Low Budget – High Quality
Planen und Bauen mit
dünnen Stahlblechen

Die Frage nach den Bautechniken von morgen beantwortet die 2002 begonnene Future Trend Studie der VHT (Versuchsanstalt für Holz- und Trockenbau), die zusammen mit Europäischen Partnern durchgeführt wurde. Danach wird das Bauen leichter und flexibler.

Der größte Anteil unserer Bauaufgaben liegt bereits im Gebäudebestand. Dabei kommt der Nachverdichtung in Ballungsgebieten eine besondere Bedeutung zu. Die erwähnte Studie sieht allein in Deutschland ein Poten­tial von 338 Mio. m² Dachflächen, die aufgrund ihrer Struktur und Tragfähigkeit für eine Nach­verdichtung in Frage kommen.

Flexibilität

Um die Zukunftsfähigkeit von Entwürfen und Gebäuden im Sinne von Anpassbarkeit zu beurteilen, dienen sechs Kriterien. Dabei beschreibt der Begriff Erweiterungsflexibilität, wie eine vorhandene Struktur in Abhängigkeit von Tragverhalten und baurechtlichen Aspekten vertikal und horizontal erweitert und nachverdichtet werden kann. Die Veränderungsflexibilität ist ein Kriterium dafür, wie gut innerhalb eines Gebäudes Einheiten zusammengefasst oder verkleinert werden können. Die schnelle Anpassung an geänderte Anforderungen des Marktes wird als Angebotsflexibilität bezeichnet. Sie hängt stark mit der Nutzungsflexibilität zusammen, zum Beispiel bei der Umwandlung von leer stehenden Büroflächen in Wohnraum und umgekehrt. Unter Gebrauchsflexibilität versteht man die Anpassung an neue Kommunikationssysteme oder Schall-, Brand- und Wärmeschutzstandards, während sich die Ausstattungsflexibilität auf den sich ändernden Bedarf bei einem Mieterwechsel bezieht. Die Fähigkeit eines Gebäudes, sich Umnutzungen anzupassen, wird an Bedeutung zunehmen.
 

Stahlleichtbau

Der Stahlleichtbau, also der Einsatz von dünnen, kalt geformten Stahlprofilen, den man meist nur aus dem Trockenbau kennt, erfährt bei diesen Anforderungen einen wachsenden Einfluss. Er kann nämlich auch für tragende Strukturen wirtschaftlich eingesetzt werden. In den Niederlanden, Frankreich und Groß­britannien ist diese Bauweise bereits weit verbreitet, deren herausragende Eigenschaften Leichtigkeit, Tragfähigkeit und leichte Veränderbarkeit sind.

Verwendete man diese Bauweise anfänglich vorrangig für temporäre und industrielle Gebäude, so haben wir es heute zunehmend mit leistungsfähigen Verbundwerkstoffen zu tun, die zu Systemen zusammengesetzt werden und in nahezu allen Bereiche des Bauens ihren Einsatz finden können. Bei der Nachverdichtungen im Bestand spielt die Stahl-Leicht-
bauweisen vor allem den Vorteil ihres geringen Eigengewichts von im Mittel 60 kg/m² Bauteilfläche aus. Dabei kann sie als nicht brennbare Konstruktion hergestellt werden.
 

Konstruktionsprinzip

Die 0,6 bis 2,5 mm dünnen Profile werden in Analogie zum Holzrippenbau bzw. dem Holzrahmenbau gefügt und mit Plattenwerkstoffen, bevorzugt mit Gipsfaser- und Gipskartonplatten beplankt. Das Tragsystem besteht aus senkrechten Ständern, die den Fußpunkten und an den Ständerköpfen mit U-Schienen verbunden werden. Die obere Schiene verteilt die vertikal auftreffenden Lasten auf die Ständer. Deckenelemente werden entweder über Konsolen angeschlossen oder zwischen die vertikalen Elemente gelegt. Aus statischer Sicht unterscheidet sich der Stahlleichtbau dadurch wesentlich vom Skelettbau. Durch die Beplankung entsteht ein Verbundbauteil, eine so genannte Tafel, die Lasten sowohl in ihrer Ebene, als Scheibe, sowie auch senkrecht dazu, als Platte, abtragen kann. Die Steifigkeit der als statisch wirksamer Beplankung zugelassenen Werkstoffe ist dabei so groß, dass ein Knicken oder Biegedrillknicken der Kaltprofile ausgeschlossen werden kann.


Raster

Das Rastermaß der Profile ist variabel, sollte sich aber an den Plattenformaten orientieren. Eine wirtschaftliche Regelkonstruktion basiert auf einem Achsmaß von 62,5 cm. In der Praxis finden sich Ständerraster zwischen 31,5 bis 100 cm, je nach statischer Beanspruchung und konstruktivem Konzept. Türen und Fenster sollten im Raster liegen, um Profilversprünge zu vermeiden. Größere Öffnungen in tragenden Wänden und Decken können mit größeren Blechdicken oder ineinander gesteckten, kalt geformten Profilen überbrückt werden.


Beplankung

Art und Dicke der Beplankungswerkstoffe orientieren sich an den bauphysikalischen, statischen, brandschutztechnischen und bau­akustischen Anforderungen. Ihre Oberflächen können raumseitig roh belassen wie in jeder denkbaren Art beschichtet werden. Für die Ausbildung der Außenoberflächen sind alle gängigen Materialien und Systeme wie Putz, Verblendung, Verkleidung anwendbar. Der Hohlraum zwischen den Ständern wird nach energetischen und bauakustischen Anforderungen gedämmt.


Verarbeitung

Die dünnwandigen Stahlprofile können durch Schweißen, Schrauben, Stecken, Clinchen, Klammern oder Nageln verbunden werden. In Deutschland wurde die sehr wirtschaftliche Befestigung der Beplankung mit ballistischen Nägeln entwickelt. Die Abmessungen von Fertigteilen sind abhängig von Produktions- und Transportkapazitäten des Herstellers und liegen wirtschaftlich bei maximalen Bauteilab­messungen von ca. 3,00 x 12,00 m.


Schallschutz

Bei der Luft- und Trittschalldämmung von Gebäuden in Stahl-Leichtbauweise gelten die bauakustischen Wirkungsweisen des Trocken- und Leichtbaus. Die Schalldämmung erfolgt nicht über Masse, sondern durch Zweischaligkeit und akustische Entkopplung. Die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Schalldämmung sind:

– die Steifigkeit der Verbindung beider Schalen; diese wird beeinflusst durch Bauart und Anordnung der Ständer und die Befestigung der Platten auf der Unterkonstruktion (je weicher die Verbindung desto akustisch leistungsfähiger ist das Bauteil),
– der Schalenabstand, bedingt durch die Wahl der Profile – je größer desto höher die Schall dämmenden Eigenschaften,
– die Biegeweichheit der Einzelschale – diese wird beeinflusst durch Plattendicke, -material und -struktur,
– die flächenbezogene Masse der Einzelschale – diese wird beeinflusst durch den Plattenwerkstoff, durch einfache oder mehrlagige Beplankungen sowie
– Art, Eigenschaften und Füllgrad des Dämmstoffs.

Wärmeschutz

Bei Außenbauteilen in Stahlleichtbauweise liegt die primäre Dämmebene in der Ständer­ebene. Diese ist allerdings durch eine weitere Dämmebene zu ergänzen, weil die Metallstän-
der sonst zu Wärmebrücken werden.

Eine allgemein gültige Berechnung des mittleren U-Wertes nach DIN 4108-5 ist aufgrund der zu unterschiedlichen Wärmedurchlasswiderstände der Metallständer bzw. Stahl­profile sowie der Hohlraumdämmung nicht möglich. Den Wärmebrückeneinfluss der Ständer auf den tatsächlichen U-Wert des
Außenbauteils geben nur Wärmestromberechungen mittels Finiten-Elementen exakt wieder.

Als einfache Planungsgrundlage gilt, dass bei einer additiven Außendämmung mit einer Dicke > 60 mm und einem Dämmstoff der Wärmeleitfähigkeit von 0,04 W/mK die Wärmebrücke der Unterkonstruktion so reduziert wird, dass ein raumseitiger Tauwasserausfall ausgeschlossen ist und ein Zuschlag für die Wärmebrücken von 0,05 W/mK zu Grunde gelegt werden kann.

Für einen ausreichenden sommerlichen Wärmeschutz von Stahlleichtbauten reicht die Speichermasse der leichten Konstruktion gegebenenfalls nicht aus.

Hier bieten sich Lösungen mit Latentwärmespeicher-Materialien (Phase Change
Material) auf Basis von Salzhydraten und Para-finen an, die Wärme aufnehmen und zeitversetzt wieder abgeben können, also thermisch wie eine deutlich schwerere Wand wirken.

Brandschutz

Stahlbauteile sind zwar nicht brennbar, verlieren aber unter hohen thermischen Einwirkungen ihre Tragfähigkeit. Im Stahl-Leichtbau werden die Stahlprofile in Raum abschließende Bauteile, z. B. in Wände mit Feuerwiderstandseigenschaften, integriert. Darunter versteht man eine thermische Kapselung der Stahlbauteile. Als brandschutztechnisch wirksame Bekleidungen für Wände und Decken können folgende Platten-Werkstoffe eingesetzt werden:

– Gipsplatten des Typs F,
– Gipsfaserplatten,
– Gipsbrandschutzplatten,

– Kalziumsilikatplatten,

Das Brandverhalten und der Feuerwiderstand von Stahl-Leichtbaukonstruktionen werden durch folgende Faktoren bestimmt:

– Brandbeanspruchung (einseitig bei Wänden bzw. mehrseitig z. B. bei Stützen),
– Bauteilabmessungen,
– Konstruktionsart (die einzelnen Komponenten und deren Zusammenwirken),
– statisches System,
– Lastausnutzungsgrad des Bauteils,
– verwendete Baustoffe,
– Anordnungen von brandschutztechnisch wirksame Bekleidungen


Für die brandschutztechnische Klassifizierung von Bauteilen ist der Verwendbarkeitsnach­weis durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (AbZ) oder ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (AbP) zu erbringen, da DIN 4102 die im Stahlleichtbau verwendeten Konstruktionen nicht enthält. Auch Brandabschnitte in Brandwandqualität können mit Stahlleichtbauweisen ausgebildet werden. Es existieren mehrere zugelassene Systeme auf dem Markt, deren Wirkungsweise in Brandprüfungen nachgewiesen wurde. Zur Feuerbeständigkeit (F 90) einer Brandwand kommt die erhöhte Belastbarkeit gegen Stoßbeanspruchung.

Deshalb wird zwischen die Bekleidungs-lagen ein durchgängiges Stahlblech eingebracht, das die Flächenstabilität und den Raumabschluss sicherstellt.

Da, wie bei den Wandkonstruktionen, auch für Decken in Stahl-Leichtbauweise keine Normung besteht, muss auf Prüfzeugnisse und Zulassungen von einzelnen Baustoffen oder Konstruktionen zurückgegriffen werden.Bei Raum abschließenden Decken in Stahl-Leichtbauweise und einer Brandbeanspruchung von oben ist ein schwimmender
Estrich bzw. ein Trockenunterboden erforderlich. Er schützt die tragende Beplankung und verhindert ein frühzeitiges Versagen der Stahlprofile.

Feuer kann sich darüber hinaus in den Hohlräumen von Stahl-Leichtbaukonstruktion ausbreiten und gesundheitsschädliche Gase in nicht feuerbelastete Gebäudeteile leiten. Um Brandüberschläge zu verhindern und die Rauchdichtigkeit zu sichern, müssen Fugen mit nicht brennbaren Mineralwolldichtstreifen, Kitt oder Aufschäumdichtungen abgedichtet und sorgfältig verspachtelt werden.

Resümee

Die Wirtschaftlichkeit beim Bauen sollte nicht durch Einschränkungen in der Qualität, sondern durch die Koordination aller sich auf die Kosten auswirkenden Faktoren sichergestellt werden. Der Stahlleichtbau kann hierbei einen wesentlichen Beitrag leisten. Dabei sind allerdings die Entwurfsgrundlagen des Stahlleichtbaus zu berücksichtigen. Dessen Vorteile liegen besonders in der Leichtigkeit der Kon-
struktion und deren leichter Veränderbarkeit.

Klassifizierung

551

Fotonachweis

TSB-Ingenieurgesellschaft mbH, Darmstadt

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