Klimawandel und Fassadenkonstruktion
Der Umgang mit
steigenden Wassermengen

Der Klimawandel ist im Gange, die Erde erwärmt sich. Darüber besteht weltweit kaum Zweifel. Strittig hingegen ist die Frage, welche Auswirkungen das Aufheizen der Atmosphäre auf das Klima und die Lebensbedingungen auf der Erde haben wird. Darüber, wie sich die Einflüsse einzelner Faktoren beispielsweise auf das Wetter auswirken, weichen die Meinungen von einander ab, ebenso wie deren statistische, politische und wirtschaftliche Bewertung. Während einige Landstriche aufgrund von Trockenheit verkarsten, kommt es andernorts zu sogenannten Jahrhundert-Hochwassern, die riesige Schäden anrichten. Wenn man sich Wetter­ereignisse als statistische Werte vorstellt, ergibt sich global folgendes Bild: die ganz tiefen Temperaturen werden seltener vorkommen, die ganz hohen öfter und Hitzerekorde werden zunehmen.

Regenspenden und Starkregen

Eine allgemeine Definition des Begriffes ­Stark-­regen gibt es nicht. Dennoch taucht das Wort immer häufiger in den Nachrichten auf. Ein Starkregenereignis lässt sich statistisch beschreiben: die stärksten fünf Niederschläge der letzten zehn Jahre, oder durch Messwerte festlegen: alles oberhalb eines bestimmten Wertes. Allgemein versteht man unter einem Starkregenereignis einen besonders ergiebigen Niederschlag in einer vorgegebenen Zeiteinheit, dabei ist die Zeiteinheit aus Sicht der Hydraulik – und damit für Architekten und Planer – entscheidend.

Die Aussage, „Es fielen zehn Liter Regen pro Quadratmeter“, also 10 mm Niederschlag, reicht so nicht aus. Zusätzlich ist es wichtig zu wissen, in welchem Zeitrahmen der Regen niederging. 10 mm Niederschlag während eines regnerischen Tages sollten für ein Entwässerungssystem unproblematisch sein; fällt dieselbe Menge Wasser innerhalb von fünf Minuten, sieht die Sache anders aus.

Entsprechend definiert der Deutsche Wetterdienst Starkregen wie folgt:

– über 5 mm Niederschlag pro 5 Minuten
– über 7,1 mm Niederschlag pro 10 Minuten
– über 10 mm Niederschlag pro 20 Minuten
– über 17,1 mm Niederschlag pro 60 Minuten

Unwetterwarnung wegen „heftigen Starkre­gens“ gibt der Deutsche Wetterdienst bei Nie­derschlägen über 25 mm pro Stunde, bzw. über 35 mm in sechs Stunden heraus.

Die Wetterannahmen müssen neu definiert werden; einen „Jahrhundertregen“ erleben wir inzwischen häufiger als alle 100 Jahre. Daher ist es notwendig, konstruktiv auf die veränderten Bedingungen einzugehen, um Schäden an und in Gebäuden zu vermeiden.

Wie viel Wasser letztlich von einem Gebäude abgeführt werden muss, ist von regionalen Faktoren wie Regen- und Schneefallhäufigkeit sowie der Hauptwindrichtung abhängig, in erheblichem Maße von der Gebäudehöhe und nicht zuletzt von der nachbarlichen Bebauung, bzw. der Qualität der Umgebungsfläche. Es liegt auf der Hand, dass ein Gebäude auf der grünen Wiese einfacher zu entwässern ist als eines, das in enger urbaner Bebauung mit versiegelten Flächen steht. Entsprechende hydraulische Berechnungen, die der Dimensionierung des Entwässerungssystems vorangehen müssen, sollten von Fachleuten erstellt werden, damit alle relevanten Punkte berücksichtigt und aus­reichende Sicherheiten eingeplant werden.

Niederschlag an der Fassade

Man könnte annehmen, dass Regen ausschließlich auf das Dach und die Grundstücks­fläche niedergeht. Tatsächlich können bis zu 50 % des anfallenden Wassers über die Fassade eingetragen werden. Dieses Wasser fällt unter anderem an Balkonen, Loggien, Zwischendächern, Versprüngen und Vordächern an und wird von dort lokal abgeführt Ein großer Teil erreicht jedoch die Schnittstelle zwischen Boden und Gebäude. Hier ist auch bei einem Starkregen zu gewährleisten, dass kein Wasser über Eingänge, raumhohe Verglasungen oder andere ­Öffnungen der Gebäudehülle ins Innere eindringen kann.

 

Die DIN 18195 und andere

Der Sinn der folgenden Normen und Fachregeln zeigt sich, sobald Wind große Mengen vorhandenen Wassers gegen die Fassade drückt und so deren Dichtheit bedroht, bzw. wenn größere Schneemengen an der Schnittstelle Außenbodenbelag/Fassade liegen und durch die Wärme des Gebäudes von der Hausseite her zu tauen beginnen.

Die DIN 18195, Teil 5, fordert deshalb, zunächst einmal im Zusammenhang mit waage­rechten und schwach geneigten Flächen, die Abdichtung von aufgehenden Bauteilen bis mindestens 15 cm oberhalb des Außenbelages hoch zu führen. Dem schließen sich auch die Regeln für Dächer mit Abdichtungen (im folgenden Flachdachrichtlinie genannt) sowie die Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) an. Ist dies nicht möglich, zum Beispiel bei Türen, raumhohen Fenstern, Glasfronten etc., sind beson­dere Maßnahmen vorzusehen, die das Eindringen von Wasser verhindern.

Die Flachdachrichtlinie (Abs. 4.4) und die FLL (Abs. 4.1.4) lassen eine Reduzierung der Anschlusshöhe auf 5 cm zu, sofern „zusätzliche Maßnahmen“ ergriffen werden. Konkret gefordert wird hier, dass der einwandfreie Wasserablauf unmittelbar vor dem Abschlussbereich sichergestellt ist. Dieses leistet z.B. eine ausreichend dimensionierte Entwässerungsrinne, die im unmittelbaren Bereich der Türschwelle einzuplanen ist. Die anzusetzende Anschlusshöhe bezieht sich dabei auf die Oberkante des Belages und nicht, wie oft irrtümlich angenommen, auf die Oberkante der „Wasser führenden Schicht“. Zudem ist es ratsam, dass das Gefälle ≥ 2 % beträgt und vom Gebäude wegführt, auch wenn die neueste Ausgabe der Flachdachrichtlinie (Okt. 2008) nur noch „eine planmäßige Gefällegebung oder andere Maßnahmen“ verlangt. Flachdachrichtlinie, FLL, DIN 18024 sowie DIN 18025 sehen einen dritten Fall vor, nämlich den bodengleichen, barrierefreien Übergang. Um diesen langfristig schadensfrei ausbilden zu können, sind ebenfalls „zusätzliche Maßnahmen“ sowie außerdem ein erhöhter Planungsaufwand und eine sorgfältige Ausführung auf der Baustelle erforderlich. Die Entwässerungsrinne muss so ausgelegt sein, dass sie auch bei ungünstigsten Bedingun­gen das anfallende Wasser rasch und sicher vom Gebäude wegführen kann. Planungs­sicherheit wird hier durch eine individuelle hydraulische Berechnung erlangt.

 

Ästhetik, Komfort und Barrierefreiheit

Sowohl die klassische Türschwelle als auch die Eingangstufe sorgten bislang sicher dafür, dass sich bei einem „Jahrhundertregen“ kein vom Wind getriebener Wasserschwall in das Gebäude ergießt. Beide baulichen Maßnahmen verlieren zunehmend an Bedeutung, denn sie stellen nicht nur für Wasser und Schmutz eine Barriere dar, sondern auch für den Nutzer. Dabei muss es nicht immer um Behindertengerechtigkeit oder Barrierefreiheit gehen, sondern auch um Ergonomie und Komfort und diese Begriffe stehen neben Sicherheit und Bequemlichkeit auch für ökonomische Interessen. Hinzu kommen die ästhe­tischen Anforderun­gen. Mittelfristig werden jene Lösungen erfolgreich sein, denen es gelingt, möglichst alle Schwellen abbauen.

 

Tipps für Planung und Ausführung

Wie für alle technischen Details gilt auch für die Entwässerung: Je früher daran gedacht wird, desto einfacher, günstiger und sicherer wird die Planung. Die barrierefreie Schwellen­ausbildung stellt eine Sonderkonstruktion dar, die vom Planer vorgegeben und von den Bauherren abgesegnet werden muss. Hierzu sollte man sich die Unterstützung von Fachleuten holen.

Die notwendigen Aufbauhöhen von Entwässerungsrinne und Splittbett etc., das ­Gefälle sowie die Abdichtung und der Wärme­schutz sind schon im Rohbau zu berücksich­tigen. Eine Überdachung, ein Vordach oder eine seitliche Wandscheibe als Wetterschutz können die Wasserlast erheblich verringern.

Bei der Flächendrainage kommt im Idealfall eine freie Entwässerung unterhalb eines aufgeständerten Oberflächenbelages zum Ein­satz. Deren lichte Höhe sollte mind. 3 cm betragen. Die Entwässerung durch ein Splittbett verringert die hydraulische Leistung bereits ungefähr um den Faktor 12. Außerdem birgt sie Gefahren durch verschmutzte oder verstopfte Bereiche. Zuverlässiger und effektiver funktionieren sogenannte Drainagematten, die durch Stichkanäle ergänzt werden.

Die Entwässerungsrinne sollte dicht am Gebäude verlaufen. Dazu ist es erforderlich, dass die Dichtungsbahn einen 90°-Knick aushält. Eine Kunststoff-Dichtungsbahn ist möglicherweise von Vorteil, da eine bituminöse Bahn ggf. über einen Dämmkeil zwei 45°-Knicke erfahren muss, wodurch sich eine ungün­stige Distanz zum Gebäude ergibt. Zum Schutz der Abdichtung sollte die Auflage der Rinne nicht punktuell, sondern flächig ausfallen. Außerdem sollte die Entwässerungsrinne beidseitig geschlitzt sein, denn es ist davon auszugehen, dass selbst in dem engen Bereich zwischen Gebäude und Rinne Wasser anfällt, das sonst nicht abgeführt wird.

Auch die Wahl der Abdeckroste ist entschei­dend. Ein Lochblech mag optische Vorzüge aufweisen, erreicht aber nicht den notwendi­gen freien Quer­schnitt von mindestens 50 %. Maschenroste haben den Vorteil, herabfallendes Wasser „zu fangen“, was das Spritzen gegen den Sockel und somit das Verschmut­zen deutlich verringert. Die ­Erfahrung spricht für Maschengrößen von etwa 30 x 10 mm, wobei die Längsseite der Masche quer zur Hauptlaufrichtung liegen sollte.

Auf die Einbringung von Schmutzvliesen unterhalb der Roste sollte auf jeden Fall verzichtet werden. Diese stellen eine erhebliche Einschränkung des Systems dar und können durch verstopfte Maschen sogar dessen Versagen herbeiführen. Außerdem sollte die regelmäßige Reinigung des Entwässerungssystems im Gebäudebetrieb selbstverständlich sein. Hierzu ist es erforderlich, dass Revisionsöffnungen schnell zugänglich, leicht zu öffnen und sicher wieder zu schließen sind.


Resümee

Der Klimawandel sorgt in Mitteleuropa dafür, dass Starkregenereignisse häufiger und stärker eintreten. Die Gefahr, die davon für die Gebäude ausgeht, nimmt zu und muss bei der Planung stärker berücksichtigt werden. Gleich­zeitig fordern Planer und Nutzer einen barrierefreien, bzw. schwellenlosen Zugang zum Gebäude. Hieraus ergeben sich erhöhte Planungsanforderungen.

Zum Schutz der Gebäude gegen Wasser­einbruch durch Starkregen und Tauwasser sehen die DIN und die einschlägigen Richtlinien eine Anschlusshöhe von 15 cm vor. Diese kann, sofern die Planung geeignete Maßnahmen vorsieht, auf 5 cm gesenkt werden. Unter besonderen Bedingungen sind auch barrierefreie (Anschlusshöhe ≤ 2 cm) und bodengleiche Übergänge möglich. Allerdings muss dann sicher dafür gesorgt werden, dass ein Aufstauen von Wasser weder durch Wind noch durch Schnee und Eis geschehen kann. Bei der schwellenlosen Lösung, die sicher die komfortabelste und ästhetischste ist, handelt es sich um eine Sonderlösung, die gesondert geplant werden muss und der Zustimmung des Bauherren bedarf.

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