Integrale Technikkonzepte für energieeffiziente Gebäude
Energieeffizienz in der Praxis

Innovative Gebäude sollen sich durch hohen Nutzerkomfort bei reduziertem Energieverbrauch sowie durch geringe Betriebs- und Lebenszykluskosten auszeichnen. Baumate-rialien sind nachhaltig zu wählen, um den schädlichen Einfluss auf Umwelt und Raumklima zu reduzieren. Gestalterische Aspekte fordern die Kreativität für eine optimale Lösung am Standort. Nicht zuletzt entscheiden wirtschaftliche Interessen von Investoren und Bauherren über Umfang und Höhe der Investitionen. Die Umsetzung eines innovativen und energieeffizienten Gebäudes ist eine vielschichtige Aufgabe, die das Planungsteam durch den gesamten Bauprozess begleitet. Die Qualitätssicherung in der Planungs- und Bauphase setzt sich nach Inbetriebnahme in einer kontinuierlichen Betriebsüberwachung und -optimierung fort.

Energiekonzepte für die Praxis

Die in der Energieeinsparverordnung (EnEV) umgesetzten gesetzlichen Anforderungen an die Begrenzung des Jahres-Primärenergie-bedarfs und den Mindest-Standard des baulichen Wärmeschutzes führen mit einer kontinuierlichen Verschärfung zu einer Verringerung des Energiebedarfs von Gebäuden. Neue Berechnungsvorschriften für Nichtwohngebäude ermöglichen über die erweiterte Erfassung der Anlagentechnik die energetische Abbildung des Bedarfs für Wärme, Kälte und Strom. Der Energiebedarf von Gebäuden unterschiedlichster Nutzung, von der Schule bis zum Museum, lässt sich mit definierten Randbedingungen in der Planungsphase berechnen. Über die Ermittlung des späteren Bedarfs allein ist die Umsetzung eines energieeffizienten Gebäudes nicht gewährleistet.

Die Umsetzung nachhaltiger Konzepte erfordert zunächst die definierte Vorgabe eines energetischen Ziels für das Gebäude zu Beginn der Planungsphase. Eine enge Zusammenarbeit der Projektbeteiligten in einem interdisziplinären Planungsteam durch alle Planungsphasen macht die funktionsfähige Umsetzung dieses Ziels erst möglich. Die kontinuierliche Fortschreibung und Dokumentation der Arbeit sichert dabei einen hohen Qualitätsstandard ohne Informationsverlust auf dem Weg zum Gebäudebetrieb.

In den Forschungsprojekten am Institut für Gebäude- und Solartechnik (IGS) werden seit 2002 umgesetzte Konzepte moderner Bürogebäude hinsichtlich Komfort und Energieeffizienz in der Praxis untersucht. Die für die Gebäude definierten Zielwerte werden oft nicht erreicht, technische Probleme und Komforteinbußen beeinflussen den Betrieb. Die Erfahrung aus der Evaluierung zeigt oft deutliche Mängel auf. Ausgehend von zum Teil nicht vorhandenen bzw. mangelhaft definierten und damit nicht nachprüfbaren Planungsvorgaben ist im Rahmen des Bauprozesses bei einer Vielzahl der Bauten keine energetische Qualitätssicherung während der Planungs- und Bauphase erfolgt. Die fehlende Schulung von Betreibern und Nutzern führt dazu, dass die innovativen Konzepte nicht in der Praxis ankommen. Im Rahmen der Energieforschung unterstützt das BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) im Förderschwerpunkt EnOB das Energieoptimierte Bauen. „Gebäude der Zukunft“ ist das Leitbild von EnOB. In mehr als 20 Demonstrationsgebäuden wird ein Primärenergieverbrauch von weniger als 100 kWh/(m2a) im Betrieb nachgewiesen und die Ergebnisse der Evaluierung in einem Leitfaden für nachhaltiges Bauen als Planungshandbuch zusammengefasst.

Oldenburger Krankenversicherung, Vechta

Für das neue Verwaltungsgebäude der Alten Oldenburger Krankenversicherung in Vechta wird auf dieser Grundlage zu Beginn der Planungsphase ein Zielwert für den Jahres-Primärenergiebedarf definiert. Das Konzept wird im Planungsteam, bestehend aus Bauherr (VGH Ver­sicherungen/Alte Oldenburger Krankenversicherung, Vechta), Architekt (Göken + Henckel – Architekten, BDA, Oldenburg), TGA-Planer (Ingenieurbüro Zammit Achim GmbH) und der energydesign braunschweig GmbH, entwickelt.

Auf ca. 7 000 m² bietet das Gebäude Standardbüros, teilbarere Konferenzräume, untergeordnete Besprechungsräume sowie einen EDV-Schulungsraum und eine Cafeteria an. Neben den unterschiedlichen Anforderungen an Raumlufttemperatur, den Heiz- und Kühlbedarf sowie den Luftwechsel sieht der Entwurf verschiedene Fassadenthemen vor. In den aufgeweiteten Verkehrsflächen und in den Eckbüros ist eine raumhohe Verglasung vorgesehen, die übrigen Fassadenbereiche sollen eine Brüstung erhalten. Das energetische Konzept reagiert mit den ausgewählten Wärme- und Sonnenschutzmaßnahmen auf die Anforderungen und reduziert den Energiebedarf zum Heizen und Kühlen des Gebäudes auf ein Mindestmaß. Die ost-, süd- und westorientierten Fassadenbereiche werden mit einer hochwertigen Sonnenschutzverglasung ausgestattet. In Kombination mit einem außen liegenden Sonnenschutz wird die Kühllast durch solare Wärmeeinträge deutlich verringert.

Nordorientierte Bereiche bekommen eine kostengünstigere Wärmeschutzverglasung. Der zweigeschossige Foyerbereich erhält zur Vermeidung von Kaltluftabfall und Einschränkungen beim thermischen Komfort eine 3fach-Wärmeschutzverglasung. Aufgrund der höheren Werte für den Energiedurchlass der Verglasung ist hier ebenfalls ein außen liegender Sonnenschutz vorgesehen.

Zur Optimierung des thermischen Komforts werden die Bürobereiche über eine Bauteilaktivierung geheizt und gekühlt. Wärmebedarfspitzen können über statische Heizflä-
chen bzw. Unterflurkonvektoren gedeckt werden. Standardmäßig sieht das Konzept Fensterlüftung für die Büros vor. Bedarfsgerecht gesteuerte Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung gibt es nur für den Konferenzbereich und die Cafeteria. Zur Begegnung der nutzungsbedingten höheren internen Lasten kann die Zuluft für die Bereiche gekühlt werden. Die notwendige akustische Bedämpfung von Konferenzbereich und Cafeteria wird über Deckensegel realisiert, die gleichzeitig mit Heiz- und Kühlfunktion ausgestattet sind. Zusätzlich ist die Integration der künstlichen Beleuchtung möglich. Der Einsatz der unterschiedlichen Systeme erfolgt in Abstimmung mit gestalterischen Ansprüchen und komforttechnischen Kriterien und optimiert die bedarfsgerechte Versorgung der Zonen. Die Überprüfung der Funktionalität der Konzepte auf Raumebene erfolgt über eine thermische Gebäude- und Anlagensimulation.

Die Energieversorgung wird in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit sowie den Primärenergiebedarf und die CO2-Emissionen analysiert. Auf Raumebene sind Übergabesysteme mit geringen Auslegungstemperaturen gewählt, die die sinnvolle Integration regenerativer Energiequellen ermöglicht. Über eine Sondenanlage wird das Erdreich als saisonaler Puffer erschlossen und dient als Wärme- und Kältequelle. Ergänzt durch eine umschaltbare Wärmepumpe (Kompressionskältemaschine) werden die Komponenten unter Berücksichtigung der Investitions- und Verbrauchskosten ausgelegt und zur Deckung des Kühlbedarfs optimiert. Die Spitzenlasten in der Wärmeversorgung werden kostengünstig durch einen Gasbrennwertkessel übernommen.


Grundschule, Forchheim-Reuth

Das Konzept für den Neubau einer Grundschule in Forchheim-Reuth wird unter denselben Aspekten des nachhaltigen Bauens analysiert und entwickelt. Dabei unterscheiden sich die Anforderungen zum Bürogebäude in Vechta grundlegend. Klassenräume mit hoher Belegungsdichte überwiegen und machen vor dem Hintergrund mehrfach nachgewiesener schlechter Luft in Schulen neue Lösungen für den Lehr- und Lernkomfort erforderlich. Mechanische Lüftungsanlagen, mit Wärmerückgewinnung ausgelegt auf einen hygienisch notwendigen Luftwechsel, ermöglichen in Kombination mit der Stoßlüftung in den Pausen die Einhaltung von Grenzwerten des CO2-Gehalts in den Klassenzimmern von unter 1000 bzw. 1500 ppm. Diese Werte sind bei einer klassischen Fensterlüftung insbesondere im Winter nicht zu erreichen. Schülern und Lehrern, die aufgrund neuer Betreuungskonzepte bis zu acht Stunden in den Unterrichtsräumen verbringen, wird so der Komfort geboten, der konzentriertes Arbeiten und Lernen voraussetzt.

Auch das Konzept für dieses Gebäude wird im Planungsteam, bestehend aus Bauherr (Stadt Forchheim), Architekt (Büro Bahl & Bahl Architektur, Forchheim), TGA-Planer (PTG Planungsgesellschaft für Technische Gebäudeausrüstung mbH) und der energy-design braunschweig GmbH, entwickelt. Die Gebäudehülle der Schule greift den Wärmeschutzanforderungen der EnEV 2009 vor. Die Dämmstoffstärken werden in Bedarfsberechungen unter Berücksichtigung der Gebäudekubatur optimiert. 14 cm in der Außenwand und ca. 25 cm im Dach reduzieren die Transmissionsverluste auf ein Minimum. Die großzügigen transparenten Fassadenflächen erhalten eine Sonnenschutzverglasung. Ein außen liegender Sonnenschutz mit Tageslichtlenkung reduziert externe Kühllasten und den Strombedarf für künstliche Beleuchtung.
Für die Grundbelüftung der Klassenräume ist eine Zu- und Abluftanlage geplant, die auch an kalten Wintertagen für zugfreie Frischluft sorgt. Die Anlage wird raumweise nach Bedarf geregelt und gewährleistet einen ausreichenden Luftwechsel während des Schulbetriebs. Das Problem einer in der Praxis mehrheitlich nicht bedarfsgerecht ausgeführten manuellen Lüftung durch die Nutzer entfällt dadurch. Zu den unterrichtsfreien Zeiten wird die mechanische Belüftung abgeschaltet. Die Lüftung kann in der Übergangszeit und im Sommer wahlweise auch über die Fenster erfolgen. Turnhalle und Umkleiden werden ebenfalls mechanisch belüftet. Im Standardfall wird der Luftvolumenstrom auf die beiden Zonen verteilt. Für Großveranstaltungen kann die Anlage umgeschaltet werden und versorgt die Turnhalle mit der gesamten Fördermenge. Eine Überdimensionierung der Lüftungsanlage mit den resultierenden Anschaffungs- und Betriebskosten wird so vermieden.

Als Alternative zur Gas- und Ölfeuerung kommt in der Grundschule zur Heizwärmeversorgung ein Holzpellet-Kessel zum Einsatz. Unter Beachtung des Erneuerbaren-
Energien-Wärmegesetzes (EEWärmeG) ist eine ausschließliche Wärmeversorgung des Gebäudes über fossile Brennstoffe ab dem 1. Januar 2009 nur noch unter Realisierung von zusätzlichen Wärmeschutzmaßnahmen (EEWärmeG §7, Anlage IV) zulässig. Die Untersuchung weitergehender Wärmeschutzmaßnahmen hat jedoch zu einer Erhöhung der Jahresgesamtkosten und damit zu einer Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit geführt. Die Variante mit erdgekoppelter Wärpumpenanlage scheidet hier aufgrund der erheblichen Mehrkosten aus.

Damit die Gebäude ihre Effizienzpotentiale ausschöpfen können, ist im Anschluss an die Fertigstellung ein mindestens zweijähriges Monitoring notwendig. „plug&play“ funktioniert in der Regel bei innovativen und komplexen Konzepten nicht. Neben der Integralen Planung ist eine kontinuierliche Qualitätssicherung über den gesamten Lebenszyklus von zunehmender Bedeutung. Planer und Bauherrn müssen sich der Verantwortung stellen, ihre Gebäude nach der Fertigstellung intensiv zu begleiten, dann bietet sich die Chance, dass aus guten Konzepten gute Gebäude werden.

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