Gymnasium Ergolding, Landshut

Kommunikativer Raum für Bildung
Gymnasium Ergolding, Landshut

In einer weitgehend freien und zu Teilen unter Naturschutz stehenden Landschaft befindet sich das neue Gymnasium Ergolding. Die Schule ergänzt 70 km nordöstlich von München das gymnasiale Unterrichtsangebot im niederbayerischen Landkreis Landshut. Die Unterrichtsräume sind vielfältig nutzbar und richten sich gezielt nach dem Bedürfnis der Schüler. Sowohl bei der Gruppenarbeit mit hohem oder niedrigem Lärmpegel als auch bei konzentrierter Einzelarbeit schafft die Architektur den passenden Rahmen für den modernen Unterricht.

Die Mitarbeiter der Architekturbüros Behnisch Architekten (BA) aus München und Leinhäupl + Neuber (ALN) aus Landshut kannten sich bereits von gemeinsamen Projekten. „Die Zusammenarbeit von unserem Büro mit Behnisch begann schon ein oder zwei Wettbewerbe vorher – damals leider erfolglos. Wir haben es danach ein drittes Mal probiert und kamen beim Gymnasium in Ergolding in die zweite Runde. Nachdem wir unseren Entwurf am 14. Februar vorstellten, erhielten wir den Zuschlag“, erinnert sich Markus Neuber von ALN. Der Standort des ersten Entwurfs war äußerst umstritten, da über das ausgeschriebene Grundstück eine Bahnstromleitung lief. „Das ist etwas, was Eltern höchst ungern haben. Dazu hat sich auch noch die Politik eingeschaltet. Man bekam Angst, die Schule, bedingt durch diese Umstände, nicht füllen zu können“, berichtet die Projektleiterin Brigitte Hoernle von Behnisch Architekten.

Gerade noch rechtzeitig entschieden sich Bauherr und Sachaufwandsträger für ein anderes Grundstück, bei dem das Stromleitungsproblem durch eine vierspurige Schnell­straße im Süden ersetzt wurde. Im Westen der zukünftigen Schule schloss ein Naturschutzgebiet an. Dessen schützenswerte Vogelarten waren im neuen Entwurf ebenfalls zu berücksichtigen. Auch dieses Grundstück stellte daher nicht die einfachsten Rahmenbedingungen dar, war aber durch planerische Kniffe leichter in den Griff zu bekommen. Die für die Klassenräume wenig nutzbare Südseite wurde als Lärmpuffer mit einem Flur ausgebildet, die Klassenzimmer und dezentralen Lernstationen orientierten die Architekten zum Pausenhof nach Norden hin.

Das Herz – die überdachte Pausenhalle

Das vierzügige Gymnasium für 800 Schüler bietet Platz für Klassen- und Fachräume und als Ganztagsschule zusätzlich für Schulmensa und Hausaufgabenbetreuung. Die Klassenzimmer ergänzen Differenzierungsräume, in denen Schüler in Kleingruppen in bestimmten Bereichen individuell gefördert werden. Daneben gibt es Ruheräume, lern­orientierte Aufenthaltsräume, eine Bibliothek und einen „Silentiumraum“ für Lehrer. Die Zweifeldsporthalle sowie ein kleiner und ein großer Allwetterplatz ergänzen das schulische Angebot mit sportlichen Einrichtungen. Sie werden auch extern von der Förderschule und umliegenden Vereinen genutzt.

Das zentrale Element des Hauses ist die Pausenhalle mit ihrem Luftraum über drei Geschosse. Sie übernimmt neben der Funk­tion des überdachten Aufenthaltsbereichs während der Pausen auch die des Zugangs zur Schule. Darüber hinaus bietet sie Raum für Schulveranstaltungen, kleine Ausstellungen, Theatervorführungen und Konzerte. Die von der Halle ab­gehenden Flure dienen der Erschließung. Etwas breitere, vorgelagerte Bereiche erweitern die Klassenräume als Orte der Begegnung außerhalb des Unterrichts. Sie fördern die erwünschte Kommunikation zwischen Lehrern, Schülern und Eltern. Mit Einzel- und Gruppenarbeitsplätzen ausgestattet unterstützen die Lernlandschaften die pädagogische Arbeit.

Das Licht durchflutete Atrium ist das Herzstück der Schule. Es wird von den Klassenflügeln durch mehrere Galerien eingerahmt und bildet einen offenen Bereich mit vielen Blickbeziehungen in die unterschiedlichen Zonen.

Gute Zusammenarbeit trotz Nutzerwechsel

Im Landkreis wurde für die Abstimmung mit den Planern eine politische Planungsgruppe eingerichtet. Diese besprach mit den Architekten alle wichtigen Themen. Jede Entscheidung gestaltete sich demokratisch. Da es im Vorfeld zunächst keine Nutzer gab, war nur die Gruppe Ansprechpartner. Christian Zehnt­ner, Sachaufwandsträger und Bauherrenvertreter aus dem Landratsamt begleitete den Diskurs. Eine weitere Beteiligte fand sich in der ehemaligen Traunsteiner Schulleiterin Maria Scharbert. Sie beriet die Architekten zu pädagogischen Fragen, zog sich jedoch zurück, sobald der direkte Nutzer auf den Plan trat. Das war zum Zeitpunkt der Ausbau­phase und etwa neun Monate vor Fertigstellung. Räumlich war bereits alles entschieden und gebaut. Zunächst sorgten sich die Architekten, ob das von ihnen geplante Konzept auch Zustimmung findet. Der neue Schulleiter Dr. Klaus Wegmann konnte die Bedenken jedoch schnell zerstreuen, indem er sich vom Entwurf begeistert zeigte.

Wie Klaus Wegmann berichtet, gestaltete sich die Zusammenarbeit von Anfang an gut: „Ich beteiligte mich ab Januar 2013 an dem Prozess, fand sehr schnell einen guten Draht zu den Architekten und traf in Markus Neuber von ALN sogar einen ehemaligen Schüler an.“ Auch Zehntner erzählt begeistert von der tollen Zusammenarbeit, die – von Beginn an vorhanden – sich immer weiter entwickelte: „Die Architekten zeigten sich, unsere Wünsche betreffend, von Anfang an sehr kooperativ. Behnisch Architekten ist ein renommiertes Büro und es war ein toller Entwurf.“ Man hatte ein Architekturbüro gefunden, das wie Brigitte Hoernle beschreibt, „unkonventionell und bevorzugt in Varianten denkt“. Das Büro Leinhäupl + Neuber war dem Bauherrn durch vorherige Projekte bereits bekannt.

Ablauf und Ausführung – rund um die Uhr

Die Arbeitsgemeinschaft bearbeitete das Schulgebäude mit einem Projektteam aus Mitgliedern beider Büros in allen Leistungsphasen. Der Terminrahmen war nicht zuletzt wegen des neuen Grundstücks extrem eng. Im April 2012 wurde die Planung auf dem neuen Grundstück begonnen, im Juli erarbeitete man die LPH 3 einschließlich Kostenberechnung, im August wurde bereits der Antrag auf Fördergelder und die Baugenehmigung abgegeben. Nach einer europaweiten Ausschreibung konnte man im November mit dem Spezialtiefbau beginnen.

Bei der Gestaltung der nach Westen orientierten Fassaden wurden die Glasflächen mit Texten bedruckt, um Vögel davon abzuhalten, durch die Spiegelung an die Scheibe zu fliegen. Im Süden besteht die Fassade aus dreifachverglasten und unterschiedlich bedruckten Sonnenschutzverglasungen, die allen Anforderungen an Sonnen- und Blendschutz genügen.

Eine angedachte hinterlüftete Fassade war im Budget nicht mehr drin. Somit wurde ein WDVS verwendet. Die Putzstruktur stellt sich im Detail raffiniert dar. Spezielle Bereiche sind durch verschiedene Korngrößen zusätzlich strukturiert, zweifarbig matt oder glänzend glatt und rau geputzt.

Auch die Technik ist perfekt durchdacht. Die Gebäudelüftung erfolgt über ein hybrides System aus manueller und automatischer Lüftung. Bauteilaktivierte Stahlbetondecken dienen der Grundlastabdeckung beim Heizen und Kühlen. Ausgeklügelte Lichtlenksysteme und LED-Leuchten sorgen für das richtige Verhältnis von Tages- und Kunstlicht. Wandverkleidungen, Streifenschotts und Teppichböden verbessern die Akustik, die für unterschiedliche Bedürfnisse – Einzelarbeit, Gruppenarbeit – die richtige Voraussetzung in der Lernlandschaft schafft. Das bestätigen die Werte der Nachhallzeit, die nach Fertigstellung sorgfältig geprüft wurden.

Das Farbkonzept gibt für jedes Geschoss eine eigene Farbe vor, die sich konsequent bis in die Toilettenräume zieht: von Gelb im EG über Orange im 1. OG zu Grün im 2. OG und Blau im 3. OG. Das schafft Orientierung und Sicherheit.

Die von den Architekten als hervorragend bezeichnete Arbeit der Rohbaufirma legte den Grundstein zum erfolgreichen Abschluss des Projekts. So konnte der Konkurs einer Ausbaufirma nach Beauftragung kompensiert werden, indem man rechtzeitig Ersatz fand.

„Hätte das gesamte Team nicht an einem Strang gezogen, wäre das Projekt kaum zu bewältigen gewesen“, erinnert sich Markus Neuber. Betrachtet man im Nachhinein den Emailverkehr, wurde 24 Stunden am Tag gearbeitet. Während der Nacht arbeitete man oft noch Brandschutzkonzepte aus. Trotz der Bedingungen blieb die Stimmung im Team gut. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Cordula Rau, München

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