Mensch und Gebäude – vernetzte IntelligenzRealität und Vision

Die technische Leistungsfähigkeit von Gebäuden nimmt zu, Gebäude und Mensch verschmelzen immer mehr zu einer Einheit. Gebäude sollen auf ihren Nutzer bedürfnisorientiert reagieren. Jörg Balow von Arup Deutschland beschreibt, welche Möglichkeiten es heute schon gibt und wie die Zukunft aussieht.

Die Lebensader der Gebäude – ein reibungsloses Zusammenspiel aller Systeme

Für uns alle soll ein Gebäude „nicht spürbar“ funktionieren. Wir Nutzer möchten das Gebäude „nur“ seiner Bestimmung gemäß nutzen. Wir bekommen genug Sauerstoff, es ist behaglich warm, es ist nicht zu feucht, das heißt, physikalisch ist unsere Umgebung für uns perfekt. Zu jeder Zeit fühlen wir uns wohl. Diese Aussagen klingen einfach, erfordern jedoch schon heute effektive Bauprozesse sowie stetige Koordination und Kontrollen, die diese Ziele im Fokus haben. Bei komplexen Gebäuden sind in der Nutzfläche (im Raum) eine Vielzahl von technischen Systemen um den Nutzer installiert. Die Summe der Funktionen dieser Systeme bildet, in der heutigen Gedankenwelt, die für den Nutzer ideale Umgebung mit hoher Behaglichkeit (Abb. 02). Alle vorhandenen Systeme können in der Zukunft die Grundlage für das automatische und unmittelbare Herstellen der gewünschten Umgebung für den Nutzer sein, die sofort auf ihn reagiert und sich nicht nur auf das beschränkt, was z. B. ein Vermieter vertraglich liefern muss.

Gebäudefunktionen bestehen dabei aus normalen Nutzungsfunktionen und Sicherheitsfunktionen, die für die Nutzungsfreigabe zwingend erforderlich sind (Abb. 04). Beide sind für die behagliche und bestimmungsgemäße (normale Nutzungsfunktionen) sowie die genehmigte Nutzung (erforderliche Sicherheitsfunktionen) eines Gebäudes vollumfänglich einzuhalten. Um diese heute geforderte Gesamtfunktionalität zu erreichen, ist eine Vielzahl von Gewerken zur Bereitstellung der Funktionen beteiligt. So existieren für den normalen Nutzungsfall und den Sicherheitsfall zahlreiche Schnittstellen zwischen den Gewerken. Die Gebäudefunktionen sowie die Schnittstellen sollten dabei so einfach wie möglich und nur so komplex wie nötig ausgeprägt werden.

Ein intelligentes Gebäude − was ist das?

Unter einem intelligenten Gebäude verstehen viele Menschen ein Gebäude, das auf ihre Bedürfnisse oder ihre Anwesenheit automatisch und ohne Handlung der jeweiligen Person reagiert. Beispielsweise wird die Temperatur individuell bei Anwesenheit einreguliert oder das Licht reagiert auf die Stimmung des Menschen. Das ­Gebäude reagiert auf Bewegungsprofile oder aktuell ausgeführte Bewegungen und ruft z. B. automatisch den Aufzug. Systeme im Gebäude sind u. a. über das Smartphone bedienbar. Das Gebäude „kennt“ den Nutzer und kann auf ihn auch mit Prognosen reagieren, so dass z. B. anhand der Nutzungszeiten entsprechende Umgebungsbedingungen für eine Person auf Basis ihrer Vorlieben voreingestellt werden.

Was können Gebäude heute − Systeme und Möglichkeiten

Heute werden geforderte Sollwerte von Temperaturen, Feuchten, operativen Temperaturen, Luftgeschwindigkeiten, Abstrahlungstemperaturen der Umgebungsflächen durch Planer aus den jeweiligen Anforderungen (Normen, Arbeitsstättenrecht etc.) erfasst und planerisch in Systemen umgesetzt. Die Gebäudeautomation als Schnittstelle zwischen vielen technischen Systemen (Abb. 05) wird nach diesen Vorgaben geplant, errichtet, programmiert, in Betrieb genommen und instandgehalten. Der Nutzer kann geplante Eingriffe auf diese Funktionen ausführen (z. B. Raumtemperatur erhöhen, Zustände ein und ausschalten). Die Systeme reagieren automatisch, meist auf physikalische Parameter wie z. B. Temperatur, Feuchte, Druck. In der heutigen Zeit hat der Nutzer in diesen Fällen nur Eingriffsmöglichkeiten, die er bewusst vornimmt. Die Systeme reagieren damit nicht auf seine Bedürfnisse, sondern auf physikalische Größen, die der Nutzer zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgegeben hat.↓

Heute werden Werte des Energieverbrauchs von Systemen (Heizung, Kälte, Strom etc.) über Impulse oder über eine Datenschnittstelle (M-Bus) an die Gebäudeautomation übergeben und bei Bedarf gespeichert. Die Energiewerte werden zurzeit noch selten für automatische Optimierungen und Handlungen in der Zukunft eingesetzt. Durch normativ verfügbare und urheberrechtlich nicht geschützte Protokolle in der Gebäudeautomation, wie BACnet, besteht die Möglichkeit, Daten aus der Gebäudeautomation über eine Schnittstelle für die weitere Verarbeitung in andere Systemen zu übergeben. Hier hat der AMEV mit der Empfehlung „AMEV BACnet“ (Download verfügbar unter www.amev-online.de) dem Markt eine sehr gute Grundlage für die „Mindestsprachinhalte“ eines Protokolls zwischen verschiedenen Systemen der Technischen Gebäudeausrüstung und der Objektplanung geschaffen. Durch die Gebäudeautomation stehen innerhalb eines Netzwerks schon heute viele Daten zur Verfügung. Daten der Gebäudeautomation werden derzeit im technischen Monitoring oder auch im Inbetriebnahmemanagement genutzt, um die geforderten Funktionen im Gebäude zu überwachen oder zu optimieren.

Zukunft Intuition und Ganzheitlichkeit

Eine Datenübertragung zwischen verschiedenen Systemen auf einem Netzwerk in einem Gebäude kann das Ziel in der Zukunft sein. Dabei können alle Systeme im Netzwerk auf Anforderungen (auch intuitive Bedürfnisse durch den Nutzer) ­reagieren. Voraussetzung dafür sind Sensoren bzw. Daten, die die Bedürfnisse der jeweiligen Person an das Gesamtsystem im Gebäude übertragen. Die Speicherung aller Daten und die Prognose zur ihrer Anwendung führt zu einer ­bedürfnisorientierten Reaktion des Gebäudes mit all seinen Systemen. Auch die direkte Zuordnung des Energieverbrauchs auf den jeweiligen Nutzer, die Prognose und die Optimierung des Verbrauchs werden dabei eine wesentliche Rolle spielen. Es könnten Dienstleistungen an die zukünftigen Bedürfnisse angepasst und angeboten werden. Zunehmend werden dabei auch Systeme mit Künstlicher Intelligenz, KI, zum Einsatz kommen.

Intelligenz − ja „sicher“

Wenn auf die technischen Systeme in einem Gebäude über ein gemeinsames Netzwerk zugegriffen werden kann, ist immer die Gefahr vorhanden, dass Angriffe von außen auf diese Systeme ausgeübt werden können. Solche Angriffe gab es bereits (z. B. auf Krankenhäuser). In einem solchen Fall ist ggf. die Nutzung der Gebäude nicht mehr möglich oder die Nutzerdaten können in fremde Hände gelangen. Hinweise zur Planung solcher Netzwerke unter dem Aspekt der Datensicherheit gibt das VDMA-Einheitsblatt 24774. Auf Basis der Datenschutzverordnung in Deutschland ist für die Verwendung von Nutzerdaten die Einwilligung des Nutzers erforderlich. Wenn in einem Gebäude auch Nutzerdaten erfasst werden, ist das nicht zwingend mit der Erlaubnis aller Nutzer gleichzusetzen, ihre Daten ohne ihre Zustimmung weiter zu verarbeiten. Der Benutzer, z. B. bei bedürfnisorientierten Systemen im Gebäude, muss daher explizit eine entsprechende Erlaubnis für die Benutzung seiner Daten erteilen.

Viele Schnittstellen und eine hohe Komplexität bedeuten auch eine hohe Abhängigkeit der Funktion des Gebäudes von der Ausfallsicherheit der Komponenten. Bei der Planung von intelligen­ten Gebäuden sind alle Anforderungen zur Daten­sicherheit, Datenverwendung und Ausfallsicherheit zu berücksichtigen.

Alles ist möglich − was ist nötig?

Durch den technischen Fortschritt werden Gebäude immer digitaler. Die technischen Systeme und die Umgebung können mit Eingriff des Nutzers oder ganz automatisch nach Wunsch eingestellt werden. Das bietet viele Chancen, aber auch eine hohe Komplexität der technischen Anlagen und die Notwendigkeit einer Abstimmung mit dem Nutzer über die Verwendung seiner Daten.

Für jedes Gebäude ist z. B. mit dem Eigentümer und ggf. dem Nutzer abzustimmen:

– Wie intuitiv soll ein Gebäude reagieren und was bedeutet das für die Investitions- und ­Lebenszykluskosten des Gebäudes?

– Wie komplex sollen die technischen Systeme vernetzt werden (Wartungsintensität und Kos­ten im Lebenszyklus)?

– Welche Daten von Nutzern sollen erhoben werden und welche Genehmigungen sind dafür erforderlich?

– Wo ist der Break-Even zwischen Kosten und Einsatz von Technik im Gebäude?

– Wie ausfallsicher sollen Systeme (auch bei ­Angriff von außen) sein?

Die Fachplaner müssen in der Planung mit dem Bauherrn die notwendigen digitalen und intelligenten Funktionen des Gebäudes ermitteln und die dann zu planenden Systeme danach ausprägen – nur das Nötige, nicht alles Mögliche!

 

Literatur:

[1] „Geprüfter Gebäudenutzen“ – CCI 03/2017 – Jörg Balow – cci Dialog GmbH.

[2] „Systeme der Gebäudeautomation“ – Jörg Balow – 9/2016 – cci Dialog GmbH.

[3] „Komplex heißt nicht kompliziert“ – IKZ Fachplaner 10/ 2016 – Jörg Balow- Strobel Verlag GmbH & Co. KG

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