstimmungsnachweis für den verwendeten Instandsetzungsmörtel erstellt werden kann. Der verwendete Mörtel würde dadurch quasi im Nachhinein vom Produkt „A“ zum Produkt „B“ umetikettiert.

Anderenfalls ist es grundsätzlich möglich, die Betoninstandsetzung zu wiederholen. Der verwendete Mörtel wird dabei entfernt und kann anschließend durch einen geeigneten Mörtel mit entsprechendem Verwendbarkeitsnachweis ersetzt werden. Diese Möglichkeit kommt insbesondere dann in Betracht, wenn noch weitere Ausführungsmängel der Betoninstandsetzung zu beheben sind.


Literatur

[1] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: „Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ , Teile 1 bis 4, Ausgabe 10/2001

[2] Musterbauordnung (MBO) in der Fassung vom November 2002, zuletzt geändert durch Beschluss der Bauministerkonferenz vom 21.09.2012

[3] Deutsches Institut für Bautechnik – DIBt: „Bauregelliste A, Bauregelliste B und Liste C“, Ausgabe 2013/2

[4] Muster-Liste der Technischen Baubestimmungen, Fassung Februar 2013

[5] DIN EN 1504-3:2006-03 „Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken – Statisch und nicht statisch relevante Instandsetzung; Deutsche Fassung EN 1504-3:2005“

[6] Deutscher Beton- und Bautechnikverein e.V.: „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen – Aktuelle Regelwerke und Hinweise zum Stand der Technik“, Heft 19, aktualisierte Ausgabe 2012

[7] Schröder, M. et al.: „Schutz und Instandsetzung von Stahlbeton – Anleitung zur sachkundigen Planung und Ausführung“, 6., überarbeitete Auflage, expert Verlag, 2012

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